Open Beatz 2016: Abtanzen bei Poppenhof

24.7.2016, 17:45 Uhr
Open Beatz 2016: Abtanzen bei Poppenhof

© Fotos: Michael Müller



Für dieses Jahr haben die Veranstalter das bewährte Konzept von hochkarätigen Künstlern plus entspannter Party weiter ausgebaut: Insgesamt drei Open Air Bühnen plus zwei Zeltbühnen knallen täglich ab 12 Uhr die gesamte Bandbreite elektronischer Musik um die Ohren und in die Bauchfelle des jugendlichen Publikums. Denn auch wenn - der übrigens 19jährige - Yannick aus Neustadt voll des Lobes darüber ist, dass das Publikum altersmäßig so gut durchmischt ist und auch alte Leute voll integriert werden: wer jenseits der 30 ist, fällt auf. Nicht negativ. Aber deutlich.

Auffallen ist ansonsten schwierig beim einem Besucherklientel, das „jung, schön, knappbekleidet“ als Basic trägt und Extravaganz zur Uniform erklärt. Man trägt Stoffturnschuhe, Hotpants, bauchfreie Shirts, Turnbeutel mit Aufschrift, Sonnenbrille, wallende Mähne und Blumenhaarbänder - in der männlichen Version Stoffturnschuhe, knielange Hosen, kein Shirt, Sonnenbrille und Gelfrisur. Wer kein Tattoo hat, malt sich eins. Katzenmasken, Ganzkörperhaikostüme (mit permanentem „dich fresse ich auch noch“-Gebrüll), Indianerkopfschmuck und riesige Aufblastiere verschwimmen zum amüsanten optischen Hintergrundrauschen. „Wir sind ein sehr junges Festival“, erklärt Pressesprecher Tobias Stoffels. „Ab 16 darf man aufs Festival, aber unsere Kernzielgruppe ist 18 bis 22 Jahre alt.“ Und die kamen in Massen, das Festival war zu 98 Prozent ausverkauft, 15 000 davon laut Veranstalter mit Wochenend-Tickets. „Wir haben dieses Jahr noch mehr internationale Stars, gerade für Künstler wir Dyro oder Marshmellow haben wir auf allen Kanälen nur positive Rückmeldung bekommen“, so Stoffels.

Open Beatz 2016: Abtanzen bei Poppenhof

© Foto: News5/Weier

Was die Electro-Gemeinde sichtbar von jedem anderen Musikfestival unterscheidet, ist ihre unglaubliche Präsenz in der Gegenwart. Wo vergleichbar berühmte (und bezahlte) Musiker auf Rock-, Folk- und Indiefestivals vor einem leuchtenden Meer von Smartphones spielen, sehen sich die DJs auf dem open Beatz ab mittags einer tanzenden, hüpfenden, feiernden Menge gegenüber, die bis nachts um zwei Uhr stetig anwächst. Selbst wer im Schatten sitzend oder von der Fressmeile aus der Musik zuhört, hört der Musik zu, statt sie in schlechter Qualität für zukünftige Nutzung auf das Smartphone zu bannen. Erinnerungsfotos (sehr gerne selbstverständlich vor dem überdimensionalen open-beatz-Logo auf freiem Feld und selbstverständlich sehrsehrgerne als Selfie) werden in den teenie-notwendigen Mengen geschossen, aber die Musik ist eindeutig zum ekstatischen, schweißtreibenden Hochleistungstanzen da.

Dem Soundteppich entkommt man dabei nirgendwo, stellenweise überlappen selbst auf dem weitläufigen Festivalgelände des open beatz die Klänge, die von den verschiedenen Bühnen und aus den Zelten strömen, zu einer vermischten Beat-Kakophonie. Erst direkt vor oder in den einzelnen Bühnen offenbart sich dann der reine Klang des einzelnen DJs und die Fans von EDM, Techno, Deep House und Hard Style können sich ihre pure akustische Dröhnung reinziehen. Mit permanenter Musikuntermalung gefeiert wird vor, während und nach den einzelnen Acts auf dem Campingplatz. Zwar verbieten großformatige Schilder an den Eingängen zu diesem Bauzaunparadies „große Musikanlagen“ und „Wohneinrichtungen“, die Definitionen scheinen aber nicht klar zu sein. Jedenfalls sind viele der großflächigen Zelt- und-Pavillonburgen ausgesprochen gemütlich eingerichtet und bieten von komfortablen Sitzgelegenheiten über Planschbecken, Grills, Spielplätze, Generatoren und beeindruckende Musikanlagen alles, was das Festivalcamperherz begehrt. Auch Fabian und Niklas, die mit ihrer Clique aus Ansbach aufs Festival gekommen sind, lockt am frühen Abend noch nichts vom Zeltplatz. „Das ist so chillig hier, wir grillen nachher noch was, und die Leute sind super“. Außerdem bieten ihre Liegestühle am Wegesrand einen unschlagbaren Ausblick auf die vorbeischlendernden Mädels.

Open Beatz 2016: Abtanzen bei Poppenhof

Die klassischen Ravioli aus der Dose sind aus der Zeltplatzernährung übrigens schon fast verschwunden, auch die Italienisch-chinesisch-amerikanisch-fränkische Cuisine aus den verschiedenen Essensständen wird eher als Beiprogramm genutzt. Der echte Festivalcamper versorgt sich selbst und kann dafür auch am letzten Tag noch auf gut mit diversen Grillwaren, Getränken und Beilagen gefüllte Kühltaschen zurückgreifen. Bis das Tagesprogramm mit Grillen, Volleyballspielen, einer Runde Bier-Pong und Wasserpistolenschlachten gefolgt von noch mehr Grillen, Bier-Pong und mehreren Shishas abgearbeitet ist, geht die Sonne langsam unter - und auf dem bislang überschaubar gefüllten Festivalgelände wundert man sich, wo diese Menschenmassen eigentlich die ganze Zeit waren, die mit dem Ende des Tages auf das Gelände strömen. Ein Blick auf die Autokennzeichen am Parkplatz verrät zumindest, dass der Großteil der Besucher aus einem 200km-Radius stammt, mit einem deutlichen regionalen Schwerpunkt und ein paar Exoten wie dem Brüderpaar aus Köln oder dem feierwütigen Mädelstrio aus Irland.

Am offiziellen DJ-Line-Up jedenfalls kann die Abwesenheit eines Großteils des Publikums während des Tageslichts nicht liegen, da ist für für jeden Electro-Geschmack ein Leckerbissen dabei. Auch wenn viele Besucher zwar grob „wegen der Musik, die feier ich voll“, aber nicht wegen einem bestimmten Künstler gekommen sind und in der Erinnerung mehrerer Festivalbesucher die nächste zu einer treibenden, großartigen, tanzbaren musikalischen Masse verschwimmen, aus der kaum ein einzelner Künstlername in Erinnerung geblieben ist. Andere haben offenbar eine klare Mission: Manche Autos, Menschen und Accessoires sind komplette zum Werbeträger für einen bestimmten DJ mutiert, wobei offenkundig LeShuuk entweder das beste Merchandise oder zumindest am open beatz festival die hingebungsvollsten Fans hat, die ihm auch gerne ihren ganzen VW-Bus widmen.
Andererseits entfaltet das Festivalgelände erst nach Einbruch der Dunkelheit seine volle Pracht. Gerade die Mainstage wirkt mit ihren gigantischen weißen Verkleidungen, die nachts einen phantastischen Hintergrund für Lichteffekte generieren, im hellen Sonnenschein doch eher unspektakulär, auch Feuereffekte, Videoleinwand und Kunstnebel verpuffen wirkungsarm. Selbst eine Monika Kruse tut sich da am Samstag auf der Lake Stage schwer, die Arme des sonnenmüden Publikums um 17.30 in die Luft zu bekommen, auch wenn sie ein überragendes, konzentriertes Set abgeliefert hat. Wer von den Festivalbesuchern schon auf den Beinen ist, bekommt aber spätestens ab den Augsburgern von Gigo N´Migo ambitionierten und fein austarierten EDM in die Beine gepumpt. Fritz Kalkbrenner, gefolgt von Nicole Moudaber und Moonbootica rasierten die Lakestage dann endgültig ab, während Dyro, Blasterjaxx und DVBBS eine Abrissparty auf der Mainstage feierten.
Heiß geliebt wurden am Freitag auch die im Landkreis mittlerweile schon öfter gesehenen Ostblockschlampen, die die Mainstage nur ungern für Headhunterz und Nicky Romero freigaben.  Die DJs in den Zelten hatten es da schon schwer, trotz stickiger Hitze und teils auch dem überbordenden und zeitweise unangenehm gemischten Klang die Menschen vor ihr DJ-Pult zu locken. Viele tanzten zu den Klängen von Tai oder Lucas & Steve dann lieber draußen vor dem Zelteingang.  Mit Lost Frequencies und Glasperlenspiel haben sich die Organisaoren für den Sonntag Nachmittag noch mal zwei chartsbekannte Hochkaräter eingekauft, die die Besucher auf alle Fälle von einer frühen Heimreise abhalten sollten. „Wir möchten insgesamt auch weg vom reinen Electro und mit den Chartsbreakern am Sonntag auch noch eine poppige Note mit rein bringen. EDM, House, Pop, Abwechslung und Offenheit auch für andere Musikrichtungen sind für uns wichtig.

Open Beatz 2016: Abtanzen bei Poppenhof

© Foto: News5/Weier

Auch Florian Gerneth vom BRK Kreisverband Fürth und stellvertretender Einsatzleiter auf dem Festival ist entspannt und rundum zufrieden mit dem bisherigen Festivalverlauf. Das Wetter spielt den Sanitätern dabei in die Hände, solange es nicht allzu heiß ist und ein gelegentlicher Regenschauer die Gemüter abkühlt, sind sie hauptsächlich mit dem Behandeln von Mückenstichen und Sonnenbrand beschäftigt. Die Fallzahlen liegen etwa auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr, wobei jedes Blasenpflaster als eigener Behandlungsfall registriert wird und damit die über 300 „Einsätze“ bis Samstag sehr relativiert. „Insgesamt ist das ein sehr friedliches Festival, die Leute sind wahnsinnig entspannt. Wir haben überhaupt keine Probleme mit Schlägereien und abgesehen von ein paar Alkoholüberdosierungen auch nicht mit Drogen. Entweder gibt es hier tatsächlich kaum etwas oder die Leute vertragen es extrem gut“, flachst der stellvertretende BRK-Einsatzleiter. Insgesamt sind tagsüber in der Kernzeit von 17 Uhr bis 3 Uhr zeitgleich 50 Sanitäter aus Fürth, Erlangen/Höchstadt und Herzogenaurach im Einsatz, unterstützt von den Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr.

Auch die Festivalbesucher zeigen sich insgesamt mehr als zufrieden mit dem open beatz. Abgesehen von den üblichen Festival-Kontroversen die auf der individuellen Erfahrung und wohl auch auf dem eigenen Charakter der Besucher beruhen (man denke hier an die klassischen Geschichten „Die Security sind supernett/total blöd“, „Die Dixie-Klos sind supereklig/schon o.k. für ein Festival“, „Sound und Lichtshow waren der Hammer/mies“ oder „Die Preise sind viel zu hoch/normal für ein Festival“), ist der einhellige Tenor, dass die Stimmung megageil ist, die Leute superfreundlich sind, die DJs alles abrasiert haben und das open beatz auch 2017 wieder ein überzeugender Grund ist aus ganz Süddeutschland in die staubigen Stoppelfelder hinter Herzogenaurach zu pilgern. Der Termin steht jedenfalls schon fest: von 20. bis zum 23. Juli 2017 findet das nächste Open Beatz Festival statt. „Wir wollen weiter wachsen und noch größer und besser werden. Es bleibt aber ein 4-Tages-Festival, bei dem die Leute am Donnerstag langsam ankommen, die Hauptparty am Freitag und Samstag stattfindet und wir das Festival am Sonntag mit weniger harten Künstlern gechillt ausklingen lassen“, beschreibt Stoffels die Zukunft.

 

 

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