Im Visier der Justiz: Zu Besuch beim Lonnerstadter Guru

18.3.2015, 19:30 Uhr
Im Visier der Justiz: Zu Besuch beim Lonnerstadter Guru

Es ist eine Art kosmischer Hurrikan, der sich zusammenbraut. Die Welt ist im Wanken, das spürt der Guru aus Lonnerstadt, die Zeichen sind zu eindeutig, die Schwingungen zu stark. Dazu passt es auch, dass sein Fall im Juli noch mal in Karlsruhe vor den Bundesgerichtshof kommt. „Vielleicht hat die Justiz etwas erkannt“, sagt Gerhard L. – einst Bofrost-Verkäufer, heute Guru, demnächst vielleicht Knasti.

Es ist 11 Uhr, der Guru sitzt in quietschgelbem Frotteebademantel und Häkelmütze auf dem Kopf auf der Terrasse und blinzelt in die Sonne. Seine Lebenspartnerin und eine zweite spirituelle Gefährtin werkeln derweil im Garten. Sie pflanzen Blumen und Gemüse, gießen und graben um. Die selbsternannten Weltendiener leben angeblich beinahe autark. Das ist Teil ihrer Philosophie.

Jenseits von Schwingungen, Telepathie und kuriosen Weltanschauungen muss sich der Guru allerdings mit nackten Tatsachen konfrontieren. Drei Jahre Gefängnis warten auf ihn und seine Lebensgefährtin. Das Oberlandesgericht Nürnberg-Fürth hat die beiden im vergangenen Jahr zu der Freiheitsstrafe verurteilt. Der Grund: Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Die eigenen Kinder hatten ihre Mutter Susanne B. und deren Lebensgefährten, den Guru, angezeigt. Der Vorwurf: Obwohl zwei der Kinder schwer erkrankt waren, wurde ihre Mukoviszidose nicht behandelt. Arztbesuche und Medikamente waren tabu. Dabei sollte die lebensbedrohliche Stoffwechselkrankheit so früh und gründlich wie möglich behandelt werden, um die Lebenserwartung zu steigern.

Vor Gericht sagten die Kinder damals aus, sie hätten den Haushalt allein schmeißen müssen. Um 4 Uhr morgens mussten sie meditieren. Ständig mussten sie fasten und hungern.

Der Guru selbst, ein fülliger Mann mit langem Bart, zeichnet ein völlig anderes Bild. Die Kinder hätten frei entscheiden dürfen, ob sie Medikamente nehmen oder nicht — die Pillen waren angeblich zuhause im Schrank, auch der Inhalator und die Zusatznahrungsmittel. Für seine Lebensgefährtin, eine Niederbayerin, war es „ein völliger Schock, dass wir angezeigt wurden“. Der Guru selbst beteuert: „Ich habe eine völlig reine Weste.“

Von ihrer bevorstehenden Gefängnisstrafe lassen sie sich nicht die Laune trüben. Der Guru strahlt übers ganze Gesicht, winkt vorbeifahrenden Autos zu und sagt Sätze wie: „Angelina Jolie wird irgendwann zu uns kommen. Sie ist spirituell sehr weit. Die Schwingungen werden sie zu uns führen.“

Im Visier der Justiz: Zu Besuch beim Lonnerstadter Guru

Sorgen um seine Haft macht er sich nicht. Er sieht das Ganze gelassen, rechnet fest damit, dass es für ihn gut ausgehen wird in Karlsruhe. Und, dass es auch für die Familie gut ausgehen wird. Seit dem Prozess haben die beiden keinen Kontakt mehr zu den Kindern. Eines Tages wird sich das wieder ändern, das spürt der 59-Jährige. Seine Frau auch. Es ist wie in der Welt: Bald kommt ein großer Crash. Und dann beginnt ein Zeitalter der Liebe und Brüderlichkeit und der Messias kommt.

„Zu tief im Lügensumpf“

Dass sie verurteilt wurden, obwohl sie ihrer Ansicht nach keine Schuld trifft, erklären sich die beiden so: „ Es wurde so viel gelogen. Von der Presse und auch von den Kindern. Und wenn man einmal so tief im Lügensumpf steckt, kommt man so schnell nicht mehr heraus.“ Außerdem habe der Exmann von Susanne B. die Kinder aufgehetzt. Der freilich sieht das ganz anders. „Lebenslänglich — das wäre die richtige Strafe für die beiden“, sagt er erbost am Telefon. Um seinen Sohn K. stehe es nicht gerade gut. „Irgendwann geht es mit ihm zu Ende“, sagt der leibliche Vater. Auch der jüngste Sohn, sei krank. „Ein Krüppel“, sagt B. verbittert. Von den „hohlen Sprüchen“ des Gurus will er nichts mehr wissen. Für den Vater ist der Fall mit dem Urteil abgeschlossen. Für die Kinder ebenso. Sie wollen sich nicht dazu äußern, dass der Fall in Revision geht. Sie wollen endlich ihren Frieden. Endlich ein normales Leben.

Dabei erhofft sich zumindest der Verteidiger des Gurus, der Erlanger Anwalt Axel Graemer, das beste von Karlsruhe: „Es ist schon etwas besonderes, wenn ein Fall vor den Bundesgerichtshof kommt.“ Denn die große Mehrheit aller Revisionen wird abgewiesen. Der Anwalt hofft indes, dass das Urteil aufgehoben wird.

 

4 Kommentare