Besondere Ein- und Ausblicke

1.5.2017, 05:33 Uhr
Besondere Ein- und Ausblicke

© Foto: Thomas Hahn

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Besondere Ein- und Ausblicke

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Eigentlich ist es ganz bequem. Auch wenn ich natürlich selbst auf die Liege bzw. Krankentrage krabbeln kann, keine Verletzungen, keine Schmerzen habe. Als Peter Tänzer, der Wachleiter der BRK-Rettungswache Herzogenaurach, mich allerdings festschnallt, wird mir doch ein wenig mulmig. "Das muss zur Sicherheit natürlich sein", sagt er. "Wir fahren aber vorsichtig", verspricht er und mustert mich ein bisschen mitleidig. Er nimmt auf einem Sitz am Kopfende der Liege Platz und schnallt sich ebenfalls an.

"Alles okay?", rufen Anton Schuster, der Leiter des Rettungsdienstes des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), Kreisverband Erlangen-Höchstadt, und sein Stellvertreter Thomas Heideloff aus dem Führerhaus. Alles okay! Dann geht es los.

Mein Blick ist auf die großen Türen am Heck des Fahrzeugs gerichtet. Die Fenster im oberen Teil sind halb Milchglas, nur ganz oben kann ich durch einen schmalen Streifen nach draußen schauen. Gerade einmal Baumwipfel kann ich erkennen, die vorbeifliegen. Schnell habe ich die Orientierung verloren. Irritierend ist auch, dass ich keine Ahnung habe, wann eine Kurve kommt.

Die Wände sind weiß und glatt (Tänzer: "Hier muss alles schnell desinfizierbar sein"), die meisten Gerätschaften sind in Kunststoff-Schränken verstaut. Logisch, dass es ganz schön klappert und scheppert.

"So, und nun pumpe ich Sie mal nach oben", sagt Tänzer. Die Krankentrage nämlich ist auf einem im Boden verankerten Schwebetisch festgemacht. Dieser Schwebetisch lässt sich nach oben fahren und hat eine Federung. Dadurch könnten die Stöße des Rettungswagens, etwa wenn er über ein Schlagloch oder über Kopfsteinpflaster fährt, für den Patienten abgemildert werden, erklärt Tänzer. Andererseits schwanke die Liege dann auch mehr. "Da wird so manchem Patienten schlecht."

Es schaukelt ganz schön

Tatsächlich wird mir bald etwas blümerant. Es schaukelt ganz schön. Hätte ich jetzt zudem noch Schmerzen, wäre das keine angenehme Fahrt. Dabei fährt Thomas Heideloff noch nicht einmal besonders schnell. Nicht so, wie bei einem wirklichen Notfall.

Trotzdem bin ich froh, als wir nach ungefähr zehn Minuten, die wir im Stadtgebiet unterwegs waren, den Hof der Herzogenauracher Rettungswache wieder erreichen. Vorsichtig und mit geübten Handgriffen bugsiert mich Peter Tänzer mit der Fahrtrage (eine Krankentrage mit Rollen) nach draußen. "Umgangssprachlich heißt sie auch Rolltrage und ist eine echte Verbesserung. Früher mussten wir die Liege mit dem Patienten selbst von Hand tragen", sagt Heideloff. "Heute können wir schieben." Da habe sich in seinen fast 40 Dienstjahren doch einiges getan.

Fahrtrage und Schwebetisch sind aber natürlich längst nicht alles in so einem Rettungswagen. Dieser, ein Mercedes Sprinter, ist knapp ein Jahr alt und hat inklusive Ausstattung 160 000 Euro gekostet. Tänzer zeigt die Gerätschaften und erklärt: "Ein Medikamentenschrank mit allen wichtigen Notfallmedikamenten, eine EKG/Defibrillator-Einheit, ein Beatmungsgerät, eine Absaugpumpe, ein Notfallrucksack." In dem Notfallrucksack seien die wichtigsten Gerätschaften noch einmal mobil vorhanden, denn "der geht mit zum Patienten, zur Erstversorgung".

Weiterhin gibt es eine Schaufeltrage, einen Tragestuhl, ein Tragetuch, einen Feuerlöscher und einiges mehr. "Wir sind für alle Eventualitäten gerüstet", betont Heideloff. Es handle sich also um eine Grundausrüstung und ein Modulsystem, sodass man sich immer an das jeweilige Unfallgeschehen anpassen könne. Ziel eines Rettungseinsatzes sei immer, dass der Patient so versorgt wird, dass er gefahrlos in die Klinik transportiert werden könne.

Modern geht es auch in der Fahrerkabine zu: Funkgeräte (im Moment noch analog, man ist laut Heideloff aber bereits für den Digitalfunk gerüstet), eine Rückfahrkamera, eine Wechselsprechanlage zwischen Fahrer- und Patientenraum, ein spezielles Tablet zur elektronischen Erfassung der Patientendaten, ein Navi. Letzteres ist besonders wichtig, denn die Alarmierung kommt von der Integrierten Leitstelle (ILS) in Nürnberg direkt auf dieses Navi. Und dann ist keine Zeit zu verlieren: Blaulicht — in der Fachsprache heißt das korrekt "blaue Rundumkennleuchte" — und Martinshorn einschalten und los. Die Signalanlage, also das Horn, ist übrigens inzwischen im Motorraum verbaut und nicht mehr auf dem Dach — der Lärmbelastung für die Insassen wegen.

"Die Fahrzeuge sind von der Ausstattung her landesweit gleich für alle Hilfsorganisationen, und wir suchen sie auch nicht aus", so Anton Schuster. Und weiter: "Das BRK macht eine Ausschreibung. Wer diese gewinnt, baut die Autos. Der bayerische Rettungsdienst braucht zirka 400 Stück pro Jahr." Mindestens 260 000 Kilometer muss ein Rettungswagen halten. Außerdem steht für ein Basisfahrzeug plus medizinische Ausstattung nur eine bestimmte Summe zur Verfügung. Heideloff: "Es gibt eine Fachabteilung, die versucht, den Spagat zwischen Geld und Bedarf zu schaffen." Diese Abteilung hat nach Heideloffs Ansicht in den letzten Jahren "ordentliche Arbeit" geleistet.

Zahlen müssen die Kostenträger

Und wer bezahlt das? "Letztlich finanzieren das alles die Kostenträger, also die Krankenkassen und Berufsgenossenschaften, und zwar überwiegend aus den Beiträgen ihrer Mitglieder", erläutert Heideloff. Die Krankenkassen jedoch haben das Prozedere an die Rettungsdienste, also das BRK und die anderen Hilfsorganisationen, übertragen. Sie alle stellen einen eigenen Haushalt auf, beschaffen dann Fahrzeuge, unterhalten diese und halten Personal vor. Neben den hauptamtlichen Mitarbeitern sind die Hilfsorganisationen aber auch auf ehrenamtliche Helfer angewiesen. "Ohne die Ehrenamtlichen ginge es gar nicht", macht Heideloff deutlich.

Die Einsätze werden pauschal abgerechnet, um einen landesweiten Kostenausgleich zu garantieren. So kostet beispielsweise ein Notfalleinsatz 590 Euro, ist auch ein Notarzt nötig, werden 745 Euro fällig; der Patient muss das freilich nicht zahlen, sondern seine Kasse. Und: "Die Organisationen selbst verdienen daran nichts, es ist ein Nullsummengeschäft", so Heideloff. Eventuelle Überschüsse fließen zurück in den Topf für die Allgemeinheit. "Insgesamt schlägt der Rettungsdienst des BRK in Bayern mit rund 400 Millionen Euro zu Buche", sagt Anton Schuster.

Mehr Bilder unter: www.nordbayern.de/herzogenaurach

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