Netzwerker und Grenzgänger hinter den Kulissen

30.6.2015, 16:13 Uhr
Netzwerker und Grenzgänger hinter den Kulissen

© Foto: Daniel Kardos

Netzwerker und Grenzgänger hinter den Kulissen

© Foto: Daniel Kardos

Am 20. Juni wurde Widmann 75. Puma, wo Widmann ab 1990 als Vize-Präsident arbeitete und bis heute jeden Vormittag ab 8 Uhr in seinem Büro anzutreffen ist, gab ihm am Montagabend eine Party ganz in seinem Stil: nicht üppig und nicht öffentlich.

Wechselt der Mitarbeiter eines großen Unternehmens zur unmittelbaren Konkurrenz, handelt es sich im 21. Jahrhundert um einen natürlichen Vorgang. Im Jahr 1990 und überdies bei den Konkurrenten adidas und Puma, glich es allerdings einem Skandal und war zumindest eine Sensation, als Horst Widmann die Fronten wechselte und sich mit 20 weiteren adidas-Mitarbeitern Puma und dessen damaligem Chef Hans Woitschätzke anschloss.

Dabei war der heute 75-jährige gelernte Kaufmann bereits bei adidas eine Institution gewesen. Bei der Spielwarenfirma Schuco hatte sich der gebürtige Nürnberger bis zum Entwicklungschef hochgedient. Als leidenschaftlicher Fußballer — einst in der Süddeutschland-Auswahl — schrieb er nebenbei für das Fachorgan „kicker“ und lernte so Adi Dassler kennen — im Trainingslager der Nationalmannschaft, wie es in Ralf Peters 2007 erschienener „Puma Story“ nachzulesen ist. Dassler diskutierte am Rand des Trainingsplatzes mit Wolfgang Overath über dessen gebrochenen Schuh-Stollen. Schuco-Kunststoffmann Widmann mischte sich ein und versuchte dem Herzogenauracher Schuh-Tüftler zu erläutern, wie man die Verbindung zwischen Schuh und Stollen verbessern könne.

Das hatte Folgen, denn Dassler rief Widmann wenig später an und machte ihn mit einem unwiderstehlichen Angebot zu seinem persönlichen Assistenten. Verantwortlich für die Entwicklung, wurde Widmann aber auch Teil des Systems, mit dem der Dreistreifen-Konzern den Weltsport und seine Organisationen beherrschte: Zahlungen an Athleten, damals meist in bar aus dem Koffer, Ausrüster-Verträge mit jungen Sportlern, die später auch als Funktionäre Spitzenpositionen einnahmen und Teil eines Netzwerks von Gewogenen wurden — von Franz Beckenbauer über Michel Platini und Thomas Bach bis zu Sepp Blatter, bis heute persönlicher Freund Widmanns.

Nach dem Tod von Adi Dassler 1979 und dem von Horst Dassler war es 1990 zu Ende mit dem Familienunternehmen adidas. Der schillernde Franzose Bernard Tapie kaufte die Firma und setzte den Schweizer Rene C. Jäggi als Statthalter ein. Der wollte mehr Marketing als Entwicklung, und Horst Widmann hatte keine Lust mehr. Er bat um vorzeitige Vertragsauflösung und bekam sie.

Mit dem Seitenwechsel wanderte damals auch eine geballte Ladung Insiderwissen und unschätzbarer Kontakte ans Nordufer der Aurach zu Puma. Widmann kannte alle Tricks in dem Konkurrenzkampf, den man auch „Sportmarketing“ nennt — und wer, außer ihm, konnte zum Beispiel wissen, dass sich die angeblich so feindlichen Brüder Adi und Rudolf Dassler einmal im Jahr im Nürnberger Grand Hotel zur Aussprache trafen? Nur er: Er fuhr seinen Chef stets hin.

Für seinen neuen Arbeitgeber Puma setzte sich Widmann hinfort genauso ein wie für den alten. „Alte Schule“ nennen sie bei Puma diese Art zu managen diplomatisch.

So widmete sich Widmann, der vor allem für das internationale Sportmarketing zuständig war, vor allem den osteuropäischen und afrikanischen Fußballverbänden. Neben einer intensiven Verbindung zum tschechischen Verband, pflegte er viele Kontakte nach Afrika. Dort half er beim Aufbau des afrikanischen Profi-Fußballs, der stets von Widmanns herausragendem Netzwerk profitierte.

Bekannte Trainer

Dass einige bekannte deutsche Trainer wie Winfried Schäfer oder Volker Finke ihren Weg zu den afrikanischen Teams fanden, lag nicht zuletzt an Widmann, der unzählige Namen und Adressen — auch heute noch in einem antiken Notizbuch und in keinem Rechner gespeichert — intelligent einzusetzen wusste. Nicht umsonst wurde in Kamerun eine Fußballschule nach dem Puma-Manager benannt.

Doch auch national engagierte sich Widmann, der auch heute noch beratende Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens übernimmt, unter anderem beim Sportartikelverband „Fesi“ sowie im Aufsichtsrat von Europas größtem Kunstrasenplatz-Hersteller „Politan“.

In Höchstform lief der 75-Jährige bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land auf. Neben der professionellen Betreuung aller afrikanischen Teilnehmer mit Puma-Vertrag, hat er im Rahmen der Imagekampagne vor der WM auch den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder in die Puma-Zentrale an der Würzburger Straße gelockt.

Keine Kommentare