Himmlische Tradition

17.12.2011, 10:00 Uhr
Himmlische Tradition

© Horst Linke

Ralf Rehder führt eine „himmlische“ Familientradition fort. Denn schon seit 1932 ist seine Familie auf dem Christkindlesmarkt präsent. Ralf Rehders Urgroßmutter hatte — um die Familie durchzubringen — einen Stand auf dem Nürnberger Wochenmarkt. „Da hat es sich dann so ergeben, dass sie irgendwann eben auch Weihnachtsdekoration und Rauschgoldengel verkauft hat“, erinnert sich Ralf Rehders Vater Manfred. Er habe seiner Großmutter bereits als Kind geholfen, später natürlich auch seiner Mutter, als sie den „Laden“ übernommen hat. Und dann stand Manfred Rehder, heute 77 Jahre alt, selbst 25 Jahre lang hinter dem Tresen. Vor fünf Jahren hat Sohn Ralf (48) das Ruder übernommen — mittlerweile also die vierte Generation.

Doch schon Manfred Rehder hat das Weihnachtsgeschäft quasi „nebenher“ gemacht, er war gelernter Orthopädietechniker und hatte zehn Jahre lang eine Gastwirtschaft in Herzogenaurach. Auch für Ralf Rehder ist es mehr oder weniger ein Hobby. Er arbeitet eigentlich bei den Herzo Werken, nimmt sich für den Christkindlesmarkt immer extra Urlaub. Lohnt sich das? Ralf Rehder lacht. „Nicht wirklich, Standmiete und Strom sind recht teuer, aber ein bisschen was kommt schon dabei rum.“ Das sei aber nicht der Grund für sein Engagement. „Es muss einfach weitergehen, es ist Familientradition“, sagt der 48-Jährige bestimmt. Er müsse zwar viel Freizeit investieren, aber solange es mit der Arbeit funktioniere, wolle er die Tradition weiterführen.

Klassisch in Rot

Apropos viel Freizeit: Es ist ja nicht mit den vier Wochen auf dem Christkindlesmarkt getan. Die Rauschgoldengel wollen schließlich vorher in Herzogenaurach gefertigt werden. Denn die Engel sind das Besondere an Rehders Stand und der Grund, warum die Stadt Nürnberg bei ihren strengen Vergabekriterien für die begehrten Standplätze auf dem Christkindlesmarkt immer auch die Rehders berücksichtigt. „Unsere Rauschgoldengel sind komplett per Hand gemacht“, betont Manfred Rehder. Für das Gewand der schimmernden Flügelwesen benutzte man früher dünnes, stark poliertes Messingblech, das so genannte Rauschgold. Der Name leitet sich von dem Knistern oder „Rauschen“ ab, das die Blechstreifen beim Anfassen von sich gaben. Für die Herstellung des Rauschgoldes war Nürnberg schon seit dem Mittelalter berühmt, doch nach und nach stellten die Firmen die Produktion ein. Heute benutzt man stattdessen aufgepresste Goldfolien. Die Köpfe der Engel sind aus edlem Porzellan und werden zugekauft. Der „klassische“ Rauschgoldengel hat übrigens ein rotes Gewand. Ralf Rehder trägt aber auch dem unterschiedlichen Geschmack der Menschen Rechnung und bietet die Engel zudem in den Farben Gold, Silber, Kupfer, Grün, Rosa und Lila an — auf Wunsch signiert er „seine“ Engel auch. Die Produktion der Rauschgoldengel steht bei Rehders also im Laufe des Jahres auf dem Programm.

Wie lange das dauert, hängt von der Anzahl der Engel ab, die produziert werden. „Und das entscheide ich dann spontan aus dem Bauch heraus“, sagt der 48-Jährige. Ralf Rehder bekommt bei der Fertigung Unterstützung von seinem Vater und Schwiegervater, „und auch meine Tochter hilft schon mit“. So viel Arbeit hat dann natürlich seinen Preis: Die Rauschgoldengel gibt es in drei Größen; der kleine (18 cm) kostet 18,50 Euro, der mittlere (22 cm) 26,50 Euro und der große (33 cm) schlägt mit 34,50 Euro zu Buche. Dafür sind Rehders Rauschgoldengel aber auch stabil und halten ewig, wenn man sie pfleglich behandelt. Der ganz große Engel ist übrigens unverkäuflich, obwohl ab und zu schon einmal Leute danach fragen.

Die restlichen Waren seines Standes — Christbaumspitzen- und schmuck, Glocken und Figuren, Strohsterne und Kugeln — kauft Ralf Rehder bei Großhändlern ein, auf Messen oder im Internet.

Nach den vielen Jahre auf dem Christkindlesmarkt sind natürlich auch viele Erinnerungen geblieben. So weiß Manfred Rehder noch, wie schwierig das Jahr der Grenzöffnung gewesen ist. „Die Leute haben sich nur noch durch die Gassen geschoben. Es war unsere beste Saison, aber eben unheimlich anstrengend.“

Kontakt mit Leuten

Auch das Wetter war und ist jedes Jahr Thema. „Einmal hat es die kompletten vier Wochen geregnet, und letztes Jahr der viele Schnee...“ Heuer dagegen sei es ungewöhnlich mild. Manchmal aber, wenn es richtig knackig kalt ist, kann man in seinem Stand schon mal festfrieren. Dann hilft nur die passende Kleidung, „am besten mehrere Lagen übereinander“, meint Ralf Rehder lachend. Und hinter dem Tresen sorgt zudem eine kleine Elektro-Heizung für ein bisschen Wärme. Was trotzdem das Schöne an dieser Arbeit ist: „Der Kontakt mit den Leuten“ — da sind sich Manfred und Ralf Rehder einig. Ein bisschen Menschenkenntnis bleibt da nicht aus. So weiß Manfred Rehder ganz genau: „Die Asiaten kommen immer im Pulk, lachen viel und kaufen immer eine Kleinigkeit. Die Schweizer muss man bedienen und ihnen alles erklären; sie informieren sich erst und kaufen am nächsten Tag. Und die Italiener reden alle durcheinander und haben prinzipiell keine Zeit.“ Aber eines mögen sie alle: die Rauschgoldengel aus der Weihnachtsstadt Nürnberg, hergestellt in Herzogenaurach.

Ralf Rehders Bude trägt die Nummer 31 und befindet sich (von der Lorenzkirche kommend) in der ersten Gasse „Zur Eisenboh“. Die Öffnungszeiten des Christkindlesmarktes: Montag bis Donnerstag von 9.30 bis 20 Uhr, Freitag und Samstag von 9.30 bis 22 Uhr und Sonntag von 10.30 bis 20 Uhr. Letzter Tag ist der 24. Dezember von 9.30 bis 14 Uhr.

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