Immer mehr Landwirte geben auf: Meerrettich in Gefahr

20.10.2017, 05:25 Uhr
Der Meerrettich-Bauer Gehard Roß aus Baiersdorf fürchtet um die Zukunft des bayerischen Krens.

© Martin Müller Der Meerrettich-Bauer Gehard Roß aus Baiersdorf fürchtet um die Zukunft des bayerischen Krens.

Mehr als doppelt sie teuer wie ausländische Ware war der bayerische Kren im vergangenen Jahr. Woran das liegt? 1000 bis 1200 Arbeitsstunden verschlingt ein Hektar Meerrettich pro Jahr, Kartoffeln benötigen nur rund 50 Stunden. "Im Frühjahr ist es viel, im Sommer ist es viel — und im Herbst ist es noch viel mehr Arbeit", verdeutlicht Gerhard Roß, der in Baiersdorf (Landkreis Erlangen-Höchstadt) auf einem Hektar die wertvollen Stangen anbaut. 

Um Roß wird es seit Jahren immer einsamer. "Auf den Kren-Versammlungen sieht man jedes Jahr weniger Landwirte", erzählt er. Die Alten geben das Geschäft allmählich auf, die Jungen wollen sich die viele Arbeit nicht antun.

Vor allem die Einführung des Mindestlohnes hat den hiesigen Anbau hart getroffen. Zahlten die Bauern vorher ihren Helfern drei oder vier Euro pro Stunde, so müssen sie nun fast neun Euro entrichten. Durch den hohen Arbeitsaufwand beim Meerrettich steigen die Kosten für die Stangen deutlich mehr als für andere landwirtschaftliche Erzeugnisse.

"Wir zahlen natürlich gerne mehr für die Arbeit — aber dann müssten halt auch die Konsumenten mehr für den Kren bezahlen", meint Roß. Doch das tun diese natürlich nur in begrenztem Ausmaß. 

Baiersdorf setzt weiter auf die Knolle

"Wir wollen trotzdem weiter auf bayerischen Meerrettich setzen", betont Matthias Schamel, Geschäftsführer des Baiersdorfer Kren-Fabrikanten Schamel. 2.500 Tonnen Meerrettich werden hier pro Jahr verarbeitet. Die Hälfte davon kommt aus Bayern, der Rest vor allem aus anderen Regionen Deutschlands, aus Österreich und Ungarn.

Seit 2007 ist der Begriff "Bayerischer Meerrettich" von der EU als geografische Angabe geschützt, solche Produkte enthalten ausschließlich Kren aus dem Freistaat. "Wir kaufen fast die gesamte bayerische Ernte auf", sagt Schamel. Mit diesem Produkt hat man also ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Bei Schamel ist man noch optimistisch, doch Landwirt Gerhard Roß sieht den hiesigen Anbau schon auf dem absteigenden Ast. "Es gibt nur 100 Krenbauern in Deutschland. Wenn noch ein paar aufgeben, gibt es bald keinen deutschen Kren mehr", glaubt er.

Schon im 15. Jahrhundert sollen die Knollen in Baiersdorf angebaut worden sein, nachdem sie aus Südosteuropa eingeführt worden waren. 1846 gründete Johann Wilhelm Schamel in der Baiersdorfer Judengasse seine Meerrettich-Großhandlung. Das Geschäft lief gut, doch das Reiben der Stangen war für die Kunden anstrengend und tränenreich. Deshalb kam Johann Jakob Schamel 1912 auf die Idee, genussfertigen Meerrettich im Glas anzubieten. "Das war eines der ersten Convenience-Produkte überhaupt", erzählt sein Nachfahre Matthias Schamel. Die Erfindung war gleichzeitig der Durchbruch für das Unternehmen, dem 1986 mit der Markt-Einführung des Sahne-Meerrettichs eine weitere entscheidende Innovation gelang. 

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