Höchstadter Kellerberg: Bier-„Freaks“ steigen ins Felsen-Labyrinth

4.7.2015, 06:00 Uhr
Höchstadter Kellerberg: Bier-„Freaks“ steigen ins Felsen-Labyrinth

© Ralf Rödel

Das ist er also, der Bierbauch von Höchstadt. Wer den Kellerberg bisher vor allem vom Vorbeifahren in Richtung Autobahnauffahrt Höchstadt-Nord kannte, staunt erst einmal. Nicht nur dass die mehr als 20 Kellerhäusla rechts und links der Straße durch die LAG-geförderte Sanierung in den vergangenen Monaten zu richtigen Schmuckstücken geworden sind, vor allem der Untergrund fasziniert.

Ein richtiges Kellerlabyrinth mit schier unzähligen Stollen und Gängen und einer Gesamtlänge von mehr als 2000 Metern ist in den Berg gehauen worden, mehr als 200 Lagerkeller auf diese Weise entstanden. Der älteste stammt aus dem Jahr 1623.

Mit jedem Schritt, den Karsten Wiese in die Tiefe geht, nimmt die Temperatur spürbar ab. Erfrischend in dieser Sommerhitze. Früher jedoch floss hier der Schweiß, denn die Arbeit der Brauer war anstrengend. „Schon allein die Fässer von der Straße hier herunter zu bringen, war eine Heidenarbeit“, sagt der Chef des Kellerbergvereins.

Die Treppe war deshalb vorgeformt, hatte eine Vertiefung in der Mitte, um den Transport zu erleichtern. Dazu kamen Seilzüge.

Genutzt wurden die Keller lange, um das Bier nicht nur zu lagern, sondern auch zu vergären. 6 bis 7 Grad herrschen hier unten, eine gute Temperatur für untergärige Biere. Doch nicht nur Bier wurde gelagert, auch Wein (Wiese: „bis zum Dreißigjährigen Krieg wurde in Höchstadt Wein angebaut, die Qualität war allerdings nicht so gut“) und andere Lebensmittel wie etwa Schweinehälften. „Das hat sich aber mit dem Bier nicht vertragen, das wurde dann sauer“, erzählt Wiese. Man habe die Keller deshalb aufgeteilt, in die einen kam Bier, in die anderen Lebensmittel.

Höchstadter Kellerberg: Bier-„Freaks“ steigen ins Felsen-Labyrinth

Teilweise waren die Lagerstollen in Privatbesitz, einige aber auch in der Hand der Brauereien der Stadt. Oben drauf thronten die Kellerhäuschen. „Erst wurden die als Lagerschuppen für Werkzeug genutzt, später dann aber immer weiter ausgebaut“, so Wiese. Abends traf man sich zum Bier auf dem Kellerberg, „das war hier der kulturelle Mittelpunkt der Stadt“, sagt der Vereinschef. In sogenannten Stutzen, großen Bierkrügen, wurde der Gerstensaft nach oben gebracht und dort auf die Mittrinker verteilt. Die Tradition des „auf den Keller Gehens“ war begründet.

Kein Schankrecht

Diese Zeiten freilich sind längst vorbei. Die Kellerhäuschen sind in privater Hand, stehen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Wer in Höchstadt abends zum Brotzeiten auf den Keller will, hat Pech gehabt. Zwar lädt der Kellerbergverein regelmäßig zu großen Festen (etwa zum Tag des Bieres und heuer erstmals Anfang August zur Kellerbergkerwa) und donnerstags ausdrücklich auch Nichtmitglieder zum Stammtisch ins Petersbeckshäusla, einen ständigen Kellerbetrieb gibt es aber nicht.

„Viele Höchstadter würden sich das zwar wünschen, aber das können wir als Verein nicht leisten und ein Schankrecht haben wir ja auch nicht“, sagt Wiese. Auch die Lagerkeller im Untergrund werden kaum noch genutzt. „Viele wissen gar nicht, dass sie noch einen haben oder die Besitzverhältnisse sind unklar, weil es gleich mehrere Eigentümer für einen Keller gibt“, weiß Wiese. Viele würden ihren felsigen Kühlschrank deshalb verfallen lassen.

Jungbier hat Zeit zu Gären

„So Freaks wie wir allerdings, die nutzen sie noch“, sagt er schmunzelnd. Zum Gären. „Wir holen uns ungefähr zehn Tage altes Jungbier aus der Brauerei und lassen es hier fertig gären.“ Flaschenbier aus dem Kühlschrank in der Küche zu holen, sei zwar einfacher, die Kellerbergfreunde machen sich aber gerne die Mühe und kommen immer wieder runter in den Berg, um ihrem Bier beim Gären zu helfen – schöpfen den stets neu entstehenden Schaum ab, füllen Wasser nach.

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Unten im Berg ist auch noch einiges zu tun. „Wir haben zum Beispiel ein Problem mit der Feuchtigkeit“, erzählt Wiese. Früher sorgten Lüftungslöcher für ein gutes Kellerklima, im Lauf der Jahrhunderte wurden viele aber verschlossen. „Wir suchen deshalb Löcher und haben auch schon wieder welche aufgemacht“.

Früher jedoch wurden die Keller gepflegt – und auch noch zusätzlich gekühlt. Denn im Sommer durften die Brauereien kein Bier herstellen, mussten also dementsprechend große Mengen über die heißen Monate einlagern. „Dafür wurde auf den Karpfenteichen Eis geerntet, das dann in die Bierkeller kam.“

Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg – und früher schon, als Linde im 19. Jahrhundert Kühlmaschinen auf den Markt brachte – ging die Nutzung der Keller stark zurück. Dass die Tradition aber nicht in Vergessenheit gerät, dafür sorgt in Höchstadt der Kellerbergverein. Interessierten bietet er Führungen durch das unter Denkmalschutz stehende unterirdische Labyrinth an, derzeit entsteht auf dem Vereinsgelände auch ein kleines Museum.

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