„Ein riesiger Rückschritt für die Leichtathletik“

4.11.2016, 18:34 Uhr
„Ein riesiger Rückschritt für die Leichtathletik“

© Foto: Theo Kiefner

Peter Müller ist sauer, das hört man auch durch den Telefonhörer. Der Leichtathletik-Cheftrainer der Turnerschaft Herzogenaurach redet sich in Rage: „Es gibt so viele Ehrenamtliche, die sich für die Leichtathletik den Hintern aufreißen und dann wird man von der Politik so behandelt“, schimpft er.

Das Ziel seiner Wut ist Innenminister Thomas de Maizière. Dem hat die Zahl der deutschen Medaillen bei den Olympischen Spielen in Rio nicht gefallen und er hat ein neues Sportförderkonzept vorgelegt. Das sieht unter anderem die Streichung von rund 40 Bundesstützpunkten in ganz Deutschland vor – und auf der Liste der Kandidaten steht nach Informationen des Bayerischen Rundfunks auch das Leichtathletik Centrum (LAC) Fürth.

Das Ende der Förderung als Bundesstützpunkt würde jedoch nicht nur den Verein aus dem Fürther Finkenschlag hart treffen, sondern vermutlich auch die Leichtathletik-Abteilungen der Vereine aus Herzogenaurach und Höchstadt. So sehen es jedenfalls die Verantwortlichen. „Für ganz Nordbayern wäre das schlecht“, sagt Müller. Er macht sich vor allem Sorgen um die Zukunft der Trainingshalle, die erst 2015 renoviert wurde und deren Erhalt viel Geld kostet. Viele Sportarten wie etwa Stabhochsprung oder Sprint lassen sich in der Region im Winter nur dort unter ausreichend guten Bedingungen trainieren. Im schlimmsten Fall, sagt Müller, müsste man die Hallensaison komplett streichen und sich auf den Sommer konzentrieren – denn die Fahrt nach München, wo die einzige vergleichbare Halle in Bayern steht, wäre zu weit. „Das wäre ein riesiger Rückschritt für die Leichtathletik“, sagt er.

Bei einem Aus für den Bundesstützpunkt, befürchtet Andreas Mönius vom LSC Höchstadt dürfte das LAC zumindest wohl deutlich höhere Nutzungsgebühren für die Halle verlangen. Für seinen Bundeskader-Athleten, Hindernisläufer Martin Grau, könnte eine Streichung der DOS-Förderung auch den Wegfall von Physiotherapie und Leistungsdiagnostik in Fürth bedeuten. Noch ließen sich die möglichen Folgen aber nicht konkret abschätzen. Es ist durchaus auch noch möglich, dass den Fürthern der momentane Status erhalten bleiben könnte. Laut BR fallen nur rund zwei Drittel der Streichkandidaten tatsächlich weg. Die endgültige Entscheidung darüber soll Anfang 2017 fallen.

Insgesamt sollen bundesweit etwa 40 der 200 Stützpunkte gestrichen werden – vor allem, um Geld für die von de Maizière geplante Strukturreform einzusparen. Die ist vor allem darauf ausgerichtet, das Medaillen-Potenzial zu erhöhen. Doch gerade dieser Fokus auf die Medaillen, ruft auch viele Kritiker auf den Plan. Denn einerseits wolle man saubere – sprich: dopingfreie – Sportler, andererseits klage man über zu wenig Gold, Silber oder Bronze. „Im Endeffekt sagt die Politik: Wir kürzen euch das Geld, weil ihr sauber seid“, sagt Müller.

Schließlich ist auch bei den Spielen in Rio alles andere als klar, welche Sieger ehrlich waren und welche nicht. Erst vor wenigen Tagen hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) beklagt, dass es bei den Kontrollen in Brasilien „ernste Mängel“ gegeben habe. Negative Folgen werde ein Ende der Förderung in der Region auf jeden Fall haben, sagt der TS-Coach. Wenn es an Angeboten fehle, werde der Nachwuchs weniger Sport machen. „Im Endeffekt“, glaubt Müller, „wird der Staat dann draufzahlen.“

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