Geschichte auf der Spur

14.8.2014, 15:40 Uhr
Geschichte auf der Spur

© Foto: Kronau

Es ist ein ganz spezielles Buch, das der Senior jetzt veröffentlicht hat. Nicht etwa, weil in dem Band „Das 20. Jahrhundert. 1900 bis 1998. Menschen, Schicksale, Ereignisse“ neue Erkenntnisse präsentiert werden. Aber auf 213 Seiten wird vor allem klar, zu was ein 82-Jähriger noch fähig sein kann, der aus so manch gesundheitlicher Einschränkung im Alltag das Beste macht.

„Ich kann ja nicht mehr rausgehen, das einzige, was ich noch machen kann, ist lesen und tippen“, erklärt Georg Hagen, dessen Geist vermutlich deswegen noch so scharfsinnig funktioniert, weil er ihn täglich trainiert.

Intensives Interesse

Bereits vor zwei Jahren hat er ein Buch herausgebracht, damals hatte er sich die Herzogenauracher Heimatblätter vorgenommen, sie intensiv studiert, Teile davon abgetippt und eine Art „Best of“ herausgegeben. Die Auflage lag bei etwa 20, das reichte ja auch für Freunde und Bekannte.

Ähnlich ist es beim neuesten Band. Dieses Mal waren es aber nicht die Heimatblätter. Auf zwei Quellen hat er sich gestützt.

Die eine war eine mehrteilige und aufwändige Dokumentation aus der Bild-Zeitung aus dem Jahr 1965. Darin ging es um die Tage der Kapitulation 1945. „Ich weiß noch, dass Rudolf Dassler diese Dokumentation einigen Mitarbeitern geschenkt hat“, erinnert sich Georg Hagen. Er selbst besitzt eine Kopie, und daraus hat er die für ihn wesentlichen Teile abgetippt für sein Buch. „Ich habe sogar den Verlag angeschrieben, ob ich das darf“, betont Hagen.

Einfach ausgeschnitten

Ähnlich ist er bei einer anderen journalistischen Geschichtsserie verfahren. Es handelt sich um eine Serie über das 20. Jahrhundert, die vor Jahren in „Frau im Spiegel“ erschienen war. „Meine Frau, die 2007 gestorben ist, hat die Zeitschrift immer gerne gelesen, und ich habe mir ausgeschnitten, was mich interessiert hat“, erzählt Hagen, den Geschichte schon seit seiner Kindheit fasziniert.

Diese Kindheit war eine sehr schwere. Im Alter von einem Dreivierteljahr kugelt eine Krankenschwester ihm versehentlich einen Oberschenkelknochen aus - es bleibt tagelang unbemerkt. Es folgt ein wahres Martyrium. Im Nazi-Deutschland musste seine Familie sogar Angst haben, dass das kleine schwächliche Kind verschwinden soll.

Hagen überlebt, kann aber nie mehr richtig laufen. Er beißt sich durch, fünf Berufe lernt er im Laufe seines Lebens. Als VdK-Orts- und Kreisvorsitzender engagiert er sich jahrelang mit großer Kraft. Auch damit kann man Hagens Interesse an Geschichte erklären. Seine persönliche Geschichte ist eng mit den politischen und sozialen Zeitläufen verbunden.

Deshalb ist es ihm auch egal, dass er zwar das Zehn-Finger-System beim Tippen gelernt hat, aber nicht mehr anwenden kann. „Rheumatische Arthrose“, erklärt Georg Hagen. Aber jemand mit seiner Geschichte lässt sich dadurch nicht beirren, wenn er am Computer sitzt. „Es geht jetzt mit zwei Fingern.“

Erstaunliches Engagement

Der vorliegende Band ist daher nicht nur eine Fundgrube für Geschichtsliebhaber, sondern auch ein erstaunlicher Beleg dafür, was herauskommen kann, wenn man sich im Alter auf das konzentriert, was die eigenen Kräfte noch hergeben.

Langweilig wird es Georg Hagen, der sich auch auf die Unterstützung seiner Tochter, zwei Enkeln und drei Urenkeln stützen kann, wohl selten. Ursprünglich wollte er ja ein Buch über sein Leben schreiben, mit allen bitteren und auch schönen Erfahrungen. „Aber der jetzige Band kam irgendwie dazwischen“, sagt der Falkendorfer.

Macht ja nichts. Jetzt darf man sich auf einen weiteren Band von Georg Hagen freuen. Dann mit einer persönlichen Lebensgeschichte. Man darf gespannt sein.

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