Die Weisendorfer Zubzas in Indien

6.11.2016, 15:11 Uhr
Baumpflanzaktion in Zubza.

© Privat Baumpflanzaktion in Zubza.

Ernst Klimek schrieb der Redaktion, von Kolkata sei die Gruppe nach Dimapur ins Nagaland gereist. Pater Samuel Elow erwartete die Weisendorfer am Airport, um die neunköpfige Delegation ins rund 900 Meter hoch gelegene Sechü Zubza bringen.

Zur Delegation gehören Josef Nimmerrichter von der Pfarrei St. Josef, Helmut Stinshoff von der evangelischen Gemeinde, Amanda und Heinrich Schmidt von der Pfarrei St. Josef, Bürgermeister Heinrich Süß mit Ehefrau Claudia, Schulleiterin Petra Pausch und Anita Klimek, die ebenso mit der Organisation der Nagaland Schulpatenschaften betraut ist.

Auf dem Programm stehen nun Treffen mit den bereits vermittelten 32 Schulpatenkindern, die Pflanzung eines Schulpatenbaumes, zeitgleich in Weisendorf und Dimapur. Ferner erfolgt eine gemeinsame Gottesdienstgestaltung, die Evaluierung der zahlreichen Projekte, es gibt Besuche bei den Familien, in den Slums und die Planung und Besprechung neuer Projekte – als Hilfe zur Selbsthilfe.

Außerdem sind Hospitationen in Klassen geplant, unter anderem zum Vorstellen der Wirkungsweise von Solartechnik in den Klassen, überdies ein Kulturfest der 16 Nagastämme zu Ehren der Freunde aus Weisendorf.

Bericht der Delegation:

TAG 1

Nach dem gemeinsamen Sonntagsgottesdienst überraschten uns  die  Freunde im Nagaland  mit mehreren Begrüßungsliedern.  Anschließend begaben wir uns zur Hauseinweihung von Boschome 12, dem Baierl-House.  „Spenden statt schenken“, ein Aufruf der Weisendofer Zubzas, bewirkt die Finanzierung  eines weiteren Hauses. Dies war für Roland Baierl und seine Familie und Freunde anläßlich seines 60. Geburtstages sehr wichtig. Mit dem Erlös konnte jetzt – in sechs Monaten – ein einfaches Haus aus Ziegelsteinen errichtet werden. Freunde und Bekannte packten tatkräftig beim Bau von Bocohome 12 mit an. Die arme Familie mit Vater Justin, Mutter Margeret und Tochter Agnes warten schon seit Wochen auf die Segnung und Weihe, um dann endlich einziehen zu können.
Das einfache Haus hat lediglich drei Zimmer und eine Küche. Sanitärausstattung gibt es ebenso wenig wie eine Toilette.

Mit viel Gesängen, Ansprachen und Segnungen aller Räume durch Pater Samuel Elow und Pater Joseph konnte Bürgermeister Heinrich Süß das rote Band durchschneiden. Ernst Klimek überreichte dem sichtlich strahlenden Vater den Hausschlüssel. Anita Klimek und Ernst Klimek übergaben der Familie die gesegnete Hauskerze. Gemeinsam wurde die Kerze entzündet und den Bewohnern überreicht.  Vater Justin und seine Frau Margeret  führten uns anschließend in die von ihnen vorher bewohnte Bambushütte. Die meist undichten  Seitenwände sind mit Zeitungspapier notdürftig  gegen Wind und Wetter abgedichtet. Diese Hütten halten meist nur 2- 5 Jahre. Für uns unvorstellbar, wie hier in den Wintermonaten bei +2 Grad bis +5Grad jemand leben und wohnen kann. Die Familienangehörigen überraschten anschließend das Zubza-Team mit der Übergabe zahlreicher Geschenke, wie dem Zubza-Schal und einem lebenden Huhn an Pater Joseph.            

Tag 2

Im Juli 2015 unterzeichneten der Schulleiter aus Zubza, Pater Samuel, und die Schulleiterin der Grundschule in Weisendorf, Petra Pausch, einen Partnerschaftsvertrag. Hierin versprachen sie einander als Zeichen der Verbundenheit zeitgleich gemeinsame Aktionen durchzuführen. Anlässlich des Besuches der Delegation aus Weisendorf in Zubza wurde am Montag, 7. November 2016 dieses Versprechen eingelöst. Zeitgleich wurde in Weisendorf um 10:00 Uhr (Ortszeit) vor der Grundschule und in Zubza in Indien um 14:30 Uhr (Ortszeit) im Schulgarten ein Baum gepflanzt. Während  sich die Weisendorfer für eine Silberfichte entschieden, pflanzten die Nagas einen Baum, wie er im nahen Dschungel üblicherweise wächst. Hier wie da wurde das eigens für die Partnerschaft von der Religionslehrerin Silke Kraus komponierte Zubza-Lied gesungen. Im fernen Indien griff neben Pater Samuel und Rektorin Pausch auch Bürgermeister Süß zum Spaten. In Weisendorf setzten Konrektorin Stinshoff und zweiter Bürgermeister Hertlein die Silberfichte hinter dem Gedenkstein ein.  Auch wenn 7500 Kilometer die beiden Orte trennen, so zeigten die beiden Schulen auf diese Weise ihre enge Verbundenheit.   

Tag 3

Um 9.45 Uhr starten wir heute erwartungsvoll mit zwei geländefähigen PKW zu einer Fahrt nach Peducha. Auf holprigen Wegen durch eine grandiose Natur durchgerüttelt auf Wegen, die eigentlich eine Ansammlung von Steinen, Schlaglöchern und steilen Auf- und Abfahrten sind, erreichen wir – nach 30 Minuten Fahrt für nur 7 Kilometer - endlich unsere Schule in Peducha.
Auch die 156 Kinder der Klassen 1-5 nehmen den täglich aus den weitverstreuten Ortschaften in den Bergen liegenden Dörfern den mühseligen Weg auf sich. Sie kommen zu Fuß über sogenannte
„short cuts“ und „tracks“, das sind Trampelpfade und Abkürzungen über Stock und Stein.
Deshalb kann der Fußweg auch bis zu einer Stunde dauern. Die armen Familien in der Region um Zubza haben nicht immer die Möglichkeit, ihren Kindern ein Frühstück zu geben. So wird auch hier eine große Anzahl der Kinder verköstigt.
Endlich sehen  wir unsere Schule in Peducha. Der herzliche Empfang der Eltern, Kinder und Lehrkräfte  mit Blumenstrauß und Geschenken - der  Naga-Halskette - bewegt uns sehr und wird uns immer unvergesslich bleiben.  Tief beeindruckt von der Lebensfreude und der Disziplin der Kinder,  den Gesängen, Tänzen und den schauspielerischen Talenten bedankt sich Bürgermeister Heinrich Süß anschließend bei den zahlreichen Gästen für den herzlichen Empfang und den zahlreichen Darbietungen.       
Auch an diesem Projekt wird deutlich, wie notwendig unsere Hilfe ist, und dass wir mit der Unterstützung aus Weisendorf einen wichtigen Beitrag leisten, dass diese Kinder eine bessere Zukunft bekommen. Der beste Weg in die Zukunft der Jungen und Mädchen ist Bildung, Bildung,
Bildung.  
Ein Thema, dass uns noch beschäftigen wird, ist die Aus- bzw. Fortbildung der Lehrkräfte, so dass diese über pädagogische, psychologische und medizinische Grundkenntnisse verfügen und so für ihre verantwortungsvolle Arbeit besser gerüstet sind.    
Unsere Gastgeber, die Salesianer Don-Boscos und Pater Samuel Elow geben sich viel Mühe, Extrawünsche zu erfüllen. Für Nagas gibt es kein „geht nicht“.    

 

Tag 4

Als wir heute den Festgottesdienst besuchen, fasziniert uns der begeisterte Gesang und die  Frömmigkeit der Kinder. Anschließend folgte das Kulturfest als weiterer Höhepunkt. Etwa 1500 Besucher aus den umliegenden Dörfern nahmen einen langen Fussweg auf sich, und selbst aus der Stadt Kohima reisten Gäste an. Der vielfältigen  Kultur der Region begegnet man am besten beim Kulturfest. Für die Freunde aus Weisendorf wurde besonders viel geprobt und vorbereitet. Überwiegend von den Schülern der Don/Bosco/Schule wurden die Tänze und Trachten der vielen Volksgruppen des Bundesstaates Nagaland präsentiert.  Wir genießen die Aufführungen auf dem Schulhof, umrahmt von Bergen und Wäldern. Über Jahrhunderte haben die stolzen und kriegerischen Nagas mit Kopfjäger-Vergangenheit einmalige kulturelle Eigenschaften entwickelt, die wir heute bestaunen. Die Berge und Hügel im Grenzgebiet zwischen Indien und Myanmar sind dünn besiedelt und isoliert. Hier tauchen wir  ein in eine völlig andersartige Umgebung einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt. Wir begegnen diversen Stämmen mit fremd klingenden Namen wie Angami, Chakhesang, Mao, Khiamniungan,  Rengma, Yimchungru oder Zeliang. Das Zubza-Team ist aber auch begeistert von der Herzlichkeit der Menschen und  werden immer wieder zu einem Foto aufgefordert, denn Besucher aus einem fremden Land dürfte hier einmalig sein. Schulleiterin Petra Pausch und Bürgermeister Heinrich Süss bedanken sich für die wunderschönen Aufführungen und die große Gastfreundschaft in Zubza. Beide versichern, dass die Brücke zwischen dem Nagaland und Weisendorf sehr stabil ist, der Austausch hervorragend funktioniert und weitergehen wird.

Tag 5:

 

Besuch bei Familien in Zubza
Heute besuchten wir einige Familien in Zubza in ihren Hütten. Das freundliche Lächeln der Menschen konnte uns nicht über die große Not und Armut hinweg täuschen. Allen Behausungen gemeinsam waren die beklemmende Enge, der stechender Geruch durch die offenen Feuerstellen, die bedrückende Dunkelheit und die mangelnde Privatsphäre aufgrund der löchrigen  Bastmattenwände.
Dreimal am Tag werden auf einer offenen Feuerstelle Reis und Dal (Linsenbrühe) gekocht.  Einige wenige Familien haben schon eine verbesserte Kochstelle aus Ton geformt und gebrannt, mit kleiner Öffnung, in die das Holz geschoben wird und somit weit weniger Holz verbraucht.
Unser Rundgang führte uns zu einer Familie mit drei eigenen und zehn angenommenen Kindern, die sich wenige Holzstockbetten teilen müssen.
Auf dem Weg zur nächsten Familie begegnete uns eine Mutter mit ihrer behinderten, fünfjährigen Tochter im Tragetuch auf dem Rücken. Wir überreichten kurzerhand ein Stofftier, über das sie sich überschwänglich freute.
Bei einer alleinerziehenden Mutter mit drei Töchtern und zwei Söhnen wurde Bürgermeister Heinrich Süß und Schulleiterin Petra Pausch in den einzigen Raum der Familie eingeladen, sich hinzusetzen. Die Dreizehnjährige dolmetschte geschickt zwischen der Mutter und dem Gast aus Weisendorf, stockte aber immer wieder und lächelte verlegen. Nach mehrmaligem Nachfragen erfuhren wir, dass es die Mutter sehr beschämt, das Schulgeld für ihre fünf Kinder von den Paten aus Weisendorf annehmen zu müssen, ohne sich dafür erkenntlich zeigen zu können. Andernfalls könnte kein Kind die Schule besuchen, da sie als Tagelöhnerin seit vier Jahren für den Unterhalt alleine aufkommt.
Unvorstellbare Zustände erlebten wir bei den sanitären Verhältnissen. Mehrere Familien teilen sich einen Plastikverschlag, der als Toilette dient, und einen notdürftig abgetrennten Bereich, der als Waschplatz genutzt wird.
Nach diesen zahlreichen Besuchen in den Familien konnten wir uns davon überzeugen, dass der hiesige Pfarrer und Schulleiter Pater Samuel alle Familien kennt und für eine Schulgeldpatenschaft die bedürftigsten auswählt. Die  Familien sind sehr dankbar für die Übernahme der Schulgebühren, da sie die Kosten selbst nicht aufbringen können und der Schulbesuch für die Kinder nicht möglich wäre.

7. Tag

Heute am 7. Tag unserer Reise ins Nagaland fahren wir von Zubza nach Dimapur. Hier sehen wir das Leben entlang der Straßen und in den Dörfern. Waschen findet meist im Freien oder hinter Plastik- bzw. Bambusverschlägen statt. An den Bächen und Flüssen sind Kleider zum Trocknen ausgebreitet. Auf den Reisfeldern wird geerntet.
Das Zubza-Team wurde nach zwei Stunden Autofahrt in Dimapur herzlich von den Kindern der Boscom-Schule (Bastmattenschule) mit Klatschen und Winken empfangen. Mit Bollywood-Tänzen, Gesangsbeiträgen und Sketchen erfreuten die Schüler die Freunde aus Weisendorf. Selbstgebastelte Geschenke, wie Halsketten und gestickte Bilder, wurden den „Germans“ überreicht. Viele Fragen zum Leben in Deutschland z.B. über das Frühstück, Hobbies und den Beruf folgten. Anschließend wollten alle Kinder mit den Gästen fotografiert werden. Seit über sieben Jahren unterstützen mehrere Sponsoren aus Weisendorf das Boscome-Projekt der Salesianer. Sie tun sich schwer, die Miete für den Grund, auf dem die Hütten erbaut wurden, ebenso wie die Lehrergehälter, zu bezahlen.  
Uns wird jetzt deutlich, dass trotz allgemeiner Schulpflicht in Indien Millionen Kinder nicht zur Schule gehen können. Besonders die Bewohner der Slums – die Ärmsten der Armen – können oftmals das geringe Schulgeld (1,40 Euro pro Monat) nicht aufbringen. Einfache Bambushütten als Schulräume reichen aus,  619 Kindern eine Chance für eine bessere Zukunft zu geben. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen möchte Boscome den Kindern vor allem Selbstachtung vermitteln. „Nur Bildung kann den Menschen zu Gewaltlosigkeit und Freiheit führen und ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen“.
Es war wieder ein überaus ereignisreicher Tag, ausgefüllt mit vielen schönen und fröhlichen Begegnungen voller Herzlichkeit. Immer wieder begeisterte und erfreute uns die große Gastfreundschaft, mit der man uns überall begegnete.     

 

Bürgermeister wird Schulgeldpate  

Für  viele Kinder im Nagaland ist der Schulbesuch undenkbar. Kosten für Schulmaterialen sind Ausgaben, für die das Einkommen der Familien oftmals nicht ausreicht. Bildung ist aber gleichzeitig der wichtigste Schritt, um den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Erst dann besteht die Chance, für die Kinder einen Beruf zu ergreifen, der später ein sicheres und ausreichendes Einkommen ermöglicht. Bürgermeister Heinrich Süß und seine Ehefrau  Claudia haben sich ebenfalls für die Patenschaft von zwei Kindern entschieden: Kekhrieneito (2. Klasse)  und das Mädchen  Nevisanuo (1. Klasse).Die Schüler  lernten ihre Schulgeldpaten  anlässlich eines Besuches des ZubzaTeams zuhause bei allen Kindern in den Hütten kennen. Die Schüler schreiben weiterhin regelmäßig Briefe an die Freunde in Weisendorf.              

Im Rahmen unserer Sechü-Zubza-Hilfsaktion bieten wir auch Ihnen die Möglichkeit, einem Kind aus armen Verhältnissen eine Zukunftsperspektive zu schenken. Bisher konnten 34 Schulkinder unterstützt werden. Pater Samuel SDB sendet an Anita Klimek -
die die Organisation der Schulgeldpatenschaften
durchführt-Namen und Adressen der besonders bedürftigen Kinder und deren Eltern, die 80€ im Jahr nicht für den Schulbesuch aufbringen können und er prüft  bei jeder Familie, deren Sohn bzw. Tochter für die Schulgeld-Aktion zugelassen wird, ob eine Bedürftigkeit  vorliegt. (Weitere Infos: www.zubza.de)

    
        

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