Furioser Spätstarter

25.9.2017, 16:51 Uhr
Furioser Spätstarter

© Foto: Werner Meschede

Und man weiß nicht, was erstaunlicher ist: die Ausbeute von sage und schreibe 7043 Zählern oder die Geschichte, die dahinter steckt. Denn Gerhard Zorn, der neue Jedermann-Rekordmann, ist beileibe nicht sein ganzes Leben lang ein Vorzeigesportler gewesen. Eher im Gegenteil, wie der 61-Jährige vom TuS Vaterstetten berichtet: "Ich bin halt Rad gefahren und gewandert, war nie im Sportverein."

Das änderte sich im zarten Alter von 48 Jahren. Da entdeckte er seine Liebe zur Leichtathletik und sein Talent für die Sprintstrecken. Wie gut er da ist, darüber staunten am Samstag die Zuschauer, Mitkonkurrenten und selbst ein Experte wie TSH-Cheforganisator Peter Müller. Der 400-Meter-Lauf des Seniorensportlers verschlug allen die Sprache. Müller: "Ein fantastischer Laufstil mit perfektem Kniehub – und das als leichtathletischer Spätstarter. Ich hätte nicht gedacht, dass er dieses Tempo durchhalten könnte, doch er hat es durchgezogen."

Am Ende stand eine Fabelzeit von 56:49 Sekunden. Nur ein Brite war in diesem Jahr schneller – der hatte aber keine vier anderen Disziplinen am selben Tag in den Beinen. Erzielt wurde die Zeit bei den Europameisterschaften in Lille. Da wäre Gerhard Zorn natürlich im Normalfall dabei gewesen, doch ein Muskelfaserriss verhinderte seinen Start.

Und nur deshalb tauchte der Oberbayer in Herzogenaurach auf: Er wollte noch einmal schauen, ob er fit ist auf seinen Sprintdistanzen. Sein Vereins- und Alterskamerad Frank Böhnke ist Stammgast beim "Jedermann" und überredete ihn zum Mitmachen. Und weil es der erste Zehnkampf in Zorns Leben war, blieben ihm nur ein paar Wochen, um sich auf Stabhochsprung und Co. vorzubereiten.

Diskus und Kugel kannte er von gelegentlichen Fünfkämpfen, auch Hürdenlaufen war ihm nicht fremd. Aber am meisten verwundert waren die Beobachter von den Stoß- und Wurfleistungen des kleingewachsenen und eher drahtigen als muskulösen M 60-Senioren: 9,23 Meter mit der Kugel, 33,50 Meter mit dem Diskus und 36,76 Meter mit dem Speer – das schaffen viele "Riesen" nicht besser.

Und so bot er ein Gesamtpaket, das locker für einen neuen Jedermann-Rekord reichte. Spaß gemacht hat es ihm auch "unheimlich". Er verriet. dass er sich abends mal schlau machen werde, wo er auf der Weltrangliste im Zehnkampf stehe.

Aber bei der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Malaga wird er im Sprint starten: "Da sind meine Chancen sicherlich besser." Und weil die WM zeitgleich mit dem Herzogenauracher Zehnkampf stattfindet, musste er Peter Müller für 2018 schweren Herzens absagen. "Aber in zwei Jahren bin ich wieder dabei."

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