Finstere Wesen versus Lichtgestalt

30.10.2014, 17:05 Uhr
Finstere Wesen versus Lichtgestalt

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Finstere Wesen versus Lichtgestalt

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Erstmals zieht Ludwig an diesem Freitag mit seinen Freunden durch die Straßen. „Dafür ziehe ich mir eine Skelettmaske über das Gesicht“, erzählt der 13-Jährige, während er bei Schreib- und Spielwaren Ellwanger die Regale mit Hackebeilen und Hannibal-Masken durchstöbert. Doch eigentlich hat der Schüler mit Halloween wenig am Hut. „Ich mag das Gruselige an Halloween“, sagt er, „und, wenn man Süßigkeiten haben will, dann ist es was Tolles.“ Auch seine Eltern haben nichts gegen düstere Visagen und Kunstblut einzuwenden.

Ein weiterer Halloween-Neuling ist Markus Hober aus Weisendorf. „Man kann sich dem Sog nicht mehr entziehen“, sagt der 34-Jährige und lacht. Fast im Vorbeigehen schnappt sich der Familienvater eine weiße Maske und Sprühblut. Seine achtjährige Tochter und sein vierjähriger Sohn haben ihn überredet, nachts mit ihnen auf die monstermäßige Jagd bei den Nachbarn nach Süßkram zu gehen. „Die bekommen das im Fernsehen mit und dann wollen sie unbedingt auch losziehen“, erklärt Hober.

Dennoch, sagt er, wisse seine Tochter wohl Bescheid, dass am 31. Oktober in unserem Kulturkreis eigentlich nicht Halloween, sondern der Reformationstag gefeiert wird. „Als Feiertag hat er für uns aber keine Bedeutung.“

Rund 30 bis 40 Heranwachsende zwischen acht und 15 Jahren decken sich pro Tag bei Schreib- und Spielwaren Ellwanger mit Satyrhörnern, Klapperfuß oder Totenkopfmasken ein; „die Post geht aber erst in den beiden Tagen vor Halloween richtig ab“, berichtet Thomas Kotzer, der Geschäftsführer. „Viele kaufen sich auf den letzten Drücker etwas. An Halloween ist die Verkleidung zudem im Gegensatz zu Fasching eher improvisiert und konzentriert sich vor allem auf Accessoires wie eine schöne Sense oder ein Hackebeil.“

Nicht mehr niedlich

Halloween, meint Kotzer, ist seiner Unschuld entwachsen. Früher haben vor allem eher kleinere Kinder sich niedlich verkleidet, mit den Eltern Kürbisse geschnitzt und der Nachbarschaft mit „Süßes! Sonst gibt es Saures“ gedroht. Heute, berichtet er, hätten viele Mütter Angst, ihren Nachwuchs alleine durch die Straßen ziehen zu lassen, weil es ein paar krawallende Jugendliche gebe, die in dieser Nacht eher auf Erschrecken und Zerstörung aus sind als auf eine möglichst volle Tasche Süßigkeiten.

Die Hauptzielgruppe seien heute zu 70 Prozent Jungs bis 14 Jahre. Auch junge Erwachsene liebten es, sich als Hexe, Pirat oder andere finstere Gestalten zu verkleiden, oder auch einfach nur ihr Gesicht zu bemalen, um dann in der Diskothek mit dem gewissen Spuk-Faktor zu tanzen.

„Der Dauerbrenner sind Vampirzähne oder Gebisse, Kunst- oder Sprühblut, Masken oder weiße Schminke“, berichtet Thomas Kotzer. Neu im Gruselkabinett sind farbige Kontaktlinsen, die für einen echsenartigen Blick oder blutrote Pupillen sorgen. In diesem Jahr sind auch Nylonstulpen angesagt, die mit Tattoos bedruckt sind.

Dennoch gilt: „Mädchen jeden Alters gehen am liebsten als Hexe, Jungs werfen sich einen Umhang um und ziehen eine Maske auf“, fasst Kotzer zusammen und erinnert sich, dass das Spukfest vor zehn Jahren mit nur geringer Beteiligung bei uns stattgefunden hat, vor allem wegen der Amerikaner, die in der Region lebten. „Erst in den letzten drei Jahren hat sich das ordentlich gesteigert. Am 31. Oktober selbst sind unsere Regale fast leer“, sagt Kotzer.

Nicht nur verunglimpfen

Prinzipiell hat Maria Reichel nichts gegen das Gruselfest. „Es ist doch nett und witzig, wenn Kinder und Heranwachsende sich gruselig verkleiden“, sagt die Pfarrerin aus Kairlindach. Sie ist dagegen, Halloween zu verteufeln und sich nur auf den Reformationstag, der zwischen Hackebeilen und Horrorgestalten verblasst, zu konzentrieren.

Sie setzt lieber auf Aufklärung, Gespräche und Einbindung junger Menschen. „Es ist auch bei uns inzwischen ein Volksbrauch, ein wenig wie Fasching“, sagt Reichel, „es ist aber schade, wenn ein solch anderes wichtiges Fest überlagert wird“. In der Jugendgruppe der Pfarrgemeinde wurden heuer unter Anleitung einer jungen Asylbewerberin aus Heßdorf Kürbisse geschnitzt. In Weisendorf-Kairlindach wurden bereits Partys am Reformationstag gefeiert, ein Improvisationstheater gespielt, in dem es um Ablasshandel und die Angst um das Fegefeuer ging – also genau das Thema des Reformationstags und passend zu Halloween – oder auch der Spielfilm „Luther“ gezeigt. Manche der Jugendlichen hätten sehr viel Ahnung von der Reformation, andere hingegen weniger.

Eine ausgetüftelte Gegenstrategie – auch, wenn viele die Bedeutung des Datums wohl vergessen haben – hat sie nicht. „Leider ist unser Thema nicht so werbewirksam wie Halloween, das ja plastisch und eindrücklich ist“, sagt Reichel.

Den heutigen Abend verbringt Reichel mit Freunden, sie sprechen über den Glauben, unter anderem. Mit „Lutherbonbons“ hat sie sich aber in diesem Jahr nicht eingedeckt: „Der Kopf von Luther, das spricht keinen an“, hat sie festgestellt. Auch so nutzt die Pfarrerin die Gelegenheit an der Tür, die Monster auf ihre Botschaft aufmerksam zu machen. Sie feiert heute ihren Glauben und daran will sie andere teilhaben lassen.

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