ERH: Immer mehr Wildschweine halten Jäger auf Trab

26.11.2016, 06:00 Uhr
ERH: Immer mehr Wildschweine halten Jäger auf Trab

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Früher war die Sau noch dumm. Und auch meistens gar nicht da. „Ich kann mich erinnern, vor gut 20 Jahren haben wir noch den Kollegen im Landkreis Forchheim ausgeholfen, wenn wir mal ein Wildschwein schießen wollten“, sagt Manfred Kratz. „Wenn man eine Sau erwischt hat, war das wie ein Volksfest – die Nachricht ging durchs Dorf wie ein Feuer.“

Inzwischen ist das anders. Der Bayerische Jagdverband berichtet: „Die Schwarzwild-Strecke bricht alle Rekorde.“ Mit genau 85 436 erlegten Schweinen habe sie im Jagdjahr 2015/2016 „ein Maximum erreicht“. Familie Kratz kann schon lange nicht mehr im Nachbarlandkreis aushelfen. In ihrem Jagdgebiet Etzelskirchen II, das von der Aisch bis zur Grethelmark reicht, erlegen Manfred, seine Frau Angelika, ihre Tochter und ihr Schwiegersohn inzwischen zehn bis 20 Sauen im Jahr. „Die größte Strecke waren 21“, sagt Manfred Kratz.

Kleine Paradiese

Warum hat die Population so zugenommen? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen beweist die Wildsau Köpfchen. Als im Landkreis Forchheim der Jagddruck stieg, sind die Rotten ausgewichen. Rund um Herzogenaurach werden bislang nur eine Handvoll der Tiere im Jahr geschossen. „Aber das dauert nicht mehr lange“, sagt Kratz, „dann kommen sie da auch.“ Außerdem kennt das Schwarzwild inzwischen die Tricks der Jäger.

Beispiel Maisfelder. Sie sind für Wildschweine kleine Paradiese. Zum einen ist der Tisch reich gedeckt, zum anderen bieten die hohen Pflanzen Schutz. „Deswegen hat ein Landwirt neulich Schneisen in sein Feld gezogen, damit wir die Tiere erwischen können“. Aber die Sauen haben sofort auf die Veränderung reagiert und die Todesfallen gemieden. Auch einen Hochsitz dort aufzubauen, wo der Blick frei ist, weil die Tiere den Mais bereits zertrampelt haben, hat nicht funktioniert. Da blieben die Schweine einfach im Wald.

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© Freilinger

Dort fühlen sie sich ohnehin „pudelwohl“, sagt Manfred Kratz. Denn sie finden hier wieder reichlich Nahrung und Verstecke. Schließlich ist der „Waldumbau“, wie Kratz es formuliert, im vollen Gange. Junge Kulturen bieten nach einigen Jahren reichlich Dickicht, außerdem werfen wieder mehr Eicheln und Buchen Leckereien ab.

Die Jäger müssen also warten, bis sich das Schwarzwild aus der Deckung wagt. Und so schlägt sich die Familie Kratz eben die Nächte um die Ohren. „Wenn wir eine Spur gefunden haben, gehen wir meist so bis 1 Uhr auf Ansitz, besonders bei Vollmond, wegen der Sicht.“

Die persönliche Statistik hat gezeigt: Wenn Kratz zehn Nächte sitzt, landet er durchschnittlich einen Treffer. Der Wecker des Bauhandwerkers klingt aber trotz allem gnadenlos um 5 Uhr morgens. Im Fall dass er nachts noch eine Sau verarbeiten muss, geht er gar nicht mehr schlafen. Schließlich muss er das Schwarzwild noch nach Hause holen, häuten und ausnehmen und dann in der Gefriertruhe verstauen. „Für die Jagd geht natürlich sehr viel Freizeit drauf,“ sagt der Etzelskirchener, der das Fleisch viel an Freunde und Bekannte verkauft. „Wenn ich nur der Todschießer wäre, würde ich es nicht machen.“ Und dann gerät er ins Schwärmen — von dem Eisvogel, den er beobachten konnte oder von Neuntötern —Vögel, die ihre Beutetiere auf Dornen aufspießen.

Flucht als letzte Chance

In einer Jagdnacht ist Manfred Kratz auf dem Hochsitz meist alleine. Auch seine Frau Angelika, eine Tochter und der Schwiegersohn sitzen ohne Begleitung im Jägerstand. Kratz schließt dort gern die Augen und lehnt sich zurück. Wenn er dann eine Wildschwein-Rotte hört (und vielleicht sogar schon riecht), elektrisiert er, schnappt sich das Fernglas und hofft, dass die Tiere lang genug die Deckung verlassen, dass er gut zielen kann.

Hund verletzt

Wenn er einmal schießt, nehmen natürlich alle unverletzten Tiere Reißaus. „Sie wissen: Wenn ein Kollege getroffen ist, ist ihre einzige Chance die Flucht.“ Früher sei das noch anders gewesen, da wären die Rotten nach einem Verlust erst mal unbeirrt weitergelaufen.

Ein angeschossenes Tier zu finden, das sich im Adrenalinrausch vielleicht noch in den Wald geschleppt hat oder sich irgendwo versteckt, ist nicht ungefährlich. Familienhund „King“, ein Deutscher Jagdterrier, hat das schon leidvoll erfahren, als eine Sau ihn am Hals verletzte. Besonders im Mais müssen die Hunde vorsichtig sein, weil sie nur schwer ausweichen können, wenn das Wildschwein plötzlich angreift. „King“ trägt deshalb bei der Jagd eine Schutzweste mit Halskrause.

Solche Gefahren bringen Familie Kratz nicht von ihrem Hobby ab. Angelika hat das „Jagdblut“ schon seit Generationen in sich, wie sie sagt. Schon ihr Urgroßvater war passionierter Jäger. „Das Reizvolle ist“, sagt sie, „dass man Köpfchen braucht um das Wild zu überlisten.“

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