Eine neue Mühle für koscheres Mehl in Jerusalem

13.2.2015, 16:40 Uhr
Eine neue Mühle für koscheres Mehl in Jerusalem

"Mir gefällt mein Beruf, er ist gleichzeitig mein Hobby“, verrät Paul Bruckmann. Sein Job ist komplex und vielseitig. Er muss sich in pneumatischer und mechanischer Förderung, in Elektrik und im Anlagenbau auskennen sowie das CAD-Computerprogramm beherrschen, mit dem er die Planungen für die Mühlen in 3 D macht. „Außerdem sehe ich viel von der Welt, aber ich bin auch gern Zuhause“, sagt er. Dort in Lonnerstadt hat er mit seiner Frau, die in dem Ort aufgewachsen ist, vor einiger Zeit die alte Mühle gekauft. „Das passt doch gut zu einem Müller“, findet Bruckmann.

Zu seinem Beruf kam er eher zufällig. Nach dem Schulabschluss, bot das Unternehmen Martin Bauer in Vestenbergsgreuth eine Lehrstelle zum Müller an. Da hat er zugriffen. Er hat in dem Betrieb dann nicht nur seine Frau kennengelernt, sondern auch seinen Meister gemacht. Anschließend hat er an der Müllerschule in Braunschweig, die weltweit einen sehr guten Ruf hat, eine Ausbildung zum Mühlenbautechniker gemacht.

Nach einer Zwischenstation in München kehrten die Bruckmanns 1995 wieder nach Lonnerstadt zurück. Die Söhne Robin und Felix kamen dazu. Und 1997 machte sich Paul Bruckmann selbstständig und gründete die Firma Mühlenbautechnik Bruckmann GmbH.

Eine gute Entscheidung, wie sich bald herausstellt. Zwar machten in den letzten Jahrzehnten immer mehr Mühlen in Deutschland dicht, weil sie die immer höheren Auflagen nicht mehr erfüllen konnten. Doch die zurzeit noch 250 verbliebenen Mühlen mussten und müssen kräftig in ihren oft veralteten Maschinenpark investieren. Und dazu braucht es einen versierten Mühlenbautechniker, von denen es im Land nicht viele gibt.

Paul Bruckmann jedenfalls ist inzwischen ein gefragter Mann. Er baut bestehende Mühlen um und modernisiert sie, damit sie den hygienischen Anforderungen entsprechen und der Explosionsschutz passt - oder plant gleich völlig neue Anlagen. Weil die Firmen offenkundig mit seiner Arbeit zufrieden sind, „spricht sich das herum“, sagt Paul Bruckmann. Sein Betrieb erhält Aufträge aus der ganzen Welt - aus Indonesien, Chile, Peru, Kenia, Südafrika, aus Estland, Lettland und zurzeit eben auch aus Israel.

Matze für die ganze Welt

Seit 2012 modernisiert Bruckmann in Jerusalem zum einen eine seit 1948 bestehende Mühle mitten in der Stadt, zum anderen plant und begleitet er den Neubau einer Mühle für eine Großbäckerei, die weltweit koschere Produkte vertreibt. „Sie stellen auch das Matze her, das ist ein ungesäuertes Brot, das nur aus Wasser und Mehl gebacken wird, und das alle Juden weltweit am Pessachfest essen.“

Unter anderem für diese Spezialität sollen in der neuen Mühle ab Herbst 200 Tonnen Getreide pro Tag vermahlen werden. „Das Besondere daran, ist die koschere Herstellung“, erläutert Bruckmann. Nach dem jüdischen Speisegesetz dürfen bestimmte Lebensmittel nicht zusammentreffen. So müssen zum Beispiel Milch und Fleischprodukte getrennt sein - bei Verarbeitung und Verzehr. Schon bei der Produktion der Lebensmittel wird streng darauf geachtet, dass die Vorgaben eingehalten werden. „Das überwacht sogar ein Rabbiner“, so Bruckmann.

Das bedeutet auch für den Mühlenbau besondere Anforderungen. Normalerweise werden nach der Reinigung des Getreides die Körner leicht mit Wasser benetzt, damit die Schale zäh wird und sich der Mehlkern dann leichter aus der Schale trennen lässt, erläutert der Mühlenbautechniker.

Produktion ohne Wasser

Bei der koscheren Mehlproduktion darf aber keinerlei Wasser zugesetzt werden, „das Getreide muss komplett trocken vermahlen werden“. Er habe daher zusammen mit einem Israeli ein Verfahren ausgearbeitet, das diese wasserfreie Herstellung erlaubt. „Das ist ein wenig aufwendiger, aber funktioniert.“ Mitte 2013 startete das Bauprojekt in Jerusalem. Seither fliegt Paul Bruckmann einmal pro Monat für etwa zehn Tage nach Israel. Er wohnt dann in einem kleinen Appartementhotel im Zentrum von Jerusalem.

Auch im August 2014 war der Lonnerstadter in Israel. „Ich war eigentlich im Krieg“, erzählt er in seinem Lonnerstadter Büro. Kurz nach der Ankunft in Tel Aviv sei er am Strand gewesen. Dann gingen Sirenen an, die Stadt wurde mit Raketen beschossen. Bruckmann hat mit seinem Handy gefilmt, wie die Raketen am Himmel vom israelischen Raketenabwehrsystem abgefangen werden und dann in der Luft explodieren. Er zeigt den Film am Computer: Weiße Wölkchen vor tiefblauem Hintergrund, dazu Sirenengeheul und Explosionen. „Die Druckwelle ist enorm“, weiß er.

Eine neue Mühle für koscheres Mehl in Jerusalem

© Fotos: Paul Bruckmann/privat

Für die Israelis seien solche Angriffe fast normal, niemand zeige Angst. Einmal sei er mit dem Taxi zur Baustelle gefahren. Die Sirenen gingen an, der Taxifahrer hielt an, brachte ihn in einen Bunker. „Nach zwei Minuten war alles vorbei und das Leben in der Stadt geht weiter, als wär nichts gewesen“, schildert Paul Bruckmann. „Man gewöhnt sich daran.“

Das neue Mühlengebäude in Jerusalem wird voraussichtlich Mitte März fertig. Auch die nötigen Maschinen und Anlagen besorgt das Lonnerstadter Unternehmen. Regina Bruckmann, für die betriebswirtschaftliche Seite zuständig, ordert sie in ganz Europa und organisiert auch den Transport. Per Schiffscontainer werden die Maschinen nach Ashdod, eine Hafenstadt in Israel, gebracht. Ab April werden die Maschinen montiert. „Da schicken wir dann Monteure vor Ort.“ Auch Paul Bruckmann wird dort sein, um die Montage zu überwachen. Im September soll die Mühle fertig sein. So ganz genau könne man das aber nicht sagen, denn „das Leben in Israel geht etwas langsamer“, hat der Mühlenexperte die Erfahrung gemacht.

Was kommt danach? Das nächste Projekt in Lettland sei schon am Laufen, außerdem sei gerade ein Mitarbeiter bei einem Projekt in Chile. Um ihre Zukunft machen sich die Bruckmanns keine Sorgen. Sohn Felix beendet bald seine Ausbildung als Feinwerkmechaniker und ist schon hin und wieder in Israel auf der Baustelle mit dabei. Und im Herbst soll ein neuer Auszubildender eingestellt werden. Schließlich mahlen die Mühlen der Welt immer weiter.

Einst gab es in Deutschland überall Mühlen. An allen Flüssen und Bächen drehten sich unablässig die Mühlräder. Schließlich waren sie nötig, um das Mehl für das tägliche Brot zu mahlen. Auch an der Aisch gab es früher fast in jedem Dorf eine Mühle. Jetzt wird nur noch die Litzmühle in Gremsdorf betrieben.

Die Situation hat sich nicht nur im Landkreis grundlegend geändert. Beim Gespräch über seine Arbeit nannte der Mühlenbautechniker Paul Bruckmann folgende Zahlen: 1882 gab es deutschlandweit 52 000 Mühlen, 1944 waren es noch rund 30 000 Mühlen. Bis heute ist die Zahl der Mühlen auf 250 Mühlen geschrumpft.

Die meisten Betriebe können die zahlreichen Auflagen nicht mehr erfüllen, weil das Geld für die nötigen Investitionen fehlt. Die Folge ist das Mühlensterben. Die nächsten größeren Mühlen liegen in Sambach und in Schweinfurt.

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