Höchstadt: Flüchtling darf nicht arbeiten

8.3.2018, 14:00 Uhr
Höchstadt: Flüchtling darf nicht arbeiten

© Roland Huber

Es könnte so einfach sein. Seit drei Jahren ist Ulrike Gumbrecht schon auf der Suche nach einem Auszubildenden, der bei ihr im Restaurant-Café Aischblick das Kochen lernt. Jetzt hat sie endlich jemanden gefunden, der perfekt geeignet ist: Abdela Mohammed Mussa.

Der 25-Jährige hat drei Jahre lang die Berufsintegrationsklasse am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum (SBS) in Höchstadt besucht, an den Wochenenden und nach der Schule im Seniorenheim in der Küche ausgeholfen und dort außerdem ein Praktikum absolviert. Als er im Februar das Abschlusszeugnis mit guten Noten in der Tasche hatte, wollte er die Kochausbildung im Aischblick beginnen. Aber er darf nicht.

Der Grund: Er stammt aus Äthiopien und hat einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt worden ist. Gegen diese Entscheidung hat er Einspruch eingelegt. Wenn er nicht freiwillig ausreist, bekommt ein abgelehnter Bewerber in der Regel eine Duldung, die drei-monatlich mehrfach verlängert werden kann.

Aber Mussa kann seine Identität nicht nachweisen — deshalb stellt sich das Amt hier quer. Abgeschoben werden kann er ohne Papiere aber auch nicht einfach. Zur Schule gehen war erlaubt. Wenn Mussa jetzt aber arbeiten möchte, ist eine dreijährige Duldung Voraussetzung. Aktuell darf er also kein Geld verdienen und sitzt mit Frau und Kleinkind in einem kleinen Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft am Lappacher Weg in Höchstadt.

"Dabei habe ich Arbeit ohne Ende", stöhnt Ulrike Gumbrecht, die im Restaurant Aischblick seit Jahren improvisieren und jonglieren muss. Es findet sich einfach niemand, der die Ausbildung zum Koch machen möchte und das auch kann. Vertreter des Schulzentrums (SBS) hatten zwar noch vor wenigen Tagen betont, in der Gastronomie entspanne sich die Lage durch die Absolventen der Flüchtlingsklassen. Viele von ihnen aber sind Äthiopier: Ihnen ergeht es wie Mussa.

Badehose und T-Shirt

Konrad Eitel von der Flüchtlingsbetreuung Herzogenaurach hat die Praxis am Landratsamt auf den Identitätsnachweis zu bestehen, schon im letzten Sommer kritisiert. "Die meisten Flüchtlinge aus Äthiopien zum Beispiel sind quasi mit Badehose und T-Shirt übers Mittelmeer nach Europa gelangt und verfügen über keinerlei Identitätsnachweis", beschreibt er die Situation. "Sie möchten aber nicht nur von steuerfinanzierten Sozialleistungen leben, sondern auch Berufe erlernen und arbeiten, um ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen." Auf der anderen Seite stünden viele Arbeitgeber, die händeringend auf der Suche seien nach Auszubildenden und Mitarbeitern.

Höchstadt: Flüchtling darf nicht arbeiten

So wie Ulrike Gumbrecht. Sie ist überzeugt, dass es mit Abdela Mohammed Mussa funktionieren würde. Deshalb hat die Gastronomin sich an die äthiopische Botschaft gewandt und nachgefragt, wie es gelingen könnte, einen Identitätsnachweis für den abgelehnten Asylbewerber zu bekommen. Mussa berichtet, er sei in einem kleinen Dorf auf die Welt gekommen, weit entfernt von Krankenhäusern oder Ämtern. Deshalb hat der 25-Jährige auch keine Geburtsurkunde. Drei Jahre lang ist er zur Schule gegangen, aber auch darüber hat er keinen Nachweis. Seine Familie ist ebenfalls geflüchtet, nur noch eine Tante und ein Onkel sind in Äthiopien, doch sie wohnen in einem Wüstenort ohne Postadresse, sagt der Betroffene.

"Selbst wenn jemand zu erreichen wäre, es ist unmöglich einen Nachweis mit Lichtbild zu bekommen", klagt Elke Yassin-Radowsky. Die Leiterin der Außenstelle des Weißen Rings, einer Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, kennt Abdela Mohammed Mussa, weil er im Dezember 2015 in Höchstadt auf offener Straße grundlos so ins Gesicht geschlagen worden ist, dass er einen Zahn verlor (wir berichteten).

Der Asylbewerber hatte bei seiner Flucht zwar mehr am Leib als eine Badehose, aber viel konnte er nicht mitnehmen. Als Angehörige der Ethnie der Oromo sei er zahlreichen Repressionen der äthiopische Zentralregierung ausgesetzt gewesen. Unter anderem saß er zweimal aus politischen Gründen im Gefängnis, wie er sagt.

In Lebensgefahr

Fünf Monate hat seine Flucht gedauert, die ihn mehrfach in Lebensgefahr gebracht hat — unter anderem, als er in einem Schlauchboot das Mittelmeer überquerte. Aufgegriffen von der italienischen Küstenwache landete er in Sizilien und kam dann vor gut drei Jahren nach Deutschland.

Die Schule habe ihm gut getan, sagt Mussa. Jetzt täglich nur in der Unterkunft zu sitzen, sei hart für ihn. Wenn er keine Duldung bekommt, ist auch keine Änderung in Sicht. Der Einspruch gegen die Ablehnung seines Asylverfahrens kann sich Jahre hinziehen. "Und jetzt ist er quasi gezwungen dem Staat auf der Tasche zu liegen", beklagt Elke Yassin-Radowsky. "Das kann doch nicht sein."