Experimente mit tückischem Karpfen-Virus

15.3.2018, 06:00 Uhr
Experimente mit tückischem Karpfen-Virus

© Giulia Iannicelli

Australien ist ganz weit weg. Und darüber dürften sich die Teichwirte im Aischgrund momentan ziemlich freuen. Die Regierung in Canberra möchte nämlich mit dem Koi-Herpes-Virus (KHV) experimentieren – ein Erreger, der als Schreckgespenst gilt, die hiesigen Fische aber bislang weitgehend verschont hat. Warum das so ist, das weiß eigentlich niemand so genau. Teichwirte in Sachsen und Polen – also lange nicht so weit entfernt wie Australien – hatten schon hohe Verluste zu beklagen. Ebenso die Liebhaber von Zierfischen wie dem Koi-Karpfen. Das Virus, das nicht auf den Menschen übertragen werden kann, ist hoch infektiös und breitet sich unter den Fischen seuchenartig aus.

Weltweit ist der Erreger ein großes Thema. "Wir in Bayern haben damit aber keine Probleme", betont Martin Oberle, Leiter der Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft in Höchstadt. Zu den Gründen gibt es verschiedene Theorien. Eine Vermutung ist, dass die Fische bei leichteren Infektionen bereits Antikörper aufgebaut haben und so immun wurden.

In Down Under dürfte diese Nachricht nicht für Freude sorgen. Dort ist der Karpfen nämlich eine Plage in den Flüssen. Ursprünglich war der Fisch in den 1860er Jahren für den Anbau von Fischfarmen in Australien eingeführt worden. Eine Linie, die Boolara, geriet ein Jahrhundert später aus Versehen in die Flusssysteme und pflanzte sich mit rasantem Tempo fort.

Und die Regierung hat — wie die Deutsche Presseagentur berichtet — einen radikalen und knapp zehn Millionen Euro teuren Plan, sie wieder loszuwerden. In Australiens größtem Flusssystem, dem Murray-Darling-Becken im Südosten des Kontinents, macht der Karpfen 80 bis 90 Prozent der Fischmasse aus. Das Herpes-Virus soll hier den Bestand dezimieren.

Experimente mit tückischem Karpfen-Virus

© Berny Meyer

"Es wird sicher ein starkes Verlustgeschehen geben", sagt Martin Oberle. Sprich: Er zweifelt nicht daran, dass viele Fische sterben werden. "Aber das gesamte Problem lässt sich so wohl eher nicht lösen", vermutet er — allerdings mit dem vorsichtigen Verweis darauf, dass er kein Veterinär sei.

Oberle teilt die Bedenken, die Wissenschaftler in Australien formuliert haben. "Infizierte Karpfen flüchten sich in wärmere Gewässer", schreibt Jonathan Marshall von der Griffith-Universität in Nathan.

Bei Temperaturen von über 30 Grad ist das Herpes-Virus nämlich nicht mehr aktiv. Oberle berichtet von Versuchen in Israel, die Fische durch das Halten in wärmerem Wasser zu immunisieren.

Weil nicht eindeutig zu belegen ist, was die "Aischgründer" immunisiert hat, haben Forscher vor vier oder fünf Jahren ganz detailliert die Verhältnisse in Bayern und Sachsen analysiert. Eindeutige Ergebnisse gab es nicht, nur wieder viele Theorien.

"Trotzdem ist es natürlich sehr wichtig, weiter daran zu forschen, wie Teiche nach einer Infektion desinfiziert werden können", betont Oberle. Die Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft arbeitet mit der Universität Erlangen und dem Friedrich-Löffler-Institut, einem Bundesforschungsinstitut für Fischgesundheit auf der Insel Riems zusammen. Im Oktober 2017 hatten die Fachleute herausgefunden, dass Wassermittelenzyme helfen können, Teiche zu desinfizieren.

Und das KHV ist ja nicht der einzige Erreger, der dem Karpfen gefährlich werden kann. "Von den 1940ern bis in die 1970er Jahre hinein war die Bauchwassersucht ein Riesenproblem", meint Oberle. Die Krankheit hat massenweise Fische dahingerafft, es wurde viel geforscht und geimpft, aber inzwischen ist der Karpfen immun, ohne dass der Mensch genau weiß warum. "Er hat das im Endeffekt selbst gemacht", sagt Oberle. Es habe mehrere Jahrzehnte gedauert, inzwischen sei es ausgestanden.

In Australien ist die Dezimierung der Bestände ja ein erklärtes Ziel des Plans. Wenn dann nur einige Karpfen den biologischen Angriff überstehen, werden sie sich wohl in wärmeren Gewässern wieder fleißig vermehren, vermutet der Experte.

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