Herzo: Kneipenfestival bringt Leben in die City

22.10.2017, 17:45 Uhr
Herzo: Kneipenfestival bringt Leben in die City

© Fotos: Athina Tsimplostefanaki

Zehn Minuten, länger braucht Klaus Redlingshöfer nicht, um eine schöne Geschichte mitzunehmen. Zehn Minuten, so lange fährt der Shuttle-Bus von der Bushaltestelle über verschiedene Kneipen zum Alten Backhaus und wieder zurück. Zehn Minuten, die Klaus Redlingshöfer als unberechenbar bezeichnet.

Der Mann, der die Fahrt mit dem Shuttle-Bus zum Erlebnis machen soll, sitzt ganz hinten, Headset auf dem Kopf, Gitarre auf dem Schoß. Die Fahrgäste drehen sich gespannt um. Redlingshöfer beginnt zu singen, und der Rest mit ihm. Es wird gegrölt, gelacht, gefilmt. Eigentlich, sagt Redlingshöfer und muss dabei selbst lachen, sei die kurze Strecke ja ein Witz. Einst, da spielte er in den Bars, die der Shuttle-Bus jetzt ansteuert, doch das Publikum war immer dasselbe. Irgendwann reichte ihm das nicht mehr.

Die zehn Minuten mit dem Shuttle-Bus sind dagegen anders, außergewöhnlicher. Redlingshöfer weiß nicht, wer einsteigen und aussteigen wird, ob Herzogenauracher oder Nicht-Herzogenauracher, ob Tourist, ob zugezogen oder weggezogen. Der Shuttle-Bus als eckiges Ü-Ei. "Man erlebt hier drin immer neue Geschichten", sagt er und erinnert sich an das vergangene Jahr. Damals saß ein französisches Paar vor ihm. Zunächst sei ihm das gar nicht weiter aufgefallen, erst später bemerkte er, dass die beiden sich immer noch nicht von der Stelle gerührt hatten. "Weil sie die Musik so schön fanden, wollten sie gar nicht mehr aussteigen."

Seit 14 Jahren findet in Herzogenaurach das Kneipenfestival statt. Und auch an diesem Samstagabend im Oktober heißt das Angebot wieder: ein Ticket, neun Locations. Das Klagelied der jungen Generation von der langweiligen Innenstadt muss für einen Abend verstummen. Alle paar Meter tummeln sich die Menschen in den Kneipen und Cafés, tanzen und feiern. Ob orientalische Musik bei Bülbül Manush in der HerzoBar oder der Pop- und Rock-Mix bei Reline im Café Römmelt: Die Innenstadt verwandelt sich für einen Abend in eine lebendige Musik-App, in der sich jeder seine eigene Playlist nach musikalischen Vorlieben zusammenstellen kann.

Die Treppe zum Eingang des Ratskellers steht voll. Wind und Nieselregen nehmen zwar zu, aber das scheint hier niemanden zu stören. Zu verlockend sind die Takte, die von der Coverband Hunter nach draußen dringen. Am unteren Ende der Treppe steht Jürgen Rissmann und wirft einen Blick nach oben. "Der Vorverkauf lief ja schleppend", sagt der Organisator. "Aber jetzt kommen die Leute langsam." Das sei eben eines dieser Dinge, die sich im Laufe der Jahre verändert hätten. "Die Gäste kommen immer später."

Ob die Tausender-Marke dieses Mal erneut geknackt wird? Rissmann blickt etwas skeptisch drein. Als ehemaliger Inhaber des Cafés Kreis’l kennt er ja die Fluktuationen, die ein solches Geschäft mit sich bringt, nur zu gut.

2003 kam eine Agentur auf Rissmann zu. Ob er denn bereit sei an einem Kneipenfestival in Herzogenaurach mitzuwirken? Rissmann, den die Idee reizte, sagte sofort zu. Das Festival lief gut. Doch dann der Schock. Als der Kreis’l-Inhaber im folgenden Jahr die Agentur kontaktieren wollte, entdeckte er: Sie ist pleite gegangen.

"Aber die Idee musste am Leben bleiben", erzählt Rissmann. Also schließen sich damals die Cafés, Kneipen und Restaurants der Herzogenauracher Innenstadt zusammen und packen selbst an.

Ein Lächeln umspielt Rissmanns Lippen, fragt man ihn nach dem besonderen Reiz des Festivals. Dann beginnt der Organisator zu erzählen, von den früheren Zeiten, von der Piccadilly-Diskothek, von alten Schulfreunden. Und dann wird plötzlich auch klar, welches unsichtbare Band dieses Kneipenfestival zusammenhält. "Schauen Sie sich doch um", sagt Rissmann. "Viele, die weggezogen sind, kommen für einen Abend zurück nach Herzogenaurach." Plötzlich treffe er Leute wieder, die hätten inzwischen Kinder. Ein Klassentreffen im Großformat.

So wie der Shuttle-Bus seine Gäste auf eine Rundfahrt mitnimmt, so dreht sich auch diese Geschichte einmal im Kreis und landet am Ende wieder bei Klaus Redlingshöfer auf dem Hintersitz. Die letzten Fahrgäste sind soeben ausgestiegen, der Shuttle-Bus biegt auf den Parkplatz ein, die Innenlichter werden gleich ausgehen. Der Mann mit der Gitarre ist einer dieser gebürtigen Herzogenauracher, die inzwischen weggezogen sind. "Aber das Kneipenfestival ist für mich ein Pflichttermin", erzählt Redlingshöfer. "Alles ist hier so familiär, die witzigen Anekdoten lassen sich gar nicht vermeiden."

Erst vorhin habe er wieder einen alten Schulfreund getroffen. Dann gehen die Lichter im Bus aus, es wird dunkel. Klaus Redlingshöfer legt seine Gitarre beiseite. Eine halbe Stunde durchschnaufen, dann wird die nächste Rundfahrt losgehen. Und neue Geschichten warten schon auf ihn.

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