In Worte gegossene Heimatliebe

5.12.2017, 08:57 Uhr
In Worte gegossene Heimatliebe

© Foto: Christian Enz

302 Seiten ist die aktuelle Ausgabe des "Heimatboten aus dem Reichen Ebrachgrund" stark. Sie beinhaltet 40 Artikel und bringt je Exemplar stattliche 700 Gramm auf die Waage. Autoren sind Theresia Dotterweich, Christian Enz, Alfred Frank, Ingrid Geyer, Ewald Glössner, Johanna Heckeley, Franz Kachler, Harald Kaiser, Ursula Lebender, Margarete Möckel, Angela Nusser, Otto Pröls, Wolfgang Rössler, Werner Rühl, Klaus Rupprecht, Rudolf Schmidt, Manfred Welker und Georg Zipfel. Damit ist die von Chefredakteur Franz Kachler vorgelegte Publikation im Vergleich zu den bisherigen Nummern rekordverdächtig.

"In der Tat ist die aktuelle Nummer etwas dicker ausgefallen als eigentlich gedacht", resümiert Rudolf Schmidt. Doch, so der Vorsitzende des Heimatvereins, man freue sich, dass es auch nach 30 Jahren noch so viel Interessantes zu berichten gebe. "Auch haben wir das 30-jährige Bestehen des Vereins nicht teuer gefeiert. Da konnten wir den Heimatboten etwas größer machen."

Beifall und eine Schachtel Pralinen gab es bei der öffentlichen Vorstellung des Werks in der Sporthalle des Mühlhausener Kindergartens für Franz Kachler, seit 22 Jahren verantwortlich für den Heimatboten. Er führte dann als Moderator durch den Abend. Zu diesem hatten sich immerhin zehn Autoren eingefunden, um ihre Texte persönlich vorzustellen.

Den Auftakt machte Helmut Schleicher, der auch das erste Kapitel schrieb: Er dichtete das "Lied vom Reichen Ebrachgrund" – das prompt, auf der Gitarre begleitet von Franz Kachler, gemeinsam gesungen wurde.

Der Hunger daheim

Kreisheimatpfleger Manfred Welker trug persönliche Erinnerungen für den Beitrag "Mühlhausen und der Erste Weltkrieg" zusammen. "Hier wird deutlich wie der Krieg zu Hause erlebt wurde". Vorherrschendes Thema: Hunger.

Auch der Zweite Weltkrieg ist Thema. Spülte die Geschichte Ende der 1940er Jahre doch gut 500 Heimatvertriebene nach Mühlhausen. "Die waren alle katholisch und sogar ein Pfarrer war dabei", erinnert sich Otto Pröls. Der Wunsch, katholische Gottesdienste zu feiern sei jedoch nicht leicht in die Tat umzusetzen gewesen. Zuerst, so berichtete der Zeitzeuge, versuchte man in der evangelischen Kirche Messen zu feiern. "Das war aber keine Dauerlösung. Deshalb versuchte man es dann im Saal des Altersheims. Doch das klappte auch nicht – ein Sturm riss das Dach weg und machte das Gebäude unbrauchbar."

Die letzte Notkirche

In Folge wurde auf dem Prölsschen Anwesen in einer einstigen Werkstatt eine Notkirche eingerichtet. "Mein Vater sagte, es ginge – bis die Gemeinde etwas Besseres gefunden habe". Heute, 70 Jahre später, ist das Provisorium wohl Deutschlands letzte Notkirche. Sie wurde 2017 unter Denkmalschutz gestellt und durch Erzbischof Ludwig Schick persönlich geweiht.

Natürlich, so betonte Kachler, dürften im Reformationsjahr evangelische Aspekte nicht fehlen. Deshalb setzte sich Manfred Welker mit Reformation und Bauernkrieg im Reichen Ebrachgrund auseinander. "Man sagte: Luthers Gedanken gefallen uns, das ziehen wir jetzt durch." Die Folgen sind auch 500 Jahre später noch sichtbar. Beispielsweise an der Art des Gebäcks zu hohen Feiertagen. Eine Spur, die Welker in "Küchle – Kiegli – Krapfen" kurzweilig nachzeichnet. "Katholiken zuckern ihr Gebäck von unten. Evangelische Bäckerinnen von oben. Aber eines machen beide: Vorm Backen die Männer aus dem Haus werfen."

Rudolf Schmidt verfasste eine Chronik des Lutherjahres 2017. In seinem zweiten Aufsatz "Gottesurteil auf der Kanzel" erzählt er eine Begebenheit von 1635. Ein durch den Würzburger Bischof gewaltsam eingesetzter Pfarrer forderte in der Predigt ein Zeichen, sollte der evangelische Glauben nicht falsch sein – und wurde noch auf der Kanzel von einer Kolik ereilt. Positivere Erinnerungen an die Reformation verarbeitete Ingrid Geyer in "Luther-Pop-Oratorium". Sie und fünf weitere Sängerinnen aus dem Ebrachgrund waren Teil des Events in der Münchner Olympiahalle.

Ursula Lebender steuert einen Text über das Kinderferienprogramm des Heimatvereins bei. Ihr Fazit: "Es ist gut, wenn Kinder wissen, dass es den Verein gibt und dass es wichtig ist, sich mit seiner Heimat zu befassen".

Angela Nusser geht in ihrem Aufsatz "Illustre Gäste im Reichen Ebrachgrund" der Frage nach, was Lothar Franz von Schönborn mit dem Bau von Schloss Weißenstein bezweckte. "Es ist kein Lustschloss – denn große Empfänge hat er dort nie gegeben. Es ist aber auch keine Residenz – denn gewohnt hat er dort auch nicht."

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