Schafe und Hirten machen sich auch in ERH rar

22.12.2018, 06:57 Uhr
Schafe und Hirten machen sich auch in ERH rar

© Archivfoto: Rainer Groh

An Krippenspielen nehmen die Lonnerstadter Schafe der Familie Roß nicht teil. "Das ist viel zu kompliziert, die EU schreibt Veterinärgutachten vor, der Schäfer muss nachweisen, dass die Tiere keine Infektionen haben und nie eine hatten . . ." Karin Roß ist die Belastung mit dieser weihnachtlichen Zusatzbeschäftigung zu groß.

Anfragen hatte der schafhaltende Betrieb weiß Gott genügend, aber keine Zeit. 400 Tiere haben die Roß’, dazu sechs altdeutsche Hütehunde, und mit Klemens Roß, Karin Roß und Tochter Susanne (25), einer "Tierwirtin in Fachrichtung Schäferei" ist das Lonnerstadter Unternehmen ein renommierter Schäfer-Betrieb.

Ab April sind sie sechs Monate lang auf der Sommerweide in Aschaffenburg, denn "Schafe können sicher weiden, wenn der richtige Hirte sie behütet", heißt es schon in der Arie der Jagdkantate von Bach. Das schlägt wieder den Bogen in die Jahreszeit, denn das Stück wird gern an Weihnachten gespielt.

Ausgerechnet in der Zeit, in der Hirten und Schafe rund um Lebend- und andere Krippen Konjunktur haben, lässt das Bayerische Landesamt für Statistik in Fürth eine Hiobsbotschaft los: Die Zahl der schafhaltenden Betriebe in Bayern ist auf insgesamt 2000 zurückgegangen, das sind 9,2 Prozent weniger als im Jahr zuvor.

Mit 264 300 Tieren war auch der bayrische Schafbestand im November 2018 rückläufig, nämlich um 1,5 Prozent. Diese beunruhigenden Zahlen sind auch dem ehrwürdigen Verein für Schäfereigeschichte bekannt. Die bayernweit agierende Gemeinschaft trat im August im Freilandmuseum Bad Windsheim mit Landwirtschaftsamtmann Anton Hofmann an die Öffentlichkeit und beleuchtete die Situation ihrerseits mit Zahlen für Mittelfranken. Hier gibt es nur noch 40 678 Mutterschafe, mahnte der Fachmann.

Schäfer überliefern Wissen

Der Verein für Schäfereigeschichte ist aus historischen Gründen an einem Fortbestand von möglichst vielen Schafherden interessiert: "Schäfer überliefern traditionelles Wissen, sie hüten einen speziellen Fachwortschatz, tragen eine besondere Berufskleidung und halten ihre Berufsehre hoch", lobt der Verein. All dies gefiel auch Gerd Egelseer (27), der eigentlich Stadtgärtner in Herzogenaurach ist. "Hobbymäßig", wie er sagt, hält er etwa 60 Schafe, bewacht von einem altdeutschen Hütehund und im Visier einer Videokamera. Nachdem sein Nachbar zu alt für den Schäferberuf geworden war, sprang Gerd Egelseer ein – "aus Idealismus", wie er sagt, und weil es ihm Spaß mache, mit und bei den Tieren zu sein.

Der Schäfer hat landschaftspflegerische Absichten. Orte wie Münchaurach und die Stadt Herzogenaurach bitten zum Beispiel darum, dass seine Schafe Flächen abweiden, wo Maschinen nicht hinkommen und entschädigen ihn dann mit einem Obolus.

Dem aufmerksamen Hobby-Hirten ist aufgefallen, dass die Weideflächen weniger werden. Die Bodenversiegelung macht den schafhaltenden Betrieben schwer zu schaffen. "Allein in Herzogenaurach wurden in den letzten fünf Jahren gut und gern zehn Hektar zugebaut", klagt Egelseer. "Auf dem Herzo-Base-Gelände fehlen mindestens 10 000 Quadratmeter, auf denen früher noch die Schafe weiden konnten", erinnert er sich.

Die geringer werdenden Weideflächen und der Einsatz quasi rund um die Uhr für die Tiere sind für Gerd Egelseer klar die Hauptursache, dass es immer weniger Schäfer und Schafe gibt. Karin Roß wiederum klagt über die scharfen EU-Richtlinien, die den schafhaltenden Betrieben die Existenz schwer machten. Außerdem "wollen die Verbraucher einfach nicht das bezahlen, was unsere Produkte wert sind", musste die Schafhalterin erfahren.

Wolle und Fleisch gehen weit unter Wert über die Theken. "Wir müssten für das Fleisch pro Kilo Lebendgewicht 15 Euro nehmen, um auf unsere Kosten zu kommen", sagt Karin Roß; sie bekommt 2,50 Euro dafür. "Wir sind für alles, was wir tun, unter Tarif bezahlt!" Überleben können die Betriebe nur mit einer staatlichen Prämie.

Bronze für Merino Landschaf

Im September erhielt Klemens Roß in Triesdorf aus der Hand von Mini-sterin Michaela Kaniber für sein Merino Landschaf die Bronze-Medaille überreicht, und was die Nachwuchsfrage angeht, sieht es in diesem Betrieb dank Tochter Susanne ebenfalls gut aus. Die junge Schäferin liebt ihren Beruf: "Auch wenn du 365 Tage im Jahr für die Tiere da sein musst: Es ist ein tolles Gefühl, gebraucht zu werden, und ich versorge sie gerne. Für mich ist das Hobby und Beruf in einem," sagte sie in einem Porträt des BR.

Noch ziehen die Roß‘ mit ihren sechs altdeutschen Hütehunden und den vielen Hundert Tieren auf die Sommerweiden nach Aschaffenburg und bereiten nach Weihnachten in Lonnerstadt die Ablammung (Geburten) vor, aber wenn Karin Roß an die Zukunft denkt, überziehen Sorgenfalten ihre Stirn. Doch wenn jetzt bald die Lämmer kommen, ist der Negativ-Trend vielleicht wieder gestoppt.

Darauf setzt auch Gerd Egelseer. Er holt seine Schafe jetzt "Richtung Heimat": Von Dondörflein und Zweifelsheim kehren die Tiere in den Stall zurück. Auch Schäfer Egelseer hofft auf eine ausreichende Schar von Lämmern, die in den nächsten Monaten zur Welt kommen.

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