Christian Schmidt: Der badende Buchhändler

22.2.2015, 19:59 Uhr
Christian Schmidt: Der badende Buchhändler

© Privat

Erstaunlich, aber offenbar wahr: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sieht trotz Online-Handels einen positiven Trend bei den Buchhandlungen vor Ort. Eine solche betreibt seit 15 Jahren Christian Schmidt in der Hauptstraße in Adelsdorf. Wie geht es dem 55-Jährigen als "kleinem" Buchhändler in Zeiten von Amazon und Co., wollten wir wissen. Und fragten gleich noch, ob er ein paar gute Bücher empfehlen kann.

Christian Schmidt: Gerne, was soll’s denn sein?

Ich mag keine Krimis, aber vielleicht haben Sie einen, der mich überzeugt.

Schmidt: „Null“ von Adam Fawer, mein Geheimtipp, oder „Blackout“ von Marc Elsberg.

Oder lieber doch einen Liebesroman?

Schmidt: „Liebesnähe“ von Hanns-Josef Ortheil.

Naja, vielleicht brauche ich doch was Erotisches.

Schmidt: Dann „Das Delta der Venus“ von Anaïs Nin. Ein Klassiker, immer noch gut.

Wie viele Bücher haben Sie eigentlich schon gelesen in ihrem Leben?

Schmidt: Das weiß ich wirklich nicht. Aber ich lese derzeit so zwei bis drei Bücher in der Woche.

Auch historische Romane?

Schmidt: Natürlich. „Das letzte Königreich“ von Bernard Cornwell wäre da vielleicht das Richtige für Sie. Furchtbar spannend, und immer hart an den historischen Fakten.

Können Sie als Buchhändler noch entspannt lesen, oder denken Sie ständig, ob sich die Bücher in ihrem Laden wohl gut verkaufen werden?

Schmidt: Nein, ich lese eigentlich nur Bücher, die mich interessieren. Gute Bücher kommen dann bei mir auch in die Regale, egal, wie bekannt der Autor ist. Mein derzeitiges Lieblingsbuch: „Ein ganz besonderes Jahr“ von Thomas Montasser, da geht es auch um eine Buchhandlung. Ein wunderbares, feines Buch.

Aber Sie müssen doch auch Bücher im Sortiment haben, die Sie vielleicht selbst nicht lesen würden?

Schmidt: Ja natürlich, ich biete ja immerhin rund 2500 Bücher in meinem Laden an. Autoren wie Ken Follett, Tana French oder Jojo Moyes muss man einfach anbieten können. Diese Bücher sind sicher sehr gut, aber ich kann ja nicht alle Bücher selbst lesen. Jedes Jahr kommen immerhin über 80 000 Neuerscheinungen auf den Markt.

Gibt es auch Bücher, die Sie nicht verkaufen würden?

Schmidt: Bei zwei Büchern erinnere ich mich, dass ich sie zwar im Sortiment hatte, aber eher hinter der Ladentheke aufbewahrt habe. Nur für den Fall, dass ein Kunde danach fragt.

Christian Schmidt: Der badende Buchhändler

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Nämlich?

Schmidt: „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche.

Aber „Das Delta der Venus“ haben Sie doch auch im Regal?

Schmidt: Ein Riesenunterschied. „Feuchtgebiete“ wurde total überschätzt.

Warum?

Schmidt: Weil es nichts mit Erotik zu tun hat und es einfach nicht hält, was es verspricht.

Und das zweite Buch?

Schmidt: Die Autobiographie von Stefan Effenberg, unsäglich.

Müssen Sie als kleiner Buchhändler Angst haben vor Amazon & Co?

Schmidt: Angst nicht, aber Amazon ist schon eine Herausforderung. Fürchten müssen sich eher die großen Buchhandlungen, wo es genauso anonym zugeht. Die Leute kommen nach wie vor gerne in kleine Buchhandlungen, weil sie die Verkäufer und Verkäuferinnen kennen und auf deren Ratschläge vertrauen. Wenn ich sage, dieses Buch müssen Sie lesen, dann wird mir das auch geglaubt.

Aber Ihnen müssen doch die Kunden abhanden kommen, die online bestellen.

Schmidt: Tun sie nicht, denn sie können ja auch bei mir online einkaufen. Das geht sogar schneller als bei anderen Anbietern und ohne Angaben von Bankdaten, wenn man sich die Bücher in den Laden schicken lässt. Das wissen viele Kunden zu schätzen und wollen auch ganz bewusst den Buchhändler vor Ort unterstützen. Ganz grundsätzlich: Es hilft nichts, über das Kundenverhalten zu meckern, sondern mein Job ist es, auf das Kundenverhalten einzugehen. Ich habe mich nach den Kunden zu richten und nicht umgekehrt.

Also alles im grünen Bereich?

Schmidt: Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Man muss sich schon tummeln. Nur im Laden stehen und auf die Kunden warten geht nicht mehr. So machen wir immer wieder Aktionen mit Schulen und Kindergärten, veranstalten Lesungen und sind auf Facebook präsent. Technisch und fachlich ständig up to date zu sein ist Pflicht, sonst hat man wirklich ein Problem.

Aber zumindest E-Books müssen für Sie doch des Teufels sein?

Schmidt: Auch das nicht, schließlich kann man ja über meine Homepage E-Books downloaden. Zuhause lese ich natürlich gerne in normalen Büchern, weil ich gerne ein echtes Buch in der Hand habe. Aber auf Reisen oder im Urlaub nehme ich auch den E-Book-Reader von Tolino mit. Als ich letztes Jahr eine lange Flugreise antrat, hatte ich ein über 1000-seitiges-E-Book von Humboldt in der Jackentasche. So was ist ganz witzig.

Ach übrigens, wenn ich mal herzlich lachen will, welches Buch würden Sie mir da empfehlen?

Schmidt: Natürlich die Bücher der Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling. Da geht es um ein kommunistisches Känguru und einen Kleinkünstler. Herrlich, als Hörbuch übrigens noch empfehlenswerter.

Fawer, Elsberg, Ortheil, Kling – sicher alles lesenswert. Aber wie ist es denn mit den alten Klassikern? Haben die ausgedient?

Schmidt: Keineswegs. Wenn Sie mich fragen, wer der Größte ist, dann antworte ich: Goethe! Dessen Sprachgewalt ist nach wie vor einmalig.

Welches Buch des Herrn Geheimrats würden Sie mir empfehlen?

Schmidt: Vielleicht ein Gedicht. „Eins und alles“. Da steht in vier Strophen all das, was die Welt im Innersten zusammenhält.

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