Höchstadt: Familie mit Kindern droht Abschiebung

19.3.2017, 09:06 Uhr
Höchstadt: Familie mit Kindern droht Abschiebung

© Foto: dpa

Die vier Abschiebebescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kamen völlig unerwartet. Seitdem versteht Anwar die Welt nicht mehr. "Wir haben doch alles richtig gemacht", sagt der 27-jährige Familienvater. Mehrere Deutschkurse hat er bereits absolviert und sich mit einem Praktikum bei der Stadtverwaltung Erlangen aufs Berufsleben vorbereitet. Knapp zwei Jahre lang hat er im KreisLauf-Kaufhaus der Laufer Mühle gearbeitet. Auch seine Frau hat zwei Monate lang Deutsch gelernt, obwohl sie sich um Sohn Musa (2 Jahre) und Töchterchen Sumeya (7 Monate) kümmert.

Besser kann Integration eigentlich nicht laufen. Doch nun soll die vierköpfige Familie nach Italien abgeschoben werden — das erste europäische Land, das Anwar und Almaz nach ihrer Flucht aus der Heimat betreten haben. Dieser Gedanke lässt das junge Paar verzweifeln. Aus Angst, die Polizei könnte in seiner Abwesenheit auftauchen und Frau und Kinder mitnehmen, habe er sich seit Anfang der Woche nicht einmal mehr in die Schule getraut, gesteht Anwar.

Was die Familie in Italien erwartet, weiß er aus eigener Erfahrung nur noch zu gut. Das Urlaubsparadies ist für Flüchtlinge ein Albtraum. Nach der Erstaufnahme sind Asylsuchende in vielen Regionen auf sich selbst gestellt, Strukturen für die weitere Betreuung fehlen weitestgehend. "Nach vier Monaten dort waren wir uns selbst überlassen und obdachlos", erzählt Anwar. "Es gab kein Essen, kein Wasser, keine medizinische Versorgung". Deshalb lässt ihn die Angst vor der Abschiebung nun nicht mehr zur Ruhe kommen, raubt ihm den Schlaf. "Ich habe große Angst um meine Kinder", sagt er unter Tränen.

Die Sorge ist begründet. In vielen Staaten Süd- und Osteuropas sei weder eine adäquate Durchführung von Asylverfahren noch eine menschenwürdige Versorgung gewährleistet, kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat und macht immer wieder auf die katastrophalen Zustände wie Obdachlosigkeit in Italien, Inhaftierung in Ungarn oder Polizeigewalt in Bulgarien aufmerksam.

Juristisch gesehen ist eine Rückführung in der Regel legal. Gemäß der EU-Verordnung "Dublin III" ist derjenige europäische Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, den ein Flüchtling zuerst betritt. Auf dieser Grundlage könnten mitteleuropäische Staaten wie Deutschland theoretisch die meisten Flüchtlinge abweisen und in den Einreisestaat zurückführen. Aus humanitären Gründen wurde davon bisher meist abgesehen. Diese moralische Hemmschwelle, so scheint es, ist aber nun offenbar gefallen.

"Es ist ungewöhnlich, dass eine Familie mit so kleinen Kindern abgeschoben wird", sagt Sabine Grasse. Die ehrenamtliche Flüchlingshelferin von den "Helfenden Händen" kennt die Menschen, die in der Gemeinschaftsunterkunft am Lappacher Weg leben. Sie ist in großer Sorge um die äthiopisch-eritreische Familie und ihr ungewisses Schicksal. Immer wieder fragt sie sich, wie die Abschiebung noch abgewendet werden kann und hofft auf die Anteilnahme der Bevölkerung. Oft bleibt als letzte Chance, um die Betroffenen zu schützen, nur das Kirchenasyl.

27 Kommentare