Jung und Alt leben unter einem Dach

2.3.2016, 14:56 Uhr
Jung und Alt leben unter einem Dach

© Foto: Liebfrauenhaus

„Hallo, wie geht‘s?“ Der junge Afghane Asif begrüßt den Rollstuhlfahrer Georg Süß mit einem Handschlag am Eingang des Alten- und Pflegeheims Liebfrauenhaus. „Gut“, erwidert der Rentner, „danke der Nachfrage.“ Die beiden Männer lachen sich an.

Georg Süß und Asif kennen sich mittlerweile gut, beide haben im Liebfrauenhaus eine neue Heimat gefunden. Schon seit März 2015 beherbergt die Einrichtung an der Erlanger Straße die Wohngruppe „St. Francis“ für neun minderjährige Flüchtlinge, vergangene Woche ist die zweite Gruppe „St. Josef“ eröffnet worden.

Die neun Minderjährigen, die nun im Erdgeschoss des Altenheims in der neuen Wohngemeinschaft leben, kennen sich bereits. Sie kommen alle aus einer Übergangsgruppe aus Baiersdorf. Dort wurden sie von Mitarbeitern des Jugendamts betreut.

Das Landratsamt Erlangen-Höchstadt wandte sich vor Weihnachten an die Stiftung Seraphisches Liebeswerk Altötting als Träger des Liebfrauenhauses in Herzogenaurach und bat um die Beherbergung und die weitere pädagogische Begleitung dieser Jugendlichen. Die Zusage aus Altötting erfolgte rasch, passt doch die heilpädagogische Begleitung mit therapeutischen Hilfen und Integrationsmaßnahmen genau zum Auftrag der Stiftung und wird seit Langem in den Jugendhilfegruppen im Liebfrauenhaus verwirklicht.

„Ich freue mich, dass die Jugendlichen gute Aussichten erhalten, sich erfolgreich in unsere Gesellschaft hier in unserem Landkreis integrieren zu können,“ zeigte sich Landrat Alexander Tritthart überzeugt von dem im Landkreis einzigartigen Konzept der Unterbringung junger Flüchtlinge mit mehreren Generationen unter einem Dach. „Die jungen Flüchtlinge merken wir kaum“, erzählt Georg Süß. Ein eigener Eingang schafft die nötige Privatsphäre für die jungen und alten Menschen im Haus. Aus den Gesprächen mit den Jugendlichen, die etwa aus Syrien oder auch aus Eritrea stammen, weiß der Altenheimbewohner, dass die jungen Menschen bis nachmittags die Schulen in Herzogenaurach oder in der Region besuchen und dann im Liebfrauenhaus ihre Hausaufgaben erledigen und Deutsch lernen. Asif nickt.

Das einzige Mädchen

Vor einem Jahr war der junge Mann aus Afghanistan nach seiner traumatischen Flucht schließlich im Liebfrauenhaus gelandet. Er besucht mittlerweile die Berufsschule in Fürth. „Um 6.20 Uhr in der Früh muss ich los“, erzählt Asif in gut verständlichem Deutsch. Derzeit absolviert er ein Praktikum in der Bäckerei Römmelt in Herzogenaurach. Die Arbeit gefalle ihm gut, so Asif. Zu der Erzählrunde gesellen sich die beiden Senioren Kunigunda Kreiner und Josef Kern sowie die junge Syrerin Rita. Diese Jugendliche ist derzeit das einzige Mädchen unter den 26 unbegleiteten Minderjährigen. Gemeinsam mit ihrem Bruder lebt sie in der Einrichtung und besucht die zehnte Klasse des Herzogenauracher Gymnasiums.

Insgesamt leben 46 deutsche und ausländische Kinder und Jugendliche in vier sozial- und heilpädagogischen Wohngruppen im Haus. „Alle benötigen eine intensive Betreuung und Förderung mit psychologischer Begleitung aufgrund von traumatischen Erfahrungen“, erklärt der pädagogische Leiter Oliver Reitz-Imhof das inklusorische Konzept der Kinder- und Jugendeinrichtung.

Hinzu kommen weitere Tagesgruppen in der Ganztagesschule und im Hort. Die Unterschiede der Kulturen spielten in der täglichen Erziehungsarbeit eine untergeordnete Rolle: „Ein heranwachsender Mann muss sich gegenüber seiner Erzieherin höflich benehmen — egal, ob er aus Deutschland oder einem anderen Kulturkreis stammt“, führt Pädagoge Reitz-Imhof als Beispiel für die geltenden Regeln im Haus an. Altenheimleiterin Irmgard Walz und der kaufmännische Leiter Klaus Müller freuen sich über die Begegnungen von Alt und Jung im Alltag. Bürgermeister German Hacker begrüßt dieses Miteinander ausdrücklich: Seine Oma lebt seit Jahren im Liebfrauenhaus.

„Ich komme selbst als Angehöriger regelmäßig in das Haus und kann die Bestrebungen, nun auch jungen Flüchtlingen ein Zusammenleben mit deutschen Jugendlichen und Senioren hier im Liebfrauenhaus zu ermöglichen, nur unterstützen.“

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