Heilmittel im Garten

5.8.2015, 13:57 Uhr
Heilmittel im Garten

© Foto: Ingrid Jungfer

Vor 25 Jahren nahm alles seinen Anfang. Familie Rohr baute auf einem ehemaligen Kartoffelacker ein neues Haus, pflanzte eine Akazie, drei Linden, Kirsch- und Birnbaum. Der uralte Nussbaum durfte bleiben, der Standort des Neubaus wurde nach ihm ausgerichtet.

Doch wie das leere Areal gestalten? Helga Rohr träumte von einem englischen Garten mit üppiger Blütenpracht. Sie pflanzte, wässerte ein Jahr lang — auf dem sandigen Gelände wuchs nichts. Also holte sie sich Rat beim Bund Naturschutz, welche Pflanzen auf trockenem Boden gut gedeihen. Wichtig war ihr, dass Obst, Gemüse und Blumen gemischt und dennoch gepflegt wuchsen. Schließlich sollte sich mit der Zeit ein dekorativer und dabei nützlicher Bauerngarten entwickeln.

Grundlage dazu war, den Boden zu verbessern. Gärtnerin Rohr schaffte dies über die Jahre im Sommer mit Grasschnitt und Gartenabfällen auf und zwischen den Beeten. Im Winter überdeckte sie die beackerte Fläche mit Staudenresten. Die düngen einerseits die Erde, halten sie andererseits feucht. Selbst im Frühjahr wird nur wenig nach dem Säen angegossen. Denn Helga Rohr meint, dass „man Pflanzen zu wenig Wasserverbrauch erziehen kann“. Von Beginn an gehörte auch eine Vielfalt an gängigen Kräutern zu ihrem Bauerngarten, meist zum Würzen in der Küche verwendet.

Seit fünf Jahren verwertet sie nun im Familienkreis die Kräuter nach den Richtlinien der Hildegard von Bingen. Die haben zum Ziel, aus Lebensmitteln Heil- und Arzneimittel herzustellen. Helga Rohr war bis dato keineswegs unwissend, unterrichtet sie doch schon seit Jahren im Berufsförderungs-Zentrum Fürth (BFZ) das Fach Hauswirtschaft.

Hildegard von Bingen aber hat sie auf einen neuen Weg gebracht. Denn die Benediktinerin und Äbtissin aus dem 12. Jahrhundert war eine Universalgelehrte, die sich mit Biologie und Medizin beschäftigte und Abhandlungen über Pflanzen und Krankheiten schrieb, dazu das damalige griechisch-lateinische Wissen mit dem der Volksmedizin zusammenbrachte.

Sie selbst erreichte das biblische Alter von 81 Jahren. Aber erst in der Neuzeit wurden Hildegard und ihre Texte richtig bekannt. Ab 1970 führte man „Hildegard-Medizin“ als Marketing-Begriff ein. Und der boomt seitdem.

Helga Rohr jedenfalls ist von Hildegards Ernährungsrichtlinien, den Rezepten zu Getränken, gekochten Säften und Tees überzeugt und lebt nach der Hildegard-Lehre. Absolut gesund sei sie, erzählt sie vergnügt. Habe die Ernährung etwas umgestellt, auch die Lebensweise, zu der gleichgewichtig Bewegung und Ruhe gehören. Natürlich blühen in ihrem Garten inzwischen auch nahezu all die Kräuter, die Hildegard verwendet und empfohlen hat. Zur Freude ihres Mannes Helmut, der inzwischen zum erfolgreichen Imker geworden ist.

In der heutigen Zeit sind die Rohr’schen Kräuter vielen aber unbekannt. Denn wer kennt schon Gewürze wie Quendel (Feldthymian), Bertram, Gundermann, Lungenkraut, Betonie? Traut sich, Blüten der Königskerze oder Ringelblumen im Salat zu essen? Helga Rohr schon, die nicht nur nach Hildegard arbeitet, sondern zusätzlich andere Kräuter wie die Melde anstatt Spinat verwendet. Rundum in der Natur fände sie die Wildkräuter, versichert sie.

Dem Weizen haben die Rohrs schon länger abgeschworen, verwenden Dinkel als vielfältig verwendbares Hauptnahrungsmittel, abhängig von der Fantasie und Experimentierfreude der geübten Köchin. Die empfiehlt Kranken, nicht nur auf die Ernährung zu achten, sondern den gesamten Lebensrhythmus von Körper und Geist als Beschäftigung und Leben in und mit der Natur zu verstehen.

Helga Rohrs bevorzugte Pflanzen sind der den Stoffwechsel fördernde, entzündungshemmende und nervenberuhigende Odermennig und das Labkraut. Sie gehören zu einem Elf-Kräuter-Tee, in dem neben diversen Blüten auch das Mädesüß enthalten ist — Grundstoff des heutigen Aspirins. Schon im mittelalterlichen Honigwein Met tat das Mädesüß seine Wirkung. Genauso das Labkraut. Bereits in Antike und Mittelalter als Heilpflanze zur Verdauung bekannt, wurde es bei den Griechen wie heute auch als Ferment zur Herstellung von Käse verwendet.

Ob Speisen, Kuchen, Likör, Wein, Essig, Öle, Salben und Tinkturen, Helga Rohr findet für jegliche Kräuter und Pflanzen Verwendung. Auch beim 15-Kräuter-Tee, den sie beim Natur-Kultur-Wandertag kredenzte. Er war der „große Renner“. Das Rezept? Sie ist in ihren Garten gegangen und hat von Brennnessel über Rose bis Schafgarbe „nach Gefühl“ gesammelt.

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