Großenseebach: Dem Verbiss auf der Spur

19.2.2018, 07:58 Uhr
Großenseebach: Dem Verbiss auf der Spur

© Foto: Karl-Heinz Panzer

Eine der Grundlagen zur Beurteilung ist das "Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung", vereinfachend auch Verbissgutachten genannt. Derzeit startet das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) eine neue Bewertungsrunde. Der Auftakt in dieser Region war am Samstag in einem Waldstück bei Großenseebach.

Zollstöcke, Maßbänder, rote Bändchen, Wäscheklammern, Markierungspfosten und ein robustes Notebook haben Moritz Bergen und seine Leute von der Forstverwaltung mitgebracht. Es sind die Werkzeuge, mit denen sie sich an diesem nebligen Vormittag zusammen mit Vertretern anderer Behörden, Jägern und anderen Beteiligten in den Wald begeben.

Die auserwählte Aufnahmefläche liegt in einem Waldstück südlich von Großenseebach. Es ist ein relativ lichter Hochwald mit Kiefern, Fichten, Eichen, Buchen und anderen Arten. Sie lassen genug Licht für den Aufwuchs junger Bäume nach unten durch. Vor allem Kiefernsprösslinge sind es, die hier im Unterholz heranwachsen. Ein geeigneter Platz, der den geforderten Kriterien für die Verjüngungsinventur in allem gerecht wird.

Durchgang zum Begreifen

Aber was Bergen und seine Leute am Samstag veranstaltet haben, war nur ein Schaudurchgang, eine Demonstration für Interessierte. Für die Wertung herangezogen werden hingegen etwa 30 bis 40 solcher Verjüngungsflächen allein im Hegering Seebachgrund, der sich von Dechsendorf bis Rezelsdorf hinzieht. Zehn weitere Hegeringe gibt es darüber hinaus im Bereich des AELF Fürth, für das Moritz Bergen federführend das Gutachten 2018 erstellt.

Rund 15 000 Pflanzen in einer Höhe zwischen 20 Zentimeter und 1,30 Meter werden die Revierförster bis in den Mai hinein unter die Lupe nehmen, kündigt der Forstwissenschaftler an. Von der Größe der Bäumchen über die Anzahl bis hin zu deren Standort ist nichts willkürlich festgelegt. Das Ministerium hat feste Kriterien und Rahmen vorgegeben, nach denen die Gutachten erstellt werden.

Dafür wurde der gesamte Wald im Freistaat mit einem Raster mit Schnittpunkten im Abstand von jeweils 1,225 Kilometern überzogen. Von dort ist die nächstgelegene fürs Schalenwild zugängliche Verjüngungsfläche zu bestimmen und zu analysieren. Dort wiederum werden an um fünf Punkten längs einer Geraden die jeweils 15 nächstgelegenen Pflänzchen herangenommen.

Zum Nachprüfen

Die Forstleute bestimmen, ob sie am Leittrieb oder an einem Seitentrieb im oberen Drittel Verbissschäden aufweisen. Alles wird dokumentiert, und die Örtlichkeiten werden markiert, um im Zweifel das Vorgehen nachvollziehbar zu machen. Die "Erfinder" der Methode legten nicht von ungefähr so viel Wert auf Transparenz und Nachprüfbarkeit.

Neben dem Zustand des Wildes ist für die Untere Jagdbehörde das forstliche Gutachten eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Festsetzung der Abschusszahlen. Und diese ist selten unumstritten. Da sind die privaten Jäger, die Pacht für ihre Reviere zahlen und dafür etwas sehen wollen. Nach deren Geschmack sind die Abschusszahlen meist zu hoch angesetzt. Auf der anderen Seite die Waldbesitzer, die ihren pflanzlichen Nachwuchs wachsen und gedeihen sehen wollen.

Die Rehe, um die es hier in allererster Linie geht, haben es im Winter vor allem auf Laubholz, allen voran die Eichen, abgesehen. "Ein Leckerbissen für sie", wie Moritz Bergen weiß. Nadelhölzer sind weniger begehrt. Die Forstseite will die Wildbestände in Grenzen gehalten wissen, sagt der Chefgutachter. Das sollte auch im Sinne der Waldbesitzer sein, meint er. Als Jagdgenossen hätten sie die Möglichkeit, auf mehr Abschüsse zu drängen.

"Wald vor Wild" hat das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Grundsatz ausgegeben. Ziel der Forstverwaltung sind stabile Mischwälder.

Am Samstag in Großenseebach war es der zuständige Revierförster Stefan Stirnweiß, der den Zustand der Triebe beurteilte und Schäden analysierte. Er wollte erst gar nicht den Eindruck aufkommen lassen, das Rehwild werde hier zum Sündenbock gemacht. Nur wenn er es zweifelsfrei feststellen könne, werde es so in die Aufzeichnungen Eingang finden. "Im Zweifelsfall für das Reh" laute der Grundsatz. Kein Problem habe er, den Abbiss eines Hasen von dem eines Rehs zu unterscheiden, so Stirnweiß.

Der Nager mit seinen scharfen Zähnen hinterlasse einen glatten, sauberen Schnitt während die Rehe die Triebe eher abrissen. Noch leichter seien etwa Verstümmelungen durch Pilzbefall oder beim Holzrücken entstandene Schäden auszumachen.

Das forstliche Verjüngungsgutachten stelle eine Empfehlung dar, betont Moritz Bergen. Es enthalte noch keine Abschusszahlen, sondern nur Hinweise wie "senken", "beibehalten" oder "erhöhen". Im nächsten Schritt hätten die Beteiligten die Möglichkeit zu Stellungnahmen, es gäbe Informationsveranstaltungen und die Gelegenheit zum Meinungsaustausch. Die Ergebnisse des Gutachtens können vertieft und auf die Revierebene heruntergebrochen werden.

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