Herzo: Aus für Ausbau-Beiträge ist im Stadtsäckel spürbar

7.2.2019, 17:31 Uhr
Herzo: Aus für Ausbau-Beiträge ist im Stadtsäckel spürbar

© André De Geare

Manfred Hofmann, der Kämmerer, wird demnächst Bürgermeister German Hacker (SPD) die Rechnung zur Unterschrift vorlegen, die dann an die Staatsregierung geht. Herzogenaurach will knapp 3 Millionen Euro entgangene Beiträge vom Freistaat erstattet bekommen. Ob und wann das Geld eingeht? Kämmerer Hofmann: "Mal sehen."

Wie war die Beitrags-Praxis in Herzogenaurach vor der Gesetzesänderung durch die neue Bayern-Koalition aus CSU und Freien Wählern?

Die Stadt hatte eine Beitragssatzung, nach der die Anlieger Anteile an den Kosten für Ausbau und Verbesserungen zu zahlen hatten. Die Höhe der Beiträge wurde nach Grund- und Geschossfläche der Anlieger-Grundstücke berechnet und nach dem Charakter der Straße gestaffelt: Anlieger von Durchgangsstraßen, die stark öffentlich genutzt werden, kamen billiger weg als Anlieger von Wohnstraßen. Außerdem nutzte die Stadt beim Ausbau Synergien, um die Beiträge erträglich zu halten. Zum Beispiel wurden in der Hauptstraße, der westlichen Hauptstraße und zuletzt auch An der Schütt mit dem Straßenausbau auch Kanalrohre erneuert. Die Straßenflächen, die für die Rohrgräben aufgebrochen wurden, flossen nicht in Beiträge ein, sondern wurden von der Stadt bzw. ihrem Eigenbetrieb "Stadtentwässerung" voll übernommen.

In der Regel dauerte es vom Abschluss der Arbeiten bis zum Beitragsbescheid mindestens ein bis zwei Jahre. Es gab auch Stundungsmöglichkeiten. Für den Ausbau der Straße An der Schütt hatte der Kämmerer mit 950 000 Euro Beitrags-Einnahmen geplant.

Wie sieht die Regelung der Münchner Regierungskoalition für den Ausgleich der Einnahmeverluste der Gemeinden für 2019 aus?

Der Freistaat zahlt laut Koalitionsvertrag zwischen CSU und FW Straßenausbaupauschalen. Deren Höhe für jede Gemeinde mit einer Straßenausbaubeitragssatzung errechnet sich aus der Siedlungsfläche der Gemeinde im Verhältnis zur gesamten Siedlungsfläche in Bayern. Herzogenaurach hat 1,151 Prozent der bayerischen Siedlungsfläche und bekommt somit 1,151 Prozent vom Pauschal-Kuchen aus München. 2019 ist dieser Kuchen 100 Millionen Euro schwer. Gemeinden, die keine Satzung hatten, bekommen bis 2022 keine Pauschalen. Darunter zum Beispiel die Landeshauptstadt München.

Vor der Zahlung der Pauschalen geht freilich ein großes Stück von diesem Kuchen ab. Mehr als die Hälfte, nämlich 65 Millionen, fließen in sogenannte Spitzabrechnungen. Sie werden ausbezahlt an Gemeinden, die Ausbaumaßnahmen noch laufen haben, oder abgeschlossen und noch nicht abgerechnet haben. Darunter ist Herzogenaurach mit dem Ausbau der Schütt.

Für die Pauschalen bleiben somit 35 Millionen Euro für 2019 im Topf. Diese werden indes nicht einfach pauschal ausbezahlt. Es gibt neben den Prozenten Siedlungsflächen-Anteil auch eine Gewichtung. Diese wertet nach dem Mittelwert der Jahreseinnahmen jeder Gemeinde aus Ausbau-Beiträgen in den zehn Jahren von 2008 bis 2017.

Hier hat Herzogenaurach einen Nachteil. Wegen einer schweren, langfristigen Erkrankung war das zuständige Sachgebiet in der Stadtverwaltung vakant. Zwei Jahre lang im genannten Zeitraum wurden gar keine Bescheide verschickt und auch nichts eingenommen. Entsprechend niedrig, bei 220 000 Euro, liegt der Mittelwert der Einnahmen. Ohne die Vakanz, sagt Kämmerer Manfred Hofmann, hätte er bei 400 000 Euro pro Jahr gelegen. Es fehlen also anrechenbare 180 000 Euro im Jahr. Der Mittelwert für ganz Bayern liegt bei 60,7 Millionen Euro. Schon jetzt zeichnet sich eine erkleckliche Unterfinanzierung der Kompensationsleistungen ab, die von Städten und Gemeinden auch heftig beklagt worden ist (wir haben berichtet).

Im Gespräch ist auch eine "Härtefall-Regelung". Einzelne von Beiträgen besonders hart getroffene Grundstücksbesitzer sollen auf Antrag Beiträge rückwirkend bis 2014 erstattet bekommen. Der 100-Millionen-Gesamtkuchen soll dieses Jahr um 50 Millionen für Härtefälle aufgestockt werden. Entschieden wird dies, auch die Definition für "Härtefall", aber erst im Frühjahr.

Womit rechnet Herzogenaurach für dieses Jahr?

Mit Planzahlen für Kompensations-Einnahmen tut sich der Kämmerer schwer. "Mit kaufmännischer Vorsicht", so Manfred Hofmann, hat er 53 000 Euro Pauschale nach Einnahmen im Etat angesetzt. Mit der geschilderten Gewichtung nach Mittelwert käme man günstigerweise auf etwa 60 000 Euro. Dazu kommen noch aus der Pauschale nach Siedlungsfläche 34 000 Euro. Allerdings habe das Landesamt für Statistik noch nicht die aktuellen Zahlen zu den Siedlungsflächen nennen können. Ersatzweise und auf den Rat des Gemeindetags hin hat Hofmann nach den Flächen-Zahlen von 2016 kalkuliert.

Was sehen die neuen Regelungen der Koalition für die kommenden Jahre vor?

Es werden ab 2020 jährlich 150 Millionen bereitgestellt. Die genannte Gewichtung nach dem Zehnjahres-Mittelwert, also eine Art "Ranking", fällt 2020 und 2021 immer geringer aus. Errechnet sich so dieses Jahr noch 35 Prozent der Gesamtsumme danach, werden es 2020 noch 25 Prozent sein, 2021 nur noch 15 Prozent. 2022 wird die Pauschale dann zu 100 Prozent nach Siedlungsfläche ermittelt werden. Und jenes Jahr wird eine weitere Zäsur: Man geht davon aus, dass dann alle Spitzabrechnungen erledigt sind, und zahlt fortan Pauschalen auch an Gemeinden, die, wie München, nie eine Ausbaubeitragssatzung besessen und nie Straßenausbau-Beiträge erhoben haben.

Die Berechnungen für Herzogenaurach?

Der Kämmerer rechnet für 2020 mit 201 000 Euro, 2021 mit 191 000 und 2022 mit 226 000. Das sind laut Manfred Hofmann deutlich — jährlich um rund 180 000 Euro — geringere Einnahmen, als die Stadt zu erwarten hätte, dürfte sie noch Beiträge von den Grundstücksbesitzern erheben. Was bei den Einnahmen fehlen werde, mache ungefähr 10 Prozent der Grundsteuer aus. Diese Abgabe der Immobilienbesitzer zum Ausgleich anzuheben, wäre freilich eine Maßnahme, die auch ein sozialdemokratischer Bürgermeister wie German Hacker strikt ablehnt: Weil stets die Hälfte der städtischen Einnahmen per Umlage wieder an den Landkreis abgeführt werden müssen, müsste Herzogenaurach die Steuer nämlich um 20 Prozent heraufsetzen, damit 10 Prozent im eigenen Säckel bleiben.

Wie schätzt der Bürgermeister die Neuregelung ein?

SPD-Mann German Hacker sieht im Wegfall der Beiträge eine Sozialisierung von Verlusten: Nicht mehr die unmittelbar profitierenden Anlieger zahlen für ihren Mehrwert mit, sondern die Allgemeinheit begleicht die ganze Rechnung mit ihrem Steuergeld. Das Ganze setze ein gut funktionierendes, mit ausführlicher Rechtsprechung hinterlegtes und ausgereiftes System außer Kraft. Und zu befürchten sei auch, dass die Ansprüche der Bewohner an die Straßenausbauten steigen — jetzt, wo diese nicht mehr ins eigene Geld gehen.

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