Nur Lug und Trug

27.8.2015, 17:55 Uhr
Nur Lug und Trug

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Wenn man der Anklageschrift und den Zeugenaussagen lauscht, schlackern einem die Ohren. Ein „unglaubliches Lügengebilde“ habe die Angeklagte gestrickt, mit einer „hohen kriminellen Energie und Fantasie“ sei sie vorgegangen, sagt Richter Wolfgang Gallasch bei der Urteilsverkündung. Trotzdem verlässt die 34-jährige Leipzigerin den Gerichtssaal an diesem Nachmittag als freie Frau; ihre Gefängnisstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Vorgeführt wird die junge Frau noch in Handschellen, geradewegs aus der Untersuchungshaft, wo sie seit rund drei Monaten sitzt. Ein Jahr lang hat sie einen 35-jährigen Siemens-Ingenieur ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Und hatte zum Zeitpunkt ihrer Festnahme bereits das nächste Opfer am Haken.

Kennengelernt haben sich die Angeklagte und der 35-jährige Zeuge im April 2014 im Internet. Gleich beim ersten Treffen habe es bei ihm „gefunkt“, erzählt er; und sie machte ihm das gleiche weis — obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war und erst jetzt geschieden ist. Maria M. nannte sich die 34-Jährige, und als der Ingenieur ihren richtigen Namen herausfand, behauptete sie, sie sei im Zeugenschutzprogramm. Zahlreiche solcher haarsträubenden Geschichten tischte die Angeklagte dem Geschädigten auf: Sie arbeite bei der Steuerfahndung, besitze ein großes Vermögen, habe eine Villa auf Sizilien, leide an einem Lungentumor. Oft untermauerte sie ihre Lügen sogar. So konnte sie beispielsweise bei einer vorgetäuschten Schwangerschaft einen Mutterpass vorweisen. „Mir ist da schon einiges komisch vorgekommen, aber sie hatte mir ja zunächst nichts Böses getan“, sagt der Ingenieur.

Wegen „akuter Geldnot“ erbat sie dann jedoch von ihrem Freund 4600 Euro, die er ihr in gutem Glauben lieh. Sie jedoch habe nie vorgehabt, das Geld zurück zu zahlen, wirft der Staatsanwalt der Leipzigerin vor. Weiterhin beschaffte sie sich die Kontodaten des 35-Jährigen, beantragte auf dessen Namen einen Kredit und verwendet das Geld für sich selbst.

Auf ihr Drängen hin zogen die beiden Anfang 2015 sogar in eine gemeinsame Wohnung in Herzogenaurach, für einen Mietpreis von 1220 Euro im Monat. Ihre Hälfte blieb sie freilich schuldig. Und dann legte die junge Frau erst richtig los. Sie bestellte im Internet Waren bei Amazon, Otto und vielen anderen Firmen — auf seinen Namen oder auf diverse erfundene Namen — und ließ sich alles in die gemeinsame Wohnung liefern. Die Rechnungen fing sie ab und versteckte sie; natürlich ohne irgendetwas zu bezahlen.

Erst als der Geschädigte diese Rechnungen fand und ihm alles immer dubioser vorkam, ging er zur Polizei, und die Betrügereien flogen auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte die 34-Jährige bereits mit einem Schaeffler-Ingenieur angebandelt. „Wenn eine Milchkuh leer ist, zapft man die nächste an“, sagt der Richter lakonisch. Doch so weit kam es nicht. Jetzt muss sich die junge Frau vor Gericht wegen Betruges in 66 Fällen verantworten, der Gesamtschaden liegt bei 19 500 Euro. Hinzu kommt eine Anklage des Amtsgerichtes Amberg mit drei weiteren Betrugsfällen, bei denen die Angeklagte Waren über die Internetplattform Ebay verkauft, das Geld eingestrichen, die Waren jedoch nie verschickt hat.

Vor Gericht wirkt die 34-Jährige — die auch schon einschlägig vorbestraft ist — sichtlich geknickt. „Ich weiß nicht, wie es weitergegangen wäre“, sagt sie auf Nachfrage von Gallasch. „Ich dachte mir schon, dass ich irgendwann mal ins Gefängnis muss.“ Die Zeit in Untersuchungshaft jedenfalls scheint eine heilsame Wirkung gehabt zu haben. Über ihren Verteidiger gesteht sie alle ihr zur Last gelegten Vergehen. Was sie übrigens auch sofort nach Festnahme vor dem Ermittlungsrichter getan hat. Das rechnet ihr Wolfgang Gallasch hoch an, denn „ein so umfassendes Geständnis ist eher atypisch für Betrüger.“ Auch die Entschuldigung in Richtung des Geschädigten wertet der Richter positiv, ebenso die Aussage der Angeklagten, sie wolle sich Hilfe holen — etwa durch eine Sozialbetreuung oder eine Psychotherapie. Und obwohl der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten fordert, bleibt Gallasch bei zwei Jahren, um die Strafe gerade noch zur Bewährung aussetzen zu können. Allerdings sagt er: „Ich bin sicher, dass Sie die Strafe doch noch verbüßen müssen. Enttäuschen Sie mich!“ Denn die Bewährungszeit setzt Gallasch auf fünf Jahre fest. In dieser Zeit darf sich die 34-Jährige rein gar nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Zudem muss sie 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und jeden Wohnortwechsel sofort melden. „Ich bin großzügig bei Bewährung, aber kleinlich beim Widerruf“, mahnt der Richter abschließend.

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