Fünf Flüchtlinge sind schon Azubi

27.11.2015, 14:28 Uhr
Fünf Flüchtlinge sind schon Azubi

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Noch ist die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis, die eine reguläre Ausbildung begonnen haben, überschaubar. Fünf seien es derzeit im Handwerk, sagt Tanja Winter von der Handwerkskammer Mittelfranken. Doch das wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren ändern. Drei Vorklassen im Staatlichen Berufsschulzentrum – zwei in Höchstadt, eine in Herzogenaurach – bereiten junge Flüchtlinge vorwiegend mit Sprachförderung auf das reguläre Berufsintegrationsjahr vor, in dem die Berufsorientierung und somit auch Praktika eine große Rolle spielen.

Münden soll diese Vorbereitung in eine Ausbildung in Handwerk oder Industrie. Um Fachkräftemangel und unbesetzten Lehrstellen entgegenzuwirken, wurden im Sommer dieses Jahres entscheidende bürokratische Hürden abgebaut. Asylbewerber und Geduldete können seit dem 1. August 2015 leichter ein Praktikum machen — die Bundesagentur für Arbeit muss dem nicht mehr zustimmen.

Beginnen Asylsuchende oder Geduldete eine betriebliche Berufsausbildung, muss die Bundesagentur für Arbeit ebenfalls nicht mehr zustimmen, wie es bei einer „normalen“ Arbeitsaufnahme noch der Fall ist. Außerdem erhalten junge Flüchtlinge für die Dauer ihrer Lehrzeit eine Duldung. Sie und die Betriebe können damit sicher sein, dass die Ausbildung rechtssicher bis zum Ende fortgeführt werden kann.

An die neuen Regelungen seien allerdings bestimmte Bedingungen geknüpft, erläutert Stefan Kastner, der sich bei der IHK Nürnberg als Leiter des Referats Ausbildungsbetreuung und Bildungsberatung auch um das Thema „Flüchtlinge in Ausbildung“ kümmert. Die künftigen Azubis müssten die Ausbildung vor Vollendung des 21. Lebensjahres beginnen und ihre Identität müsse geklärt sein oder sie müssten aktiv zur Identitätsklärung beigetragen haben. Außerdem dürften sie nicht aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten oder aus dem Westbalkan stammen.

Das Interesse der Betriebe, junge Flüchtlinge auszubilden, sei definitiv da, bestätigt Kastner. Er begrüßt Vereinbarungen wie die „Drei-plus-Zwei-Regelung“, die Handwerk und Industrie bereits mit einigen mittelfränkischen Landkreisen und Städten geschlossen haben. Sie sichert den frischgebackenen Gesellen, die nach der dreijährigen Ausbildung im Lehrbetrieb weiterbeschäftigt werden, auch in den zwei auf die Lehrzeit folgenden Jahre den Aufenthalt in Deutschland. Für den Landkreis Erlangen-Höchstadt ist eine gemeinsame Erklärung von Landratsamt und Kreishandwerkerschaft ebenfalls in Arbeit.

Oliver Brehm, einer der beiden Vorsitzenden im Arbeitskreis Schule-Wirtschaft, weiß, wie wichtig der Bürokratieabbau und ein gesicherter Aufenthaltsstatus für die potenziellen Lehrbetriebe sind. „Die Bereitschaft der Betriebe ist vorhanden“, bestätigt auch er. Für die nächsten Jahre sieht er deshalb keine Schwierigkeiten, die jungen Flüchtlinge im Landkreis mit Hilfe von Praktika auf eine Ausbildung vorzubereiten. Derzeit würden in Vorklassen rund 90 Schüler unterrichtet. „Die kriegen wir unter“, sagt er.

Viel wichtiger sei es, dass die jungen Leute sprachlich den Anforderungen einer regulären Ausbildung gewachsen seien, so Brehm. Sie müssten noch besser Deutsch lernen, und manche Arbeitgeber verlangten auch Englisch. Um ein engmaschiges Netzwerk für die Integration von jungen Flüchtlingen in Ausbildungsverhältnisse zu knüpfen, will der Arbeitskreis Schule-Wirtschaft noch vor Weihnachten gemeinsam mit der Stadt Herzogenaurach zu einem Infoabend einladen.

Am Staatlichen Berufsschulzentrum Herzogenaurach-Höchstadt ist man über die neuen Rahmenbedingungen für junge Flüchtlinge erfreut, denn „ab dem kommenden Schuljahr haben wir wachsenden Bedarf“, sagt Schulleiter Martin Wirsching. Immer wieder kämen Unternehmen aus der Region mit Angeboten für Praktikumsstellen direkt auf die Berufsschule zu. Puma wolle beispielsweise fünf Schülern die Möglichkeit zum Hereinschnuppern in den beruflichen Alltag bieten. „Die dortigen Azubis wollen sogar Bewerbungstraining mit den Flüchtlingen machen“, ergänzt Wirschings Stellvertreterin Gudrun Gumbrecht.

Sie hat täglich vor Augen, mit wie viel Begeisterung die Schüler in den Vorklassen — fast ausschließlich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge — lernen. Doch es gibt noch so manche Hürde zu überwinden. „Die Vorbildung ist ganz unterschiedlich“, sagt Gumbrecht. In den Reihen ihrer Schüler seien Analphabeten ebenso wie Absolventen weiterführender Schulen. Sie auf ein einheitliches Niveau zu bringen, ist die Herausforderung, der man sich in zweijährigen Vorklassen am Staatlichen Berufsschulzentrum Herzogenaurach-Höchstadt derzeit stellt.