Herzogenaurach: Neuer Geist in neuen Räumen

4.3.2017, 08:57 Uhr
Herzogenaurach: Neuer Geist in neuen Räumen

© Foto: Stadtarchiv

Das alte Rathaus an der Hauptstraße – heute noch die Bezeichnung alteingesessener Herzogenauracher – konnte vom Platz her die Bedürfnisse der rapide wachsenden Stadt nicht mehr erfüllen. Denn während die Aurachgemeinde 1939 knapp 4000 Bürgerinnen und Bürger zählte, waren es Ende 1959 bereits 9570 – weshalb einzelne Abteilungen, wie zum Beispiel das viel beschäftigte Bauamt, bereits ausgelagert werden mussten. Als schon ein Jahr später der Richtwert von 10 000 Einwohnern überschritten wurde, "drohte" zur nächsten Kommunalwahl eine Stadtratserweiterung von 16 auf 20 Personen, wofür der Sitzungssaal im oberen Stockwerk des bisherigen Ämtergebäudes nicht ausreichte.

Historischer Eingriff

Die Verwaltung mit Bürgermeister Hans Maier (SPD) an der Spitze schlug als zentrale Alternative das nahe Schloss-Areal vor, das 1960 dem Freistaat Bayern abgekauft worden war. Eine moderne und der Vielfalt der Ämter entsprechende Struktur ließ sich allerdings nur verwirk-lichen, wenn das ehemalige Amtsgerichtsgefängnis an der Nordseite und ein Teil der alten Wehrmauer abgerissen würden, um dort einem Neubau Platz zu machen.

Im Dezember 1961 segnete der Stadtrat diese Vorschläge einstimmig ab. Und als das bayerische Landesamt für Denkmalpflege nach einer Besichtigung des Schlossbezirks grünes Licht für diese Lösung gab, beauftragten laut Sitzungsprotokoll vom 10. April 1962 der Bürgermeister und die 13 anwesenden Mitglieder des Ratsgremiums Oberbaurat H. A. Wilhelm als Architekten, adäquate Skizzen mit Kostenvoranschlägen auszuarbeiten.

Herzogenaurach: Neuer Geist in neuen Räumen

© Foto: Stadtarchiv

Im Amtsblatt vom 3. Mai 1963 wurde der Bevölkerung anhand zweier Fotos das Modell des geplanten Neubaus präsentiert: ein längerer vier- und ein kürzerer dreigeschossiger Flügel mit einem in den Schlossgraben hineinragenden Sitzungssaal. Und noch einmal, nämlich in der Bürgerversammlung am 21. Februar 1964, legte die Stadtverwaltung vor 400 Zuhörern Rechenschaft darüber ab, warum dieser aufwändige Rathauswechsel notwendig sei.

Nachdem drei Monate später die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für 545 450 DM an die Niederndorfer Firma Gumbmann vergeben worden waren, konnte bald mit der Fundamentierung begonnen werden. "Rathausneubau in Sicht!", titelte das Amtsblatt am 14. August 1964.

Beim Richtfest Anfang Juli 1965 sprach man von rund 1,4 Mio. DM, die Herzogenaurach für sein neues Verwaltungszentrum aufwenden müsse. Stadtkämmerer Fritz Maier beantwortete noch im Oktober desselben Jahres die Anfrage des CSU-Fraktionsvorsitzenden Konrad Fischer optimistisch: Die in den Haushalten vorgesehenen 1,5 Mio. DM würden reichen, aller-dings seien in dieser Summe keine Umbaumaßnahmen für das alte Schlossgebäude enthalten. Beim Nachhaken der CSU im Dezember 1966 hieß es, von den veranschlagten 1,7 Mio. DM habe man bisher 1,582 Mio. DM ausgegeben, doch stünden noch 607 000 DM an Kosten aus, sodass ein Abschlussergebnis von 2,19 Mio. DM erwartet würde.

Einstimmigkeit trotz Kritik

Weil auch andere große Baumaßnahmen der Kommune, wie Realschule und Kläranlage, den vorgesehenen Kostenrahmen erheblich sprengten, nutzte die Opposition die Januar-Sitzung 1967 zur Generalabrechnung mit Stadtverwaltung und SPD-Regierungsmehrheit. "So geht es nicht weiter", kritisierte zum Beispiel Karl Mauser. "Es fehlt an der notwendigen Bauaufsicht und an einer exakten Planung, besonders beim Ämtergebäude." Dies sei auch die Ursache der Kosten-Erhöhungen. Der Christsoziale schlug die Bildung eines Sparausschusses als "Streichquartett" vor, was ebenso einstimmig beschlossen wurde wie die Verabschiedung des vorliegenden Haushalts.

Herzogenaurach: Neuer Geist in neuen Räumen

© Foto: Jupp Hagen

Beim neuen, inzwischen bezugsfertigen Rathaus konnte freilich nichts mehr eingespart werden. Am 7. April 1967 erfolgte die festliche Einweihung durch die katholische und evangelische Geistlichkeit, Leonhard Ritter und Arno Grießhammer. Der Bürgermeister dankte allen beteiligten Handwerkern. Es sei nicht einfach gewesen, "das historische Gebäude mit einer modernen Anlage zu koppeln". Oberfrankens Regierungspräsident Fritz Stahler lobte den städtebaulichen Kontrast, monierte aber humorvoll, dass er im Sitzungssaal auch das Wappen Mittelfrankens sehe, was doch hoffentlich keine Anspielung auf die geplante Gebietsreform sei.

Landrat Georg Daßler bilanzierte: Trotz vereinzelter Kritik halte er den Bau für gelungen. Dieser werde 100 Jahre (!) reichen. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CSU versprachen in ihren Reden "neuen Geist in neuen Räumen, demokratisch und sachlich". Selbst der oft als Patriarch gescholtene Hans Maier gelobte, den vielen Worten Taten folgen zu lassen: "Ich schlage als Erster an meine Brust und verspreche, mich ernstlich zu bessern." Lediglich ÜWB-Sprecher Michael März erwähnte wehmütig, dass mit dem Neubau ein Stück Geschichte der Stadt hingegeben worden sei.

Nun steht — nach nur 50 Jahren (!) — wieder eine Erweiterung, wieder ein Neubau an. Und auch heute bedauern anscheinend nur wenige historisch denkende Herzogenauracher, dass dafür der Schlossgraben noch einmal verkleinert wird und am Hubmann-Parkplatz das letzte architektonische Monument der hiesigen Arbeitergeschichte, das Konsumgebäude, der Spitzhacke zum Opfer fällt.

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