Kriegsende im April: Eine Stadt im Ausnahmezustand

16.4.2015, 06:00 Uhr
Kriegsende im April: Eine Stadt im Ausnahmezustand

© F.: National Archives

Kriegsende im April: Eine Stadt im Ausnahmezustand

Der gefürchtete militärische und ideologische Feind kam am Morgen des 16. April 1945, nach Aussagen von Zeitzeugen zwischen 8 und 9 Uhr.

Und zwar aus Westen, weshalb die Sprengung der beiden großen Aurachtalübergänge in der Nacht zuvor völlig sinnlos war und hinsichtlich der Eisenbahnbrücke besonders ärgerlich, da man sie erst 1941, nach der Hochwasserkatastrophe, aufwändig renoviert hatte.

Was sich an diesem Montagmorgen wirklich ereignete, als Einheiten der 7. US-Armee vorsichtig ins Städtchen einrollten, wissen wir nur im Groben, weil (im Gegensatz z.B. zum nahen Neustadt an der Aisch) Fotos fehlen und weil sich die Berichte der Augenzeugen nicht immer decken.

Unumstritten ist, dass Herzogenaurachs Bevölkerung mit dem Hissen weißer Tücher auf die bedingungslose Kapitulation hinweisen wollte, sodass sie zunächst tatsächlich kampflos erfolgte. Wer freilich für diese glückliche Wendung hauptverantwortlich zeichnete, kann nicht mit absoluter Gewissheit gesagt werden.

Neben Verhandlungsführer Valentin Fröhlich scheinen zwei Personen eine wichtige Rolle bei der entscheidenden Kontaktaufnahme gespielt zu haben, nämlich Elisabeth Fritz (spätere Frau Christgau) und Herbert Kuno.

Während wir aus einer Art „Tagebuch-Quelle“ erfahren, wie der von der Volkssturmaktion erst in der Nacht zurückgekehrte SA-Führer Kuno als „Weg-Begleiter“ der amerikanischen Soldaten die ängstlichen Herzogenauracher zu beruhigen versuchte, schildert uns ein zweites Dokument die mutige Tat der damals 35-jährigen Frau, die sich auf ein Panzerfahrzeug setzte und beschwichtigend auf den Fahrer einredete, dass er und seine Kampfgefährten in der Stadt nichts zu befürchten hätten.

Die Geschichte, wie sie frühmorgens beim Milch holen von ihrem Onkel und Fröhlich „abgefangen“ wurde, um als Dolmetscherin (sie lebte etliche Jahre in New York!) zu vermitteln, hat die „Amerikaner-Liesl“ – so der nicht immer wohlmeinende Spitzname bei Alt-Herzogenaurachern – zu ihren Lebzeiten glaubwürdig erzählt.

Während in Erlangen am selben Tag der verantwortliche Kampfkommandant der Stadt, Oberstleutnant W. Lorleberg, in letzter Minute das amerikanische Ultimatum der friedlichen Übergabe zwar akzeptierte, aber dabei sein Leben opferte, konnte die Kapitulation des Aurachstädtchens ohne Blutvergießen abgewickelt werden. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die „Hardliner“ der hiesigen NSDAP vorher abgesetzt hatten und weil darüber hinaus der Fliegerhorst auf Befehl des Standortchefs, Major von Platen, bereits geräumt war.

Doch am Abend dieses 16. April 1945 feuerten plötzlich SS-Einheiten, die sich in Richtung Nürnberg bewegten, um den Verteidigungskampf der Stadt der Reichsparteitage zu unterstützen, von einem Wäldchen bei Hauptendorf aus auf die US-Soldaten, die das Reservelazarett im Liebfrauenhaus an der Erlanger Straße inspizierten. Dabei wurde eine Frau getötet, eine andere verletzt. Die GIs schossen zurück und setzten dabei Teile der Anwesen Galgenhof und Heinrichsmühle in Brand.

Außerdem wurden die Bewohner der östlichen Vorstadt evakuiert, beispielsweise mussten die Siebers aus der Eichelmühlgasse - nur mit dem Nötigsten ausgestattet - Verwandte in der Gartenstraße aufsuchen.

Am 20. April gab es nochmals eine unliebsame Aufregung, weil einige Verwundete jenes Reservelazaretts „Führers Geburtstag“ mit Bild, Blümchen und Liedern feierten. Die Unverbesserlichen wurden sofort in ein Lager abtransportiert. Wie nicht anders zu erwarten, regierten die Sieger mithilfe des Ausnahmezustandes, der eine Ausgangssperre vorschrieb, zunächst von 18 Uhr bis 8 Uhr, und der sie berechtigte, mithilfe umfassender Hausdurchsuchungen besonders Waffen, aber auch NS-Utensilien und Fotoapparate zu konfiszieren. Darüber hinaus mussten Wohnungen, Gasthäuser (Volkshaus, Krone) oder Teile der Weiler-Fabrik geräumt werden, um den Ansprüchen der Besatzer einigermaßen gerecht zu werden.

Auch das Areal des Fliegerhorsts wurde sehr bald unter amerikanische Kontrolle gestellt, nachdem am 15. April, unmittelbar nach dem Abzug der deutschen Truppen, umtriebige Einwohner aus Herzogenaurach, Haundorf oder Beutelsdorf alles, was nicht niet- und nagelfest war, herausgekarrt hatten. Neben Mobiliar und Geschirr wechselte damals sogar ein Klavier den Besitzer.

Während die Menschen der nahen Noris noch einige Tage um ihr Leben bangten und das KZ Dachau weitere zwei Wochen auf die Befreiung warten musste, begann man im besetzten Herzogenaurach bereits mit der Organisation des Alltags.

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