Neue Hüfte kommt „druckfrisch“

7.10.2016, 05:54 Uhr
Neue Hüfte kommt „druckfrisch“

© Foto: Rainer Groh

Neue Hüfte kommt „druckfrisch“

© Foto: Reinhard Schröder/FIT AG

Auf Susanne Kuhners Bildschirm dreht sich das Abbild eines Hüftskeletts. Es ist das dreidimensionale „Röntgenbild“ aus dem Computertomografen. Der Patient soll ein künstliches Hüftgelenk nach Maß bekommen. Aufgabe der Konstrukteurin Kuhner ist es zunächst, das CT-Bild in Konstruktionsdaten zu übersetzen.

Der Fall ist nicht einfach, das Gelenk muss individuell angefertigt werden und ist genau deswegen ein Fall für die Weisendorfer. Das vergleichsweise kleine Medizintechnik-Unternehmen fertigt Implantate nicht für den Massenbedarf. Beim überwiegenden Teil der jährlich insgesamt 220 000 Hüftoperationen in Deutschland werden Standard-Implantate überwiegend von US-Firmen eingesetzt. So Reinhard Schröder, der technische Betriebsleiter bei Brehm.

Maßanfertigung ist Stärke

Das, so Schröder, ist eine Dimension, in der die Peter Brehm GmbH nicht mitspielen kann. Brehm sehe seine Stärke in der Individualisierung, etwa bei Wechsel-Operationen, wenn die erste oder zweite Prothese ihre Lebensdauer überschritten hat und sich auch die Knochen des Patienten so verändern, dass eine „Maßanfertigung“ unumgänglich wird. Immerhin gibt es laut Schröder etwa 20 000 Wechseloperationen pro Jahr mit teilweise solcher schwieriger Fälle, und für diese fertigt das Weisendorfer Unternehmen seine Produkte.

Bei individuellen Implantaten hat ein Verfahren wie 3-D-Druck seine Vorzüge: Der Drucker kann geometrisch praktisch alles, jede beliebige Form ist machbar, der Druck dauert nicht länger als 12 Stunden, es geht also „über Nacht“. Die Firma Brehm nutzt diese Vorteile, allerdings nicht mit eigenen Geräten, sondern in Zusammenarbeit mit 3D Druckspezialisten für Metall, z. B.  einem Unternehmen in Parsberg. Dort entsteht aus Titan, was Susanne Kuhner in Zusammenarbeit mit dem Chirurgen konstruiert hat.

Das Verfahren funktioniert in Metall wie in Kunststoff auch: Feinstes Titanpulver wird in hauchdünnen Schichten auf die Arbeitsfläche aufgebracht. Dann bringt ein Elektronenstrahl die Körnchen genau dort dazu, miteinander zu verschmelzen, wo es die Computerdaten vorgeben. Schicht für Schicht wird so gedruckt, bis die Maß-Prothese — nein, nicht fertig ist.

Kein gedrucktes Implantat geht ohne Nachbearbeitung aus dem Haus, so Reinhard Schröder. Und die Nachbehandlung erfolgt „spanend“, sprich an bewährten, hochpräzisen Werkzeugmaschinen. Grund ist die erforderliche Maßgenauigkeit: Die Prothese muss passgenau sitzen, vor allem müssen die Verbindungsstellen ihrer Einzelteile ohne Spiel zusammenpassen. In dieser Genauigkeit ist das klassische Verfahren weit überlegen. Arbeitet der Drucker auf den Zehntelmillimeter genau, so Reinhard Schröder, gehört eine Genauigkeit auf den Tausendstelmillimeter bei Brehm zum Standard.

Von den Gewinden ganz zu schweigen. Die Implantate werden auch mit Schrauben befestigt, wie etwa die künstliche Hüftgelenkspfanne am Beckenknochen. Gewinde drucken, das gehe nicht, jedenfalls nicht in der für solche Erzeugnisse notwendigen Qualität.

Die Nachbearbeitung, die Prüfungsverfahren, die Abstimmung mit dem Arzt, der zur Vorbereitung für die Operation auch ein — gedrucktes — Modell aus Kunststoff gefertigt bekommt, all dies macht es aus, dass von der „Bestellung“ des individuellen Implantats bis zur Operation gewöhnlich vier Wochen Vorarbeiten nötig sind, obwohl der Digitaldruck selbst praktisch über Nacht passiert.

Auch deshalb, fasst Reinhard Schröder zusammen, ist die digitale Herstellung im 3-D-Drucker für Prothesen ein Verfahren der Zukunft, aber nicht das Verfahren der Zukunft.

Anders indes bei Füllstoffen, die man braucht, um Knochen-Defekte so auszugleichen, dass ein Implantat sicher befestigt werden kann. Bei deren Produktion, so Schröder, „geht es in Richtung Druck.“

Und in den Weisendorfer Produktionsräumen finden sich auch genau solche Werkstücke aus Titan mit einer besonderen, gitterartigen Oberfläche. Zwischenstücke zum Ausgleichen, mit deren Gitter-Oberfläche der aufnehmende Knochen besonders gut zusammenwachsen kann. So etwas sei eine echte Errungenschaft des Druckverfahrens, „das kriegt man herkömmlich nicht hin.“

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