Seit 15 Jahren ist Gudrun "am Schnecklein" der Boss

18.7.2018, 18:27 Uhr
Seit 15 Jahren ist Gudrun

Es ist ein bisschen wie bei Asterix und Obelix. Gudrun Boss verteidigt als Leiterin der Grund- und Mittelschule in Mühlhausen ein gallisches Dorf. Mit knapp 230 Schülern und 30 Lehrern ist die zweizügige Schule mit der einzigartigen Adresse "Am Schnecklein" eine Bastion in der Welt der großen Schulen. Sinkende Schülerzahlen machten über die letzten Jahre die Schließung der Mittelschul-Standorte in Lonnerstadt, Röttenbach und Adelsdorf nötig. Mühlhausen bleibt.

Und Gudrun Boss schafft wie Miraculix im Comic gemeinsam mit ihren Kollegen und der Politik die Zutaten dafür, dass der Zaubertrank stimmt. Am Schnecklein ist er gemixt aus einem Europäischen Computerführerschein, für den die Schüler verschiedene Module erwerben können, neuen pädagogischen Konzepten und Zusammenhalt.

Am Braukessel steht, seit 15 Jahren, Gudrun Boss. Nach dem laufenden Schuljahr geht sie in den Ruhestand. "Aber momentan bin ich noch mittendrin", sagt die 65-Jährige. Dass der Abschied ihr schwerfallen wird, ist absehbar, denn die gebürtige Höchstadterin ist mit Leib und Seele Lehrerin. "Ich habe fast 46 Jahre voll durchgearbeitet", erzählt sie und erinnert sich an die Anfänge. "Man macht immer Pläne, und dann läuft es anders als gedacht", meint sie schmunzelnd.

Türkisch gelernt

Gudrun Boss beginnt ihre Berufslaufbahn zunächst im Landkreis Roth, dann kommt sie an eine achtzügige Brennpunktschule in Röthenbach an der Pegnitz. In den 80er Jahren schulen viele Gastarbeiter ihre Kinder dort ein. Diese müssen sich aber sprachlich erst orientieren, können kaum Deutsch. "Die Integration war damals schon ein riesiges Thema." Boss stellt sich der Herausforderung, bildet sich weiter, spricht irgendwann fließend Türkisch.

Dann kommt die erste große Veränderung. Ihr Vater, Schulleiter in Lonnerstadt, stirbt. Dann wird die Stelle des Konrektors an seiner ehemaligen Schule frei und die Tochter entscheidet sich im Jahr 1991 nach Lonnerstadt zu gehen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf dem Sessel sitze, auf dem mein Vater saß", sagt sie heute. Und: "Es war die totale Umstellung. Die Kinder in Lonnerstadt waren so unglaublich brav." Aber es gibt auch Eltern, die damit hadern, dass eine Frau in der Schulleitung sitzt.

Doch Gudrun Boss lässt sich nicht beirren. Sie treibt ihre Karriere weiter voran. Mitte der 90er Jahre übernimmt sie eine Seminarleiterstelle und bildet Lehrer aus. "Ich war in der Zeit an sehr vielen Brennpunktschulen unterwegs und es war eine sehr spannende Aufgabe." Trotzdem weiß sie, dass sie diese Tätigkeit nicht bis zur Pensionierung fortführen möchte.

Als dann im Jahr 2003 zufällig die Leitungsstelle in Mühlhausen frei wird, greift sie zu. Die Schule, erzählt sie, war zu diesem Zeitpunkt recht konservativ ausgerichtet.

"Kreative Kollegen"

Gemeinsam mit einigen Mitstreitern stellt Gudrun Boss die Schule neu und moderner auf. Der Kollege Josef Braun bietet den Computer-Führerschein an, der bald fest zum Schulprofil gehört und viele Familien überzeugt, ihre Kinder in Mühlhausen anzumelden. Die neue Chefin setzt auf Austausch zwischen den Kollegen, auf Unterrichtsentwicklung. Sie führt die Ganztagesklasse ein und schafft — "mit wirklich ganz tollen und kreativen Kollegen" — viele neue Angebote. Die Palette reicht von einer Kooperation mit dem Heinershof bis zur Berufsorientierung und Gewaltprävention.

"Natürlich ist das Angebot in Höchstadt noch viel größer", sagt die Schulleiterin in Mühlhausen. "Dafür ist die Atmosphäre mit 600 Schülern dort anonymer als bei uns mit 100 Schülern in der Mittelschule." Der Zusammenhalt wird großgeschrieben. "Wir lachen, und das jeden Tag."

Das soll in Zukunft so bleiben. Ein Nachfolger für die 65-Jährige ist auch schon gefunden. Christian Scharting ist bislang Konrektor in Hallerndorf. Boss möchte ihm beim Start ins neues Schuljahr noch begleiten, damit alles gut glückt. "Es ist Zeit, dass frischer Schwung reinkommt", sagt sie – auch wenn sie traurig ist, wegzugehen.

Weil sie noch mittendrin ist im Berufsleben, denkt sie noch nicht viel über den Ruhestand nach.

Ehrenamtlich bleibt sie engagiert beim Rotary Club Aischgrund, in dem sie schon lange soziale Initiativen stemmt. Und sie verreist — zum ersten Mal seit Jahrzehnten mal außerhalb der großen Ferien. Für Oktober hat sie gemeinsam mit einer Kunsthistorikerin eine Reise nach Griechenland geplant. Gallien lässt sie dann hinter sich, das wehrhafte Dorf aber bleibt bestehen.

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