Eine Papierfabrik für das fränkische Wirtschaftswunder

17.10.2016, 14:36 Uhr
Eine Papierfabrik für das fränkische Wirtschaftswunder

© Archiv: Karin Faßbender, geb. Glock)

Diesem überließen sie später, fast zeitgleich mit der benachbarten Industrie G.m.b.H. in Bahnhofsnähe ein preisgünstiges Areal, so dass sich seine Papier-Werke entfalten und ihr Scherflein zum Aufschwung beitragen konnten – in erster Linie zum Wohle des Städtchens, eigentlich aber weit über die Region hinaus.

Nicht ohne Grund lobte der Bayerische Rundfunk in einer Reportage vom 16. Februar 1955 das wirtschaftlich aufstrebende Herzogenaurach. Anlässlich der Sendereihe „Arbeit schafft Heimat“ betonte Herbert Hupka, Abteilungsleiter im BR, neben der Leistung des Industrie- und Teppichwerks, der adidas-Sportschuhfabrik und des Apparatebaus Weiler besonders die des Inhabers der gleichnamigen Papierverarbeitungsfirma. Johannes Glock habe kurz „nach dem Zusammenbruch von 1945 mit geringsten Mitteln und aus kleinsten Anfängen heraus sein Werk aufgebaut, dort, wo noch vorher die Kartoffeln geerntet worden waren“.

Unklar bleibt, wer den 1912 in Düsseldorf Geborenen für ein Engagement in Franken gewann. Sowohl die drei Töchter, die seit langem in München leben, als auch Beschäftigte der ehemaligen Herzogenauracher Glockwerke können nur spekulieren, wieso der Rheinländer kurz nach Kriegsende im Aurachstädtchen Fuß fasste. Auffällig jedenfalls, dass ab 1946 nun drei Standorte den Kopf seiner Geschäftsbriefe zierten: Düsseldorf, Eller/Mosel und eben Herzogenaurach.

Laut Irene Lederer, Chefin des hiesigen Stadtarchivs, zog Johannes Glock bereits am 19. Mai 1945 von Schwabmünchen nach Herzogenaurach und wohnte zunächst in der Richthofenstraße (heutige Hans-Sachs-Straße), bevor er Gattin Walburga zusammen mit den 1940 bzw. 1943 geborenen Töchtern Karin Ingeborg und Sigrid ab 30. November 1945 hier anmeldete, jetzt unter der Adresse Köpfwasen 1, wo die vier Personen lediglich zwei Zimmer der sogenannten Hetzler-Villa bewohnten. Für die Familie günstig, weil der Vater gleich auf der anderen Seite der Aurach, in der alten Wirth-Fabrik, freie Räume fand, um erste Ideen in die Tat umzusetzen.

Gleichzeitig bemühte er sich bei der Gemeindeverwaltung um eigene Produktionsstätten. In den Sitzungsprotokollen des Stadtarchivs vom 17. November und 20. Dezember 1945 lesen wir, dass der Stadtrat einer Firma namens Glock & Hübinger „das ehemalige N.S. K.F.-Heim mit den zwei Schuppen und einem noch zu bestimmenden Teil des umliegenden Geländes (am heutigen Goldberganger!) durch Pachtvertrag überlassen“ soll.

Und am 31. Mai 1946 wurden dieser Firma zirka 8000 Quadratmeter für einen Preis von 100 RM pro Dezimale in der Nähe des Bahnhofs zugesagt, wenn sie – ähnlich wie die Industrie G.m.b.H. der Schaeffflers – folgende Bedingungen erfülle: neue Fabrikgebäude binnen eines Jahres zu erstellen und im Jahre darauf mindestens 100 in Herzogenaurach wohnende Personen zu beschäftigen.

Doch schon sechs Wochen später, am 10. Juli 1946, relativierte der Stadtrat sein Angebot insofern, als er festhielt: „Der Überlassung von städtischen Grundstücken und des Abschlusses eines diesbezüglichen Vertrages kann erst wieder näher getreten werden, wenn der Inhaber von Glock & Hübinger den Nachweis erbringt, dass er nicht unter die von der US-Militärregierung von Bayern erlassene Anordnung der Rückführung in andere Zonen fällt“. 16 Tage danach, am 26. Juli, ergänzte man im Sitzungsprotokoll, dass der Betrieb versichern müsse, seinen Hauptsitz ständig in Herzogenaurach zu führen.

Es gelang anscheinend sehr schnell, die städtischen Bedenken auszuräumen, denn bereits im August 1946 bevollmächtigte die Firma einen Architekten, der sie in Fragen der Planung bzw. Bauausführung und des abzuschließenden Grundstücksvertrages vertreten würde.

Einen Monat später reichte Johannes Glock – jetzt ohne Partner Hübinger im Briefkopf – das „Baugesuch für die Erstellung unseres Werksneubaus auf dem Industrie-Gelände am Bahn-hof“ ein, versehen mit dem deutlichen Hinweis, dass „der vorliegende Auftragsbestand und die Verpflichtung für Behörden und Export dringend die Durchführung der geplanten Bau-maßnahme erfordern“.

Am 1. Oktober 1946 gab der Stadtrat mit folgendem Wortlaut einhellig seine Zustimmung zur baupolizeilichen Genehmigung: „Die Firma Glock erhält das von der Stadt im Mai 1946 vom früheren Wasenmeister Maier käuflich erworbene Grundstück Plan.Nr 1319 je nach Baubedarf käuflich überlassen. Es gelten die gleichen Bedingungen wie sie für die Industrie GmbH festgelegt wurden“. Mit Bescheid vom 27. November 1946 erteilte das Landratsamt Höchstadt die Genehmigung zum Grundstücksverkauf, der Kaufpreis von drei Reichsmark pro Quadratmeter blieb unbeanstandet.

1947 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden und ein Jahr später mit der papierverarbeitenden Produktion in den neuen Gebäuden, wie es die städtische Auflage verlangt hatte. Nicht ohne Grund widmete der regionale „Marktspiegel“ zwei Seiten in Heft 9 des Jahres 1950 dem repräsentativen Glock-Werk.

Im zweiten Teil der Serie geht es um, den „Unternehmertypen“ Glock und seine Familie.

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