"Es war der Horror": Das Aufräumen nach dem Tornado

4.1.2018, 20:31 Uhr

© F.: Groh

Mirko muss raus aus seiner Spielgarage. Kartonweise trägt der Junge Modellautos, Brettspiele, einen Bollerwagen, alles was er so sein eigen nennt, aus dem Schuppen in den Hof des Anwesens Nummer 9 in dem Ortsteil Pommersfeldens.

Der Schuppen sieht zwar noch recht passabel aus im Gegensatz zu der völlig zerstörten Scheune daneben, doch beide Gebäude sind verbunden und müssen wohl vollends abgerissen werden. Das Spielzeug bekommt nun ein Notquartier auf einem Spitzboden.

Mirkos Vater und dem Großvater geht es nicht besser: Sie haben den Radlader und den Traktor auch auf den Hof gestellt. Beide Fahrzeuge sind Wracks, zerstört vom einstürzenden Gebäude und seiner westlichen Giebelwand, die nach außen auf die Maschinen-Garage stürzte.

Das Dach der Scheune, sagt Mirkos Vater, hat der Sturm fünf Meter hochgehoben und dann fallen lassen. Unter den Trümmern des Dachstuhls liegen noch eine Seilwinde und ein nagelneuer Anhänger. Man will beides irgendwie bergen. Zum Aufräumen hat der Mann sich von seinem Arbeitgeber, einer Baufirma, schon einen Bagger geliehen.

Ein Schiebetor von der Rückseite der Scheune haben die Helfer aus einem Fischteich gezogen. Rund 150 Meter weit flog es durch die Luft. Und etliche der 22 000 neuen Ziegel, mit denen die Bewohner des Anwesens Nummer neun ihre Scheune erst letztes Jahr gedeckt hatten, auch. Einige trafen das Dach eines anderen Anwesens am Ortsausgang von Wind Richtung Schweinbach und zerstörten auch dort Ziegel.

Dachziegel hochgewirbelt

Der Sog der Windhose, wie er Dachziegel hochwirbelte, Gartenschaukeln und Klettergerüste knickte, eine alte Eiche über die Straße auf den Hof gegenüber warf: Zwei Minuten dauerte der Spuk. "Es war der Horror", fasst eine Dorfbewohnerin ihre Eindrücke zusammen. Sie fügt aber gleich hinzu, wie gut die Nachbarn — etwa 65 Menschen leben in Wind — zusammenhalten und sich gegenseitig helfen. Schon gleich nach dem Sturm bei den ersten Sicherungsarbeiten und am Tag danach auch.

Nach dem Tornado haben die Dorfbewohner, die Helfer der Feuerwehren in der Gemeinde und die Wehrmänner aus Burgebrach und Hirschaid, die jeweils mit ihren Drehleitern wichtige Hilfe waren, die Hausdächer wieder abgedichtet. Anstrengende Arbeit von 9 bis 17.30 Uhr, berichtet Pommersfeldens Bürgermeister Hans Beck. Der Bürgermeister lobt ausdrücklich die Helfer und die Feuerwehr-Führungskräfte, dass dies so koordiniert geklappt hat.

Kein Haus in Wind ist verschont geblieben. Nicht überall ist der Schaden so groß wie in Anwesen Nummer 9, dessen Wiederherstellung wohl eine sechsstellige Summe kosten wird. Oder an dem Haus in dessen Wohnzimmer man Dachziegeln vom Nachbarhaus fand, die Fensterscheiben durchschlagen und Rollokästen zerstört hatten.

Am Tag danach zeigen sich fast überall noch unentdeckte Sturmschäden. So fuhr der Wirbelwind auch unter den Dachstuhl eines weiteren Bauernhauses. Ein breiter Riss zeigte den Versicherungsvertretern, die gestern schon ihre Kunden berieten, dass auch dieses Dach kurz vor dem "Abheben" gestanden war.

Versicherungen gefordert

Die Versicherungen sind nun an der Reihe. Bürgermeister Beck, der auch gestern in Wind mit den Geschädigten gesprochen hat, bietet ihnen gemeindliche Hilfe bei der Abwicklung ihrer Fälle mit der jeweiligen Versicherung an. Ob man für Härtefälle ein Spendenkonto einrichte, das sei noch zu überlegen.

Nicht nur Schadensaufnahme fand gestern statt. Nicht weniger als vier Dachdecker-Firmen aus der Umgebung reparierten Ziegel und Firste. Ein Frensdorfer Handwerker hatte seine Leute sogar aus dem Weihnachtsurlaub geholt. Und auch Bauleute von entfernteren Firmen gingen durchs Dorf, um ihre Dienste bei Reparatur oder Wiederaufbau anzubieten.

Die Bewohner von Wind schauen also schon wieder nach vorn. "Es ist ja auch ein Glück", sagt eine Frau, dass niemandem von uns etwas passiert ist." Auch Mirkos Vater sieht das Positive: Wenn auch alle Nebengebäude von Haus Nummer neun neu aufgebaut werden müssen, so ist doch das Wohnhaus unversehrt.

Starke Temperaturgegensätze

Ein Tornado ist eine Luftsäule mit Bodenkontakt, die um eine mehr oder weniger senkrechte Achse rotiert und sich unter einer Wolke befindet.

Für den Begriff "Tornado" existieren auch andere Bezeichnungen: "Großtrombe", "Windhose" (Tornado über Land), "Wasserhose" (Tornado über Meer oder großen Binnenseen) bzw. "Twister" (Tornadobezeichnung im englischen Sprachraum).

Ein Tornado kann entstehen, wenn starke Temperaturgegensätze herrschen und Luft aufsteigt bzw. gehoben wird. Durch frei werdende Kondensationswärme und starke vertikale Windscherung, also einer Zunahme der Windgeschwindigkeit und gegebenenfalls zusätzlich einer Änderung der Windrichtung mit der Höhe, wird dabei ein rotierender Aufwindschlauch erzeugt. Dieser kann einen Durchmesser bis über einen Kilometer erreichen, wobei Windgeschwindigkeiten von mehreren Hundert Kilometern pro Stunde auftreten können.

In Mitteleuropa sind solch extreme Luftmassenunterschiede relativ selten. Deswegen treten hier auch deutlich weniger Tornados auf als zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika.

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