Fuchtl lang im Dienst

17.12.2010, 18:46 Uhr
Fuchtl lang im Dienst

© Klebes

Vor 175 Jahren begann das Eisenbahnzeitalter in den deutschen Kleinstaaten des 19. Jahrhunderts. Die Technik in Form des Dampfrosses hielt zuerst auf bayerischem Boden Einzug. Und dann dauerte es nur noch ein gutes Jahrzehnt, bis die „Ludwig-Süd-Nord-Bahn“ von Nürnberg aus den bayerischen Süden und den Norden erschlossen hatte.

In Erlangen war zum 1. Oktober 1844 der Personenverkehr eröffnet worden und die Fahrgäste erlebten die Fahrt durch Bayerns ersten Eisenbahntunnel.

Voller Neid sah man in Herzogenaurach damals auf die Universitätsstadt. Per Lastkahn und mit Güterwagons wurden wichtige Rohmaterialien, wie Baustoffe, Holz oder Kohle, in die Hugenottenstadt geliefert und Fertigwaren abtransportiert.

Nachdem 1865 die Bahnlinie Nürnberg Würzburg, ebenfalls nur rund elf Kilometer an Herzogenaurach vorbei führend, fertig gestellt worden war, begann an der Aurach das große Wehgeschrei. Im Jahr 1863 waren für die Stadt und das Umland 245542 Zentner an Rohstoffen  und Verbrauchsgütern notwendig, die allesamt auf – miserabel ausgebauten – Landstraßen transportiert werden mussten.

Aufblühend

Ob die Bahnlinie Nürnberg – Würzburg tatsächlich durch den Aurachgrund in Richtung Emskirchen – Neustadt/Aisch hätte gebaut werden sollen, um das große Eisenbahnviadukt bei Emskirchen zu umgehen, ist immer wieder behauptet worden, aber durch Dokumente im Stadtarchiv nicht nachweisbar.

Im Juni 1871 richtete der hiesige Stadtmagistrat an den „Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten König“ (Ludwig II.) die Bitte, „Betreffs Erbauung einer Vicinal-Eisenbahn von Herzogenaurach nach Erlangen“ (Vicinalbahnen waren Lokal- oder Nebenbahnen).

Zwei weitere Petitionen folgten, wobei man vor allem auf die Notwendigkeit einer Eisenbahn für die aufblühende Schuhindustrie hinwies. 1884 lebten im „industriereichen Städtchen Herzogenaurach“ über 70 Tuch- und Zeugmacher, 99 Schuhmacher. Daneben gab es zwei mit Wasser und vier mit Dampfkraft betriebene Walken.

Zwei mögliche Trassen hatte man ins Gespräch gebracht: Zum einen die Anbindung an die Süd-Nord-Bahn bei Erlangen-Bruck, zum anderen die mögliche Anknüpfung an die Würzburg Linie durch eine Verbindung von Hauptendorf nach Veitsbronn/Siegelsdorf.

Weitere Bittschriften an die „Hohe Kammer der Abgeordnetenkammer in München“ folgten und am 12. Dezember 1891 meldeten die „Fränkischen Nachrichten“ die Genehmigung des gewünschten Vorhabens durch den Aurachgrund.

Nun begannen Grundstücksverhandlungen mit den angrenzenden Gemeinden, eine Diskussion um den Standort des Bahnhofs entbrannte und statische Berechnungen für die 11,83 Kilometer lange Strecke vom Bahnhof Erlangen, beziehungsweise die 9,12 Kilometer lange neu zu bauende Strecke von Bruck bis Herzogenaurach wurden angestellt. Läppische 20 Höhenmeter gab es zu überwinden.

Aber es galt auch wegen der Hochwassergefahr den Regnitzgrund  mit einer rund 40 Meter langen Streckenerhöhung zu überbrücken. Mit 603 400 Mark lagen die Baukosten für die Bahnlinie letztlich rund 50 000 Mark niedriger als geplant.

Die errechneten Betriebskosten von 23 800 Mark jährlich wurden in der Folge durch wesentlich höhere Einnahmen weit übertroffen, weil die Eisenbahn besser angenommen wurde als man erwartet hatte.

Mit einem großen „Bahnhof“ wurde am 7. April 1894 die Eröffnung gefeiert. Und dann tat die „Fuchtl“ oder die „Mockel“, wie man die Dampflokomotiven liebevoll nannte, ihren Dienst bis ins Jahr 1962, bevor sie durch Diesel getriebene  Maschinen abgelöst wurden. Menschen und Material wurden befördert:

Bauarbeiter und Facharbeiter, die nach Erlangen, Fürth oder   Nürnberg fuhren, Schüler in die Gymnasien nach Erlangen gebracht; dazu kamen  Patienten, die in die Kliniken fahren mussten. Die Schuhfabriken benötigte Rohmaterialien und die fertigen Schuhe mussten an die Verbraucher geliefert werden. Soldaten wurden ab 1914 und ab 1939 an die Fronten gefahren und Verwundete kamen per Bahn zurück in die hiesigen Lazarette im  „Kurhotel Monopol“ oder ins Liebfrauenhaus.

Seit 1934 reisten Soldaten an, die ihren Dienst am Flugplatz antreten mussten und dann kamen ab 1943 die ersten ausgebombten Großstadtfamilien in die fränkische Provinz und nach Flüchtlinge und Heimatvertriebene, die in Herzogenaurach eine Bleibe fanden und wesentlich zum Aufschwung der Aurachstadt beitrugen.

Ab 1981 dünnten die Verantwortlichen bei der Deutschen Bundesbahn den Fahrplan und somit den Personenverkehr zwischen Erlangen und Herzogenaurach systematisch aus.

Zunächst fuhren ab 1981 noch drei Züge täglich, bald waren es nur noch zwei. Immer mehr Pendler stiegen auf das eigene Auto um, andere benutzten den Bus nach Erlangen. Am 28. September 1984 läutete das Totenglöckchen für die Lokalbahn. Nach 90 Jahren wurde der Bahnverkehr eingestellt.

 Zusammen mit der Stadt organisierte der Heimatverein zehn Jahre später zum 100-jährigen Eisenbahnjubiläum noch großes Fest rund um den Bahnhof.. Tausende Besucher kamen und genossen die letzte Fahrt mit einer Dampfeisenbahn nach Erlangen und zurück. Die Herzogenaurach Eisenbahnherrlichkeit war beendet.

Im April 1985 rollten die Bagger an, der Bahnhof fiel der Spitzhacke zum Opfer, ebenso die daneben liegende Gaststätte „Zur Eisenbahn“ („Spootz“)  - beide Gebäude mussten dem Straßenausbau weichen. Lediglich der kleine Güterbahnhof blieb als „Campingbahnhof“ bestehen.KLAUS-PETER GÄBELEIN