Kluges Nachhaltigkeits-Konzept wird exportiert

31.7.2016, 06:00 Uhr
Kluges Nachhaltigkeits-Konzept wird exportiert

© Berny Meyer

Den Begriff Sozialkaufhaus hört Michael Thiem nicht besonders gern. „Das klingt nach Bedürftigkeit“, sagt der Geschäftsführer der Laufer Mühle. Auf eine Abgabestelle für preisgünstige gebrauchte Waren will er die KreisLauf-Kaufhäuser keinesfalls reduziert sehen.

Dass sie in der Tat viel mehr sind, wird klar, sobald man das geräumige zweistöckige Gebäude in Höchstadt betritt, in dem die Erfolgsgeschichte vor 16 Jahren ihren Anfang nahm. Kein muffiger Geruch, keine vollgestopften Regale empfangen den Besucher, sondern eine freundliche, aufgeräumte Atmosphäre. Man spürt die Wertschätzung, die Menschen wie Dingen hier entgegengebracht wird.

„Dieses Umfeld gibt mir Halt“, sagt Dieter Frömter, der als Mitarbeiter der ersten Stunde vielen Höchstadtern als „Kaufhaus-Dieter“ ein Begriff ist. Obwohl er schon längst das Rentenalter erreicht hat, steht er jeden Tag auf seinem Posten, „wegen der Zufriedenheit“, wie er sagt. Häufig findet man ihn am Eingang an seinem Schreibtisch, wo er Kunden berät oder telefonisch Termine vereinbart, wenn Waren abgeholt werden müssen. Dann sind seine Erfahrung und sein Fingerspitzengefühl gefragt. Denn nicht alles, was kostenlos angeboten wird, lässt sich guten Gewissens wieder verkaufen.

„Wir bieten schon Qualität“, betont Dieter Frömter. Egal ob Kleidung, Elektrogeräte, Spiele oder Möbel – alles, was aus zweiter Hand im KreisLauf-Kaufhaus eintrifft, wird auf Herz und Nieren geprüft, gereinigt, falls nötig repariert und aufbereitet. In den Abteilungen kümmern sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KreisLauf-Kaufhauses um die Präsentation der Waren, die der eines Neuwaren-Kaufhauses nicht nachsteht.

Übersichtlich ist die Kleidung nach Größen sortiert, eine Schaufensterpuppe bringt ein fesches Dirndl zur Geltung. Im Moment hängt Sommerliches an den Kleiderständern – die Wintersachen warten im Lager auf den Saisonwechsel. In schmucken Vitrinen blitzen Gläsersets und Porzellan. Durchaus nicht nur Kunden mit schmalem Geldbeutel kommen deshalb gerne ins KreisLauf-Kaufhaus, sondern auch Schnäppchenjäger. Es hat sich herumgesprochen, dass man hier so manche Rarität finden kann.

Wiederverwenden statt wegwerfen – das ist für Michael Thiem „echte Nachhaltigkeit“. Noch wichtiger ist ihm jedoch, dass das KreisLauf-Kaufhaus seinen Beschäftigten die Möglichkeit bietet, nach dem Weg aus der Sucht oder der Langzeitarbeitslosigkeit in ein erfülltes Leben zurückzukehren. Zu diesem Zweck wurden die Sozialen Betriebe der Laufer Mühle im Jahr 2000 ins Leben gerufen.

Aus seiner damals zehnjährigen Erfahrung mit der Therapieeinrichtung Laufer Mühle hatte Michael Thiem den Schluss gezogen, dass es nicht ausreicht, Menschen aus der Sucht herauszuhelfen – sie müssen auch eine Perspektive für die Zukunft bekommen.

„Kaufhaus-Dieter“ kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Ein persönlicher Schicksalsschlag hat ihn in die Sucht, eine erfolgreiche Therapie wieder heraus geführt. Doch erst der Arbeitsplatz im KreisLauf-Kaufhaus, das dortige suchtfreie Umfeld mit starkem Zusammengehörigkeitsgefühl und familiärer Atmosphäre hat ihm sein Leben zurückgegeben. „Ich bin hier menschlich ganz anders geworden“, sagt er heute mit Stolz. Als Integrationsprojekt führt das KreisLauf-Kaufhaus die verschiedensten Menschen zusammen. Langzeitarbeitslose, ehemalige Suchtkranke, Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge – sie alle sind Teil eines großen Teams. „Bis in einer so bunt zusammengewürfelten Gruppe Toleranz und gegenseitiges Verständnis wachsen, braucht es zwar Zeit, doch es funktioniert“, hat Swenja Ott beobachtet.

Ott hat den LebensMittelPunkt in Höchstadt aufgebaut, der auch zu den Sozialen Betrieben der Laufer Mühle gehört, und kümmert sich um das Höchstadter KreisLauf-Kaufhaus. In Neustadt, wo Anfang November das fünfte KreisLauf-Kaufhaus eröffnet wird, soll sie die Projektleitung übernehmen.

Der Schritt in den Nachbarlandkreis lag nahe. Die intensive Vernetzung der Laufer Mühle mit Jobcentern, Institutionen und Unternehmen reicht weit in die Region; schon jetzt beschäftigen die Sozialen Betriebe der Laufer Mühle Mitarbeiter aus dem Landkreis Neustadt Aisch/Bad Windsheim. Diese könnten künftig in dem rund 900 Quadratmeter großen ehemaligen Teppichgeschäft in der Neustädter Wilhelmstraße arbeiten, direkt in der Innenstadt.

Die vorteilhafte Lage verschafft dem Projekt die besten Voraussetzungen, eine Grundbedingung des KreisLauf-Kaufhaus-Konzepts zu erfüllen: Es muss sich selbst tragen. „Wir wollen unabhängig sein und müssen deshalb verantwortlich wirtschaften“, bringt es Michael Thiem auf den Punkt. Das Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ beinhalte, unabhängig von Förderungen und öffentlichen Geldern zu bleiben und nicht auf Sand zu bauen.

Michael Thiem und Swenja Ott freuen sich über das rege Interesse, das das Vorhaben in Neustadt und Umgebung bereits entfacht hat, und hoffen, dass das Neustädter KreisLauf-Kaufhaus ab November ebenso lebhaft genutzt werden wird. Nicht nur als günstige Einkaufsmöglichkeit, sondern auch als Treffpunkt.

Schließlich darf eine Kaffee-Ecke, in der man sich ungezwungen zu einem Schwätzchen niederlassen kann, in keinem Betrieb der Laufer Mühle fehlen. Insofern wird das Neustädter Projekt doch ein Sozial-Kaufhaus – im besten Sinn des Wortes.

Keine Kommentare