Mit Schusswaffen durch Vestenbergsgreuth marschiert

22.3.2018, 06:00 Uhr
Mit Schusswaffen durch Vestenbergsgreuth marschiert

© Foto: Oliver Killig/dpa

Beide Männer sind vermummt. Der eine trägt eine Schusswaffe vor dem Körper, der andere im Halfter. So spazieren ein 28-Jähriger aus Vestenbergsgreuth und ein 19-Jähriger aus Aurachtal in Militärkleidung am 29. Dezember 2017 durch die Idylle von Pretzdorf und Kleinweisach, zwei kleine Ortsteile von Vestenbersgreuth.

Als sie auf der Straße weiterlaufen in Richtung Burgweisach, überholt ein Auto die beiden und hält kurz vorm Ortseingang an. Darin sitzt Thomas Gamm, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Höchstadt mit einem Kollegen. Die Beamten sind in Zivil unterwegs. "Ich hatte die geladene Maschinenpistole im Fußraum liegen", beschreibt der Polizist die Situation. "Mir war natürlich äußerst mulmig zumute", sagt er. Trotzdem entscheidet er sich in dem Moment, die Waffe liegen zulassen.

Er steigt aus und geht auf die bewaffneten Männer zu. Seine Dienstpistole hat er gezogen, sagt er, aber nicht auf die Unbekannten gerichtet. "Ich wollte erst mal herausfinden, was mit ihnen los ist." Deswegen habe er die Bewaffneten angesprochen und sich als Polizist zu erkennen gegeben. Kurz darauf kommt ein Streifenwagen hinzu. Die Beamten, die aussteigen, tragen Maschinenpistolen und schwere schusssichere Westen. "Erst da wussten wir, was los ist", sagt der ältere Angeklagte vor Gericht. Sein Freund und er hätten sich dann umstandslos durchsuchen lassen, die Waffen abgegeben.

Schutz gegen tollwütige Tiere

"Das war auch ein großes Glück", sagt Thomas Gamm. "Wenn einer noch mit der Waffe herumgefuchtelt hätte, weiß ich nicht was passiert wäre." Zum Einsatzzeitpunkt weiß keiner der Polizisten, dass die Männer in Militärkleidung keine scharfen Waffen tragen, sondern eine Schreckschusspistole und ein Luftdruckgewehr. Sie waren geladen, aber nicht entsichert.

"Wir hatten die dabei, um uns gegen tollwütige Tiere zu schützen", erklärt der jüngere Angeklagte. Schließlich habe er mit seinem Freund eine Querfeldeinwanderung gemacht. Am 28. Dezember gegen 22 Uhr waren die Männer aufgebrochen, um von Burgweisach nach Scheinfeld und zurück zu laufen. Morgens um 6 Uhr am Folgetag wollten sie zurück sein. Neben den Schusswaffen gegen streunende Hunde, oder sogar Wölfe wie ein Verteidiger meint, hatten sie zwei Einhand-Messer im Rucksack. "Die hatten wir dabei, damit wir ein Feuer machen können, falls jemand in Not gerät", so die Erklärung.

Überhaupt: die Kälte. Sie dient dem Jüngeren auch als Erklärung für seine Vermummung. "Wir waren völlig durchgefroren." Deshalb habe er zusätzlich zur Mütze auf dem Kopf den Schal über die Nase gezogen. Es sei auch nicht geplant gewesen, überhaupt durch Ortschaften zu laufen, betonen beide. "Unsere Akkus waren einfach leer, wir hatten unsere Energien unterschätzt", deswegen seien sie am Vormittag auf die Straße ausgewichen. Eigentlich hätten sie da schon längst wieder zuhause sein wollen. Es ist 10 Uhr, als die Polizei sie stoppt.

"Dummer Fehler"

"Es tut uns leid, dass wir die Bewohner in den Ortschaften erschreckt haben", sagen beide. "Es war ein dummer Fehler." Der Ältere meint, es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er für das Führen der Waffen einen Schein gebraucht hätte. Auch der Jüngere gibt sich unwissend. Er sei doch einfach nur seinem Hobby nachgegangen.

Der Staatsanwalt wertet das Geständnis der beiden vor Gericht dann schon zu ihren Gunsten, vermisst aber die Einsicht. Er fordert deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen. Als der Verteidiger des 19-Jährigen, Stefan Böhmer, dann plädiert, wird es skurril im Gerichtssaal: In Deutschland herrsche eine Hysterie im Umgang mit Waffen. Die Bevölkerung sei seit Abschaffung der Wehrpflicht "entwöhnt von ihrer Armee". Sein Mandant habe maximal einen Formfehler begangen.

Schließlich hätte er als Sportschütze "ohne Wimperzucken" einen kleinen Waffenschein für die Schreckschusspistole bekommen können. Böhmer plädiert dafür, es bei einer Verwarnung zu belassen.

Damit überzeugt er Richter Christian Kretschmar allerdings nicht. Vielmehr rügt der Jurist den Anwalt, im Plädoyer habe wohl eher sein ideologisches Sendungsbewusstsein durchgeschlagen.

Die Angeklagten seien "keine Wandervögel, die sich in der Natur vergnügten". Vielmehr hätten sie es auf "einen martialischen, paramilitärischen Auftritt" angelegt. Er verhängt gegen beide eine Geldstrafe wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe von 100 Tagessätzen, abgestuft nach den Einkommensverhältnissen der Azubis - einmal à 25 und einmal à 20 Euro.