Aus alten Polizeiuniformen werden in Gremsdorf Rucksäcke

24.1.2018, 14:00 Uhr
Aus alten Polizeiuniformen werden in Gremsdorf Rucksäcke

© Foto: Ralf Rödel

"Ausverkauft", prangt neben einer grünen Umhängetasche im Online-Shop. Die ist besonders begehrt. "Wir kommen mit der Produktion kaum hinterher", sagt Detlev Troll mit einem lachenden und einem weinenden Auge. "Für diese Umhängetasche gab es vor Weihnachten 500 Interessenten" – viele sind leer ausgegangen. Detlev Troll, der Werkstattleiter der Barmherzigen Brüder in Gremsdorf, ist vor Ort in das Projekt "110 2.0 – Upcycling Uniform" eingebunden.

Begonnen hat alles bereits im Jahr 2016, als die Polizei auf die Barmherzigen Brüder in Straubing zugekommen ist. Man wollte die alten, beige und grünen Polizeiuniformen mit der Umstellung auf die neuen blauen nicht einfach entsorgen, sondern sinnvoll recyceln. Ob sich die Barmherzigen Brüder an ihren vier Standorten in Straubing, Gremsdorf, Algasing und Reichenbach eine Zusammenarbeit vorstellen könnten? "Die Barmherzigen Brüder sind exklusiv angefragt worden", betont Troll. Und natürlich habe man da mitwirken wollen.

Charme liegt im Material

Industriedesignerin Birgit Strasser entwarf also 16 verschiedene Produkte, die jetzt in allen Werkstätten gleich gefertigt werden. "Alles soll eine optische Linie haben", so Detlev Troll. Bei manchen Produkten kann man nur raten, was verarbeitet worden ist, vieles ist aber auch offensichtlich. Denn Jackentaschen, Knöpfe oder Reißverschlüsse werden mit einbezogen, um den Zukauf neuer Materialien so gering wie möglich zu halten. "Außerdem liegt im ursprünglichen Material ja auch der Charme", so Troll.

So wird aus einer ausgemusterten Hose und zwei Polizeimützen eine rollenförmige Tasche, eine einzelne Mütze mutiert zur Clutch für die modebewusste Dame, die robuste grüne Jacke findet sich in einem strapazierfähigen Rucksack wieder. Als besonderes Detail dürfen die Sterne der Dienstgrade nicht fehlen, die manche Produkte zieren. Nur die Hoheitszeichen mit dem Bayerischen Wappen werden sorgfältig abgetrennt. "Die sammeln wir erstmal hier in einem extra Tresor, dann gehen sie nach Straubing, wo sie verbrannt werden", erklärt Troll. Damit kein Schindluder damit getrieben werde.

In die Herstellung der Unikate sind natürlich auch Menschen mit Behinderung eingebunden. Denn darum geht es ja auch: Neben dem Upcycling stellen sich die Barmherzigen Brüder der sozialen Verantwortung und ermöglichen Menschen mit Behinderung die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben — je nach ihren individuellen Fähigkeiten.

Los geht es mit der Abholung der Klamotten — insgesamt handelt es sich um über 600 000 Kleidungsstücke von 27 000 Bayerischen Polizisten. Übrigens: Die Beamten spenden ihre Sachen freiwillig, denn die Dienstkleidung ist deren Eigentum. Die Barmherzigen Brüder holen die gesammelten Klamotten an den Polizeistationen ab, hier fahren schon Menschen mit Behinderung mit. Und vor allem beim anschließenden Sichten und Sortieren sind sie eingebunden, auch beim Abtrennen der Hoheitszeichen.

Spannende Lieferungen

In der Werkstatt sind heute Alexandra, Steffi und Viktor damit beschäftigt. "Das ist spannend und macht viel mehr Spaß als sonstige Arbeiten", sagt Alexandra, und die anderen nicken. Lachend erzählt Alexandra, was man so manchmal zwischen den Polizeiklamotten oder in den Hosentaschen entdeckt: altes Münzgeld, also DM, zum Beispiel oder auch schon mal ein Kondom. Und einmal war ein Brautkleid im Klamottenberg. "Jede Lieferung ist für unsere Mitarbeiter wie Weihnachten", erzählt Detlev Troll schmunzelnd. Ein bisschen Angst hätten sie nur, dass mal eine Waffe auftauchen könnte, sagt Alexandra. Immerhin: Eine Patrone wurde bereits gefunden — und natürlich sofort sichergestellt.

Nach dem Sortieren durchlaufen die Kleidungsstücke die Wäscherei der Barmherzigen Brüder, auch hier sind Menschen mit Behinderung tätig. Anschließend wird ein Teil der Klamotten eingelagert, was aktuell gebraucht wird, geht in die Näherei. Hier sind Gerlinde Fischer und Philip bei der Arbeit. Fischer ist Damenschneiderin und seit 28 Jahren in der Gremsdorfer Einrichtung beschäftigt. Bewohner Philip hat Änderungsschneider gelernt — für ihn sei diese etwas abgeschiedene Tätigkeit, alleine an der Nähmaschine, ideal, weiß Detlev Troll. "Wir wollen auch noch mehr unserer Bewohner für die Näherei qualifizieren."

Die Barmherzigen Brüder haben sich laut Troll "trotz des wirtschaftlichen Risikos" für dieses Projekt entschieden — und der Erfolg gibt ihnen recht. Dabei sind die Produkte nicht ganz billig. Die große Umhängetasche etwa kostet 119 Euro. "Aber es ist ein Unikat, und es steckt viel Zeit drin", betont Troll. "Jedes Teil wird sehr oft in die Hand genommen, bevor eine komplette Tasche rauskommt."

Die fertigen Taschen, Rucksäcke etc. werden nach Straubing geliefert, denn von den Barmherzigen Brüdern dort wird der Online-Shop verwaltet. Und auch nur dort kann man die außergewöhnlichen Produkte erwerben, die natürlich limitiert sind. Das liegt in der Natur der Sache, denn irgendwann sind alle alten Polizeiuniformen "aufgebraucht". Bis Ende 2018 soll die Umstellung auf die neuen Uniformen abgeschlossen sein.

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