Blättern im Gedächtnis der Stadt

9.12.2017, 07:00 Uhr
Blättern im Gedächtnis der Stadt

© Foto: Hubert Bösl

Es sind einige Seiten, bei denen Gerald Brehm innehält. Stolz innehält. Auf der Seite, auf der sich Maria-Elisabeth Schaeffler im Goldenen Buch verewigt hat, verweilt das Höchstadter Stadtoberhaupt zum Beispiel gerne. "In inniger Verbundenheit" hat die Schaeffler-Gesellschafterin dazugeschrieben. Dass sie derartige Gefühle für die Stadt hegt, in der seit Jahrzehnten so viele für Schaeffler arbeiten, freut ihn sichtlich.

Und einen kleinen Seitenhieb auf Herzogenaurach, die Stadt des Firmensitzes, kann sich der Höchstadter Bürgermeister auch nicht verkneifen: "Wir haben die Frau Schaeffler zuerst zur Ehrenbürgerin gemacht, Herzogenaurach erst nach uns."

Die meisten Einträge in dem "Geschichtsbuch der Stadt" stammen jedoch von Politikern. Die erste Seite des aktuellen Goldenen Buchs unterschrieb am 22. Oktober 1982 der damalige Landtagspräsident Franz Heubl. Ihm folgen Bundesminister (darunter Horst Seehofer, der in seiner Berliner Kabinettszeit für die Gesundheit zuständig war, oder auch Bundesinnenminister Otto Schily), Landesminister, Ministerpräsidenten. Günther Beckstein, erst bayerischer Innenminister, dann Landesvater, hat sich im Lauf seiner Karriere gleich in mehreren Funktionen in das schwere Buch mit Ledereinband eingetragen.

Viele Geistliche

In Höchstadt ebenfalls wie selbstverständlich dabei: viele Geistliche. Die katholischen Erzbischöfe aus Bamberg, Kredel, Braun und Schick, aber auch protestantische Würdenträger. Besonders stolz ist Brehm auf die Besucher aus dem persönlichen Umfeld des emeritierten Papstes Benedikt XVI. Dessen Bruder Georg Ratzinger hatte sich 2006 bei einem Besuch in Höchstadt im Goldenen Buch verewigt, im Herbst 2015 dann Papst-Sekretär Georg Gänswein.

Doch wer darf sich eigentlich eintragen? "Eine Satzung oder ähnliches gibt es hierfür nicht", antwortet Brehm. Es müsse eine Persönlichkeit sein, die eine herausragende Bedeutung für die Stadt oder die Region hat — wie etwa Maria-Elisabeth Schaeffler (bedeutend für die Stadt Höchstadt direkt sowie die Region) oder der frühere adidas-Chef Herbert Hainer (bedeutend für die Region) oder eben Menschen, die wie Bundesminister von genereller Bedeutung sind. Inflationär sollten die Einträge jedoch nicht sein, sagt Brehm.

Etwas mehr Seiten wurden aber im Zusammenhang mit der Höchstadter 1000-Jahrfeier 2003 gefüllt. Unterschrieben haben damals zum Beispiel der Bürgermeister der russischen Partnerstadt Krasnogorsk, aber auch Beteiligte der weiteren Partnerschaften Höchstadts.

Trubel herrscht stets, wenn sich jemand in das Goldene Buch einträgt, wie hier Fußballer Dominik Reinhardt nach seinem DFB-Pokalsieg 2007.

Trubel herrscht stets, wenn sich jemand in das Goldene Buch einträgt, wie hier Fußballer Dominik Reinhardt nach seinem DFB-Pokalsieg 2007. © Foto: Edgar Pfrogner

Auch einige Bürgerinnen und Bürger der Stadt finden sich im Goldenen Buch und zwar solche, die es zu sportlichen Ehren gebracht haben. Die Rennradfahrerin Barbara Weise findet sich da, die Fußballer Alois Reinhardt (Uefa-Pokal-Sieger und Deutscher Meister) und Dominik Reinhardt (DFB-Pokalsieger), der Weltmeister im Kickboxen, Daniel Händel, mit seinem Trainer Werner Soßna, der HEC nach seiner Bayerischen Meisterschaft im Jahr 2001.

Rund um das Goldene Buch ist einiges an Organisation nötig: Denn die entsprechende Seite muss vorbereitet sein, die Einträge der Ehrengäste werden kalligraphisch vorgestaltet — im Fall Höchstadt von Otto Oberndorfer, dem bekannten früheren Leiter des Sportzentrums. Zu lesen sind da Funktion des Gastes sowie Datum und Anlass des Besuchs.

"Dazu braucht es auch einen würdigen Rahmen für die Unterschrift", sagt Brehm. Und noch eines sei klar: "Wir laufen mit dem Buch niemandem hinterher." Sei eine berühmte Persönlichkeit in Höchstadt zu Gast, die Stadt werde aber nicht involviert, gebe es auch keine Unterschrift.

Und was war das Schlimmste, was dem Bürgermeister im Zusammenhang mit dem Goldenen Buch passiert ist? "Bei einem Termin ist es mal liegenblieben, da stockte mir kurzzeitig das Herz, als es weg war." Doch mit vereinten Kräften wurde das Buch wiedergefunden — und anschließend sicher verwahrt.

Chance verpasst

Etwas bedauerlich sei auch, einst im Rahmen der 1000-Jahr-Feier nicht Felix Neureuther zur Unterschrift gebeten zu haben. Als 18-Jähriger war der Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther dabei, als der Kellerberg 2003 zur Ski-Abfahrt umfunktioniert wurde. Mittlerweile ist er mehrfacher WM-Medaillengewinner. "Die Unterschrift hätte sich im Nachhinein gut gemacht", bedauert Brehm. Doch welche Erfolge Neureuther einmal einheimsen würde, war damals nicht vorherzusehen.

Den vorerst letzten Eintrag im Goldenen Buch bestreiten übrigens Volker Heißmann und Martin Rassau. Die beiden Fürther Kabarettisten haben im Sommer diesen Jahres unterschrieben.

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