Marode Leitung im Dschungel

12.4.2014, 16:29 Uhr
Marode Leitung im Dschungel

© privat

Der Horizont flimmert, die Luft steht, die Hitze drückt. 30 Kilometer nördlich von Kathmandu, in Lurpung, ist es brütend heiß. Es ist 5 Uhr morgens, Johannes Bechstein, Student aus Höchstadt, döst noch. Doch im Dorf tut sich schon etwas.

Nach und nach kommen Frauen aus den Lehm- und Backsteinhäusern. Sie tragen Krüge, Eimer, Kanister und Becher. Ihr Ziel ist dasselbe: Der große Wasserbehälter am Rand des Dorfes. Morgen für Morgen pilgern sie dort in Scharen hin. Holen Wasser zum Waschen, Trinken, zum Kochen und für das Vieh. Mal reicht es, mal wird es knapp.

Die Leitung, die über elf Kilometer das Wasser aus den Bergen nach Lurpung bringt, ist alt und marode. An einigen Stellen sickert Wasser heraus, an anderen sprudelt es geradezu. Schäden an der Leitung werden provisorische repariert — manchmal wickeln die Dorfbewohner einfach eine Plastiktüte herum, manchmal ein Stück Fahrradreifen. „Für europäische Standards ist das unvorstellbar“, steht für Bechstein fest.

Die Wasserleitung ist Thema seiner Masterarbeit. Mit seinem Kommilitonen Ralf Brünkmann ist der 27-jährige Höchstadter nach Nepal geflogen (wir berichteten), um die Leitung zu vermessen, zu untersuchen und an einigen Stellen zu reparieren. Mit Macheten haben sich die angehenden Ingenieure ihren Weg entlang der Leitung durch den Dschungel gebahnt. Haben zusammen mit Ziegen auf dem Boden geschlafen, mussten ohne den Komfort leben, der hierzulande gar nicht in Frage gestellt wird.

Kein fließendes Wasser, keine Dusche, keine Toiletten. „Wie im Mittelalter“, sagt Brünkmann. Sechs Wochen verbrachten die beiden in dem Bergdorf.

Eine Reise, die sie nicht nur im Studium voranbringt. „Der Aufenthalt hat uns auf den Boden geholt“, findet Brünkmann. Die absolute Armut in Nepal, das einfache Leben auf dem Bergdorf, das Ackern auf den Feldern und die Anstrengungen, an Wasser zu gelangen, haben ihn schockiert. „Obwohl die Leute nichts haben, sind sie wahnsinnig gastfreundlich und großzügig.“ Zurück in Deutschland drehte er beinahe andächtig einen Wasserhahn auf. „Warmes, fließendes Wasser zu haben ist echt das Beste“, sagt er.

Die Forschung, die die beiden betreiben, soll der Nepal-Hilfe Biberach Erkenntnisse bringen. Diese engagiert sich immer wieder in dem Bergdorf, hat dort etwa eine Schule errichtet und will langfristig das Wasserleitungssystem verbessern.

Doch um die Krux der Entwicklungshilfe wissen die beiden Bescheid. „Das Problem ist, dass sich die Nepalesen oft selbst nicht verantwortlich fühlen“, erzählt Bechstein. So dachten sie etwa: Die Ingenieure aus Deutschland werden die Probleme mit der Wasserleitung schon lösen. „Zwar können wir das Equipment schon stellen, aber kümmern sollten sich die Menschen selbst — sonst ist nach kurzer Zeit wieder alles kaputt“, sagt Bechstein.

Mit der Schadensanalyse der Wasserleitung ist ihre Reise noch längst nicht zu Ende. Spätestens 2015 wollen sie noch einmal nach Lurpung. Die Leistung der Leitung könnte verbessert werden. Die 10000 Liter, die der große Wasserbehälter am Rande des Dorfes umfasst, reichen in den trockenen Sommermonaten nicht.

1200 Höhenmeter müssen die Frauen aus dem Dorf dann hinabsteigen, um aus Bächen Wasser zu schöpfen — eine körperlich anstrengende und zeitraubende Arbeit, die meistens an den Frauen hängen bleibt. Das Gros lebt in Kathmandu, um dort Geld zu verdienen. „Es könnte noch einiges besser werden“, steht für Bechstein fest. Die Reparaturen an der Leitung, die er vorgenommen hat — das Equipment war von der Firma Hawle gesponsert — sind nur ein kleiner Beitrag.

Wer spenden will, kann das bei der Nepal-Hilfe Biberach: Konto Himalaya Projekt, Kreissparkasse Biberach, Kontonr.: 7058189, BLZ 65450070

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