Roland Mensch ist Amateurfunker aus Leidenschaft

17.2.2017, 18:57 Uhr
Roland Mensch ist Amateurfunker aus Leidenschaft

© Ralf Rödel

Es rauscht, fiept und blinkt. Der betagte Monitor zeigt blaue Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben in alter MS-DOS-Schrift. Wenn die Wände nicht wären, könnte man meinen, Roland Mensch sei Pilot. Seine Schaltzentrale im Keller sieht aus wie ein Cockpit.

"Inzwischen gibt es hier sogar einen Heizkörper", erzählt er schmunzelnd. Denn seit der ehemalige Siemens-Ingenieur in Rente ist, verbringt er noch mehr Zeit hier. Tage und Nächte. Er wirft einen Blick auf die große Karte an der Wand, dreht links den großen Knauf und die Nadel im Anzeigefenster reagiert sofort. Damit ist die Antenne eingestellt und Roland Mensch kann auf die Suche gehen nach alten Freunden oder neuen Bekannten in der Luft.

Rauschen, Wortfetzen, Gebrabbel. "Ist doch klar zu verstehen", meint Mensch, "er nennt seine Kennung und sendet ein ,CQ‘ — einen Anruf an alle." Das Gehör des 66-Jährigen ist geschult. Schließlich seit fast 50 Jahren auf Draht. Telegrafieren fällt Roland Mensch viel leichter als eine SMS zu schicken. "Ich wünsche mir ein Handy, mit dem ich morsen kann", lacht er.

Inzwischen decodieren Computer auf der ganzen Welt die Telegrafie-Signale und antworten direkt. "Es ist unpersönlicher geworden", meint Roland Mensch. Aber die Digitalisierung bringt auch Vorteile für Amateurfunker. Radiosender beispielsweise sind von Ultrakurzwelle (UKW) abgesprungen und haben Platz geschaffen in der Luft.

Auch bei der Jugendarbeit hilft der Computer, denn der Funker-Nachwuchs dreht nicht gern am Rädchen, sondern klickt die Maustaste. Für Roland Mensch hat damals alles mit einem Radio angefangen. Als kleiner Junge steht Roland Mensch davor und fragt sich wie diese Stimme da reinkommt. Er greift zum Schraubenzieher. Die Schrauberei ist die erste Dosis. Mensch kommt seiner Funk-Sucht näher. Er liest die Brockhaus-Einträge zum Radio, kauft immer mehr Bücher über sein neues Hobby, beginnt selbst zu basteln und wird irgendwann in einem Elektronikgeschäft zum Chef beordert. Der ist Amateurfunker und wird zum Mentor des 16-Jährigen.

Sobald er das nötige Mindestalter, 18, erreicht hat, wird Roland Mensch zu DK3GI. Diese Kennung, die ähnlich wie die ersten Buchstaben im Nummernschild auch etwas über seinen Standort verraten, erhält er mit seiner Lizenz — und für die musste er "schon ganz schön büffeln". Das technische Wissen hatte er da zwar schon lange drauf, aber Gesetze und Theorie waren noch zu lernen. Und natürlich das Morsen. "Das ist wie lesen mit den Ohren", sagt er. Und: "Tanzen Sie? Rhythmusgefühl hilft viel weiter."

Roland Mensch hat seine Morsezeichen und Stimme aus Röttenbach schon in die ganze Welt geschickt. Und zwar wirklich in die ganze Welt. Das beweisen die vielen Urkunden und Auszeichnungen, die in Glasrahmen an den vertäfelten Wänden im Cockpit-Keller hängen. Er zeigt auf eine: "Die bekommt man, wenn man mit 100 Ländern Kontakt hatte." Aber natürlich hat der Extrem-Hobby-Funker nicht nur diese. Stolz ist er auf die Plakette, die belegt, dass seine Wellen in jedem Land der Erde einmal angekommen sind. In diesem Jahr hatte er bereits fast 600 Verbindungen — und es ist gerade mal Februar.

"Amateurfunker sind verrückt", sagt der 66-Jährige. "Und sie sind alle auch Sammler." Das verraten in der Röttenbacher Wohnung nicht nur die Urkunden, sondern auch eine etwas eigenwillige Tapete. Bunte Karten hat Roland Mensch nebeneinander geklebt. Wieder Buchstaben-Zahlenkombinationen. "Die Funker, mit denen man Kontakt hatte, schicken Bestätigungskarten mit ihren Kennungen."

Da ist zum Beispiel die eine von König Hussein — "ein sehr netter Mensch", der gerade mit seinem Hubschrauber über den Golf flog als Mensch vor Jahren mit ihm sprach. Oder die des Monarchs von Sikkim, der 1975 verzweifelt funkte, die indische Armee marschiere ein und nehme seinem Land die Unabhängigkeit. Ach, und mit Hobbyfunkern auf den Raumstationen ISS und Mir hatte Mensch auch schon Kontakt.

Insgesamt bewahrt Roland Mensch in seinem Keller mehr als 150 000 Kennungskarten auf. Wenn sie nicht zu Tapete verarbeitet wurden — "ich kann nie wieder umziehen" — dann stecken sie in Schubladen, Schuhkartons oder Ordnern. Zwei Schränke sind voll. Kein Wunder, schließlich verbringt der Siemens-Ingenieur am liebsten jede Minute mit Kopfhörern vor seinen Geräten. Seine Frau freut das nicht immer. "Ein Funklehrer hat mir mal gesagt, entscheide dich: Entweder du bist Wettbewerb-Funker oder Ehemann", erzählt Mensch. Seine Antwort: "Mit meiner Frau geht beides." Recht hat er.

Denn Vera Mensch ist DL2NCW. Einige Jahre nach der Hochzeit hat sie ebenfalls eine Lizenz beantragt. Auch 1990 ist sie dabei, als es ihrem Mann gelingt, eine Funkbrücke zu Geiseln im Irak aufzubauen. Über einen Funker in Kuwait entsteht der Kontakt. Drei Monate lang versorgen die Menschs die Geiseln über einen schlichten Weltempfänger mit Informationen über ihre Familien.

Der Sucht allerdings ist Vera Mensch noch nicht verfallen, denn Wettbewerbe meidet sie bislang. Es gibt verschiedene Formen, wie sich Funker untereinander "messen". "Das ist Hochleistungssport", meint der Wahl-Röttenbacher. Wer hat in 48 Stunden (!) die meisten Kontakte gehabt? Die meisten Länder erreicht? An Wettbewerbstagen hat der Ingenieur früher "vielleicht mal ne halbe Stunde" geschlafen. Inzwischen lässt er es ruhiger angehen.

Amateurfunker sind leicht erkennbar

Sogar Deutsche Meisterschaften gibt es. Die finden immer am zweiten Weihnachtsfeiertag statt. Während die Familie schick essen geht, sitzt Roland Mensch im Keller vor seinen Geräten. Babyfotos seiner beiden Kinder hängen am Verstärker. Für die Weltmeisterschaften war er schon in den verschiedensten Ländern. Platz zehn hat er belegt. "Aber jetzt wird es allmählich schwieriger, ich halte einfach nicht mehr so lange durch."

Macht aber gar nichts, denn in der Funker-Gemeinde hat Mensch eh schon viele Freunde. Geschätzte drei Millionen Funker gibt es weltweit. Unterwegs sucht er immer Dächer nach Antennen ab. In seinem Garten steht ein 18 Meter hohes Exemplar. Wenn er einen Amateurfunker wittert, scheut sich der 66-Jährige nicht zu klingeln. Besonders im Urlaub hat er so schon viele interessante Leute kennengelernt.

Apropos Urlaub, da ist natürlich nichts mit im Sand liegen. Da geht’s auch auf Sendung. Immer steht der Besuch anderer Funker ganz oben. In Malaysia hat der Süchtige seine Geräte schon durch den Regenwald geschleppt. Gewicht: 30 Kilo. Auf der Weltkarte hinter dem Funkgerät stecken etwa 40 rote und blaue Nadeln. Sie zeigen an, wo er überall war — und von wo er gefunkt hat. Morgen früh geht Roland Mensch aber erst mal wieder von Röttenbach aus in die Luft.

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