«Puma-Story»: Seifenoper und Heldenmythos

3.10.2007, 00:00 Uhr
«Puma-Story»: Seifenoper und Heldenmythos

© Matthias Kronau

Von solchen ungeschriebenen Marktgesetzen scheint auch der Wirtschaftsjournalist Rolf-Herbert Peters getrieben worden zu sein, denn er garniert seine eben auf dem Büchertisch (im Hanser-Verlag) erschienene «Puma-Story» bereits im Untertitel mit eindeutigen Appetithäppchen wie «verbotener Sex, miese Manager, Intrigen und gekaufte Stars».

«Die Dassler-Brüder: Aufstieg und Fall einer Dynastie» heißt der erste Teil des eindeutig aus der Puma-Perspektive geschriebenen Werkes, das in etlichen Passagen der Dramaturgie der Doku-Soaps gehorcht und im Grunde mehr mit der einst berüchtigten Fernsehserie «Dallas» als mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Der Autor, ein Freund griffiger filmischer Kapitelüberschriften, lässt kein Klischee aus, wenn es darum geht, den tumben provinziellen Nährboden zu beschreiben, dem Rudolf und Adolf Dassler eigentlich entstammten. Die «braven Bürger von Herzogenaurach» werden sich bei der Lektüre des Buches oft die Augen reiben, weil sie zum Beispiel erfahren, «in der Stadt des gesenkten Blickes» leben zu müssen, wo man sich heute noch als erstes auf die Schuhe schaut.

Alle «Ureinwohner» dürften sich erfolglos zu erinnern versuchen, welcher Gastwirt den Kunden das Bier verweigerte bzw. welcher Bäcker Kinder nicht bediente, falls jene (dassler-mäßig) «auf der falschen Seite standen». Fast schon peinlich wird «Die Puma-Story» freilich, sobald Rolf-Herbert Peters seine Theorie zum Bruderstreit feil bietet, ein Geheimnis - so der vermeintliche Enthüllungsjournalist wortwörtlich - das «über Jahre zu den bestgehüteten ganz Frankens zählte, wobei die Menschen im streng katholischen Herzogenaurach die Wahrheit kannten, aber nicht darüber reden wollten».

Auf dem Aurachstädtchen lastete also über Generationen hinweg das Gesetz der Verschwiegenheit, die Omerta, denn laut Peters wussten die Einheimischen, dass der «Kern allen Übels» eine Liaison Rudis mit Adis Gemahlin Käthe Anfang der 40er Jahre gewesen sei. Natürlich ist sich der Autor, nebenbei Mitarbeiter der Illustrierten «Stern», seiner ungemein gewagten These bewusst, weshalb er sie mit geschickten und kaum angreifbaren Formulierungen zu stützen versucht («scheint sicher zu sein» oder «es gibt auch nur Schilderungen aus dritter Hand»).

Kann man über solche Spekulationen vielleicht noch schmunzeln, so wird die Lektüre spätestens dann unzumutbar, wenn die Adidas-Gattin Käthe die Rolle des Dallas-Bösewichts Larry Hagman spielen muss, die nicht nur «einen Hang zu schnellen Amouren zeigte», sondern ständig «die Hatz schürte» und verhinderte, dass die Brüder am Totenbett des alten Puma zueinander fanden.

«Die Rückkehr der Raubkatze» hat Rolf-Herbert Peters den zweiten Teil seines Buches überschrieben.

Er beginnt ihn im Stile moderner Heldengeschichten und hört bis zum Schluss nicht mehr damit auf. Sein «Musterschüler» ist 2007 erst 44 Jahre alt, «strahlt mit glänzenden Augen in den Saal» und «rund 950 Puma-Mitarbeiter aus fast 72 Nationen hängen an seinen Lippen (…) Mit seinem glatten Seitenscheitel und dem mild-wissenden Lächeln ähnelt er Roger Moore alias James Bond in Moonraker, der gerade den `Beißer` aus dem Weg räumt».

Jochen Zeitz Superstar

Man wird sich als Leser unwillkürlich fragen, was den Autor über mehr als hundert Seiten zu solchen Phrasen getrieben hat und ob Jochen Zeitz - er ist dieser Superstar, der «mit schwarzen Hammer-Sneakers durch Mün-chen Schwabing hetzt, sich von roten Ampeln und kübelweisem Regen nicht aufhalten, sondern nur drei Männer im Schlepptau hinter sich herächzen lässt» - ob Jochen Zeitz selbst über jene Art von Heldenverehrung glücklich sein kann.

Ohne Zweifel gilt es, die Leistung des jungen Managers zu würdigen; und es gehörte tatsächlich zur «Mission: Impossible», wie der Verfasser eines seiner Kapitel überschreibt, die schwächelnde Marke in die Reihe der expandierenden Unternehmen zu-rückgeführt zu haben.

Aber ob die Erfolgsgeschichte der «Raubkatze» die manchmal arg konstruierten Übertreibungen des Buchautors nötig hat, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Man hätte sich darüber hinaus gewünscht, dass die Schattenseiten jener rasanten Entwicklung nicht nur angedeutet, sondern auch vertieft worden wären. Denn es wurden auf Grund der Sanierung Menschen entlassen und von nun an herrschte das eherne Gesetz, lediglich globale Stars zu fördern, keine Amateure mehr. Eine Maßnahme, die vor allem den lokalen Breitensport ins Abseits stellte.

Rolf-Herbert Peters zitiert zum Schluss seines Werkes den dänischen Philosophen Sören Kierke-Gaard: «Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts.»

Dem kann auch ohne Gewissensbisse zustimmen, wer die «Puma-Story» nicht gelesen hat.