Jenny Porzner ist dem Duft der Bücher verfallen

11.2.2017, 06:00 Uhr
Jenny Porzner ist dem Duft der Bücher verfallen

© Ralf Rödel

Willkommen im Duft der Bücher: Ein holzig-warmer Geruch empfängt den Besucher, der das Atelier von Jenny Porzner in Etzelskirchen betritt. Die 56-Jährige tunkt gerade einen runden Pinsel in den Leimtopf. Sie möchte einen Stapel Amtsblätter binden und hat ihn schon in der Maschine fixiert. „Ich fächere jetzt das Ende auf, an das der Buchrücken kommt, damit sich ein bisschen Leim zwischen die Seiten setzt.“

Jenny Porzner trägt die Klebemasse auf, dann schwenkt sie den Pack in die andere Richtung und pinselt auch von dort. „So hält das auf jeden Fall“, sagt die Handwerkerin und stellt damit auch gleich klar, worin der Unterschied zwischen ihrer Arbeit und industrieller Fertigung besteht. „Ich kann vielleicht beim Preis nicht mithalten“, sagt sie, „dafür übertreffe ich die Qualität.“ Genau das ist es auch, was Kunden suchen, die zu ihr kommen.

Die Stadtbücherei Erlangen beispielsweise hat die Erfahrung gemacht, dass industriell gefertigte Bindungen oft nur eine Handvoll Ausleihen überstehen, bevor sie kaputtgehen. Also haben die Mitarbeiter vor zehn Jahren Kontakt mit Jenny Porzner aufgenommen. Mit dem Kofferraum voll kaputter Bücher ist die Handwerkerin regelmäßig von Erlangen nach Etzelskirchen gefahren und hat sie zuhause repariert. Inzwischen macht das die Bücherei selbst und Porzner bindet und foliert Notenbände. Sie ist die einzige selbstständige Buchbinderin in Höchstadt, Kollegen hat sie in Forchheim und Nürnberg.

Neben diesen Routine-Aufträgen fertigt die 56-Jährige besonders gerne Einzelstücke an. Ihr geht das Herz auf, wenn sie Erinnerungen dekorieren kann. Gerade hübscht sie ein altes Gebetsbuch auf, mit dem die Kundin das Gedenken an eine verstorbene Tante verknüpft. An den Einband für das Abschiedsbuch eines Lehrers, der in den Ruhestand ging, erinnert sie sich besonders gerne. Die Schüler hatten individuelle Seiten gestaltet und Porzner setzte sie entsprechend in Szene. „Das ist mir damals sehr gut gelungen.“ Eine elf Kilo schwere Lutherbibel hat Porzner ein Jahr lang Blatt für Blatt seziert, repariert und dann wieder neu zusammengesetzt. Herausgekommen ist ein Schmuckstück. Wenn sie solche Papierkunstwerke dann an die Kunden zurückgibt, fühlt sich das an wie ein kleiner Abschied. „Aber es ist schön zu sehen, wie sich die Leute freuen.“

Dieses Lächeln ist für sie auch ein Lohn, denn leben kann die dreifache Mutter von ihrem Handwerk nicht mehr. Es ist ein Zubrot.

Und eine Leidenschaft. Denn eigentlich hat Jenny Porzner Verkäuferin gelernt. Nach der Lehre entschied sie sich aber dafür, noch die Fachoberschule für Gestaltung zu besuchen.

Dann macht sie ein Praktikum in einer Buchbinderei und riecht den Duft von Papier. Es ist um sie geschehen. Mit 21 Jahren schmeißt Jenny Porzner die Schule und beginnt eine dreijährige Ausbildung in Nürnberg. Das Gesellenstück — ein Bucheinband mit selbst gemachtem Marmorpapier — liegt immer noch in einer Glasvitrine, die in der Werkstatt steht.

Aber es ist bei Weitem nicht das älteste Stück im Atelier. Neben historischen Büchern sind es vor allem alte Maschinen, die den Eindruck vermitteln, hier vergehe die Zeit ein wenig langsamer. Der gusseiserne Pappschneider, die große Presse und ein Rillgerät sind zusammen wohl locker über dreihundert Jahre alt. Die Buchbinderin hat sie gebraucht gekauft. Auch ein alter Prägnant steht in Jenny Porzners Werkstatt. Die bleiernen Schriftsätze dazu kosten mehrere hundert Euro und werden auf Bestellung extra hergestellt.

In Silber, Gold, Schwarz oder Weiß kann die Handwerkerin damit individuelle Schriftzüge prägen. Wer für sein Kind zum Beispiel zur Kommunion oder zur Konfirmation ein Gesangbuch künstlerisch mit Namen dekorieren lassen möchte, zahlt dafür acht Euro.

Und wenn gerade keine aktuellen Aufträge anstehen? Dann spielt Jenny Porzner in ihrer Werkstatt Saxophon. Vor knapp zwei Jahren hat sie angefangen, dieses Instrument zu lernen, und auch hier ist sie leidenschaftlich. Aber ganz kann sie die Finger

dann doch nicht vom Papier lassen. Sie faltet gerne Origami oder erfreut sich an „kleinen Basteleien“ wie sie es nennt: kreativ gestaltete Memory-Spiele, Geldgeschenk-Büchlein oder Kästchen.

 

Keine Kommentare