Polizeischuss trifft Hund

11.10.2010, 18:57 Uhr
Polizeischuss trifft Hund

© Polizei

Bei der Justiz ist der 26-jährige Kevin Scott kein unbeschriebenes Blatt. „Einbrüche, Drogen, Diebstahl und so Sachen“, zitiert die Mutter bereitwillig Vergehen ihres Sohnes, der zu elf Monaten auf drei Jahre Bewährung verurteilt wurde und zurzeit Sozialstunden bei der Diakonie ableisten soll. Sie arbeitet unter anderem in einem Supermarkt und ist und nun „völlig fertig mit den Nerven. Ich muss mich krankschreiben lassen.“

Polizeischuss trifft Hund

© Kern-Miereisz

Im Gerichtsbeschluss, den das Amtsgericht Nürnberg am 27. August ausstellte, und der dem Einsatz am Freitag, 8. Oktober zugrunde lag, geht es um ein Ermittlungsverfahren gegen vier junge Männer „wegen Führens einer Schusswaffe“.

Von den drei anderen Beschuldigten sind zwei noch Schüler, Jahrgang 1993. „Ohne vorherige Anhörung“, so der Beschluss-Text des Amtsgerichts, hatte das Gericht „die Durchsuchung der Wohnung mit Nebenräumen nach dem Gegenstand Schusswaffe“ angeordnet.

„Acht bis zehn vermummte Beamte“ nahmen die Mutter und der Vater bei dem Einsatz wahr. Diese hätten im Morgengrauen „die Wohnungstür aufgebrochen und sofort gefeuert“. Auf zwei kleinere Krater im Fußboden und eine Splitterverletzung an der Wade ihres Mannes deutet die Frau.

Sie berichtet: „Ich habe geschlafen, ich dachte die Welt explodiert. Die Polizei war schon öfters bei uns. Hätten sie geklingelt, ich hätte sie reingelassen. Die haben schon eine Berechtigung gehabt. Aber nicht gleich so. Alles war voll vom Blut des Hundes.“

Und dann gibt sie noch zu bedenken, dass sie demnächst das siebte Enkelkind bekommt: „Wenn ich nachts rausgehe und gebe der Kleinen was und die schießen sofort...“

Jedenfalls will sich das Paar anwaltliche Hilfe holen. Eine Kopie des Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolls, das die Beamten hinterließen, übergaben sie und ihr Mann der Presse. Darin findet sich eine Auflistung von 15 beschlagnahmten Gegenständen. Darunter Teppichmesser, Jointreste, Waage, Brocken Haschisch, Glasplatte mit Anhaftungen, Plastiktüten.

Auch mehrere Schlüssel- und Schlüsselbunde stellte die Polizei sicher.

Die Scotts – er ist Handelsvertreter für Haustürgeschäfte und wirbt zurzeit Mitglieder für eine soziale Organisation – erwähnen schließlich noch die Operationskosten für den Hund, rund 480 Euro. 150 Euro konnten sie nur anzahlen.

Nach mehrmaligem Nachfragen der Presse zeigt sich schließlich auch der 26-jährige Sohn Kevin. Er spricht von „Leuten, die mir was reindrücken wollen“ und sagt über die Polizeibeamten: „Da waren schon Kollegen da, die uns kennen. Die brauchen ja nicht gleich meinen Hund abschießen.“ Ob man das Tier, dessen Wunde genäht wurde, nicht besser hätte einschläfern lassen? Mutter und Sohn: „Auf keinen Fall!“

„Wie im Krimi“

Gegen den Polizeieinsatz will das Elternpaar jedenfalls juristisch vorgehen und klagt auf Schadenersatz gegen den bayerischen Staat, informierte die anwaltliche Vertretung. Der genaue Ablauf sei noch zu recherchieren, bevor man urteilen könne, heißt es von dieser Seite.

„Wie im Krimi“ hat den Polizeieinsatz eine alte Dame erlebt, die im gleichen Haus lebt. Auf ihre Mit-Mieter – „ständig kamen junge Männer“ – ist sie allerdings nicht gut zu sprechen. Ein Elternpaar, das just durchs Treppenhaus läuft, erzählt, dass ihre Tochter seit dem lauten Knall, der die Hausbewohner aus dem Schlaf riss, nicht mehr allein in die Schule gehen will.

Peter Schnellinger, Pressesprecher der mittelfränkischen Polizei, legt dar, „das SEK mit dem Ziel der Sicherstellung der Schusswaffe gab zwei Schüsse ab. Im Raum stand eine möglicherweise vorhandene Schusswaffe. Über die Vorgehensweise entscheidet der Einsatzleiter, der auch Rechenschaft ablegen muss über die Verhältnismäßigkeit.“ Er erinnert an den Vorfall mit den Hell‘s Angels, als ein SEK-Beamter durch eine Kugel durch die Haustür getötet wurde. Beim Herzogenauracher Einsatz sei schließlich kein Mensch verletzt worden. Von der kleinen Wadenverletzung hatte Schnellinger offenbar keine Kenntnis.


Die Beamten nahmen in der selben Nacht auch an den Adressen der drei anderen Verdächtigen eine Hausdurchsuchung vor. Die Schusswaffe wurde auch dort nicht gefunden. Zum Aufenthalt der jungen Männer heißt es in allen drei Fällen: „z.Zt. JVA“.