Stadtführer-Azubi mit Know-how aus Palmyra

29.11.2015, 15:34 Uhr
Stadtführer-Azubi mit Know-how aus Palmyra

© Foto: Schulte

Es ist ein Projekt, das aufhorchen lässt. Acht Wochen lang werden 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeden Samstag die Schulbank drücken, um sich zu Stadtführern ausbilden zu lassen.

Das ist an sich nichts Besonderes. Die Zusammensetzung der Klasse schon. Denn unter den Schülern sind nicht nur Höchstadter „Urgesteine“, erfahrene Karpfenland-Reiseleiter und Zugezogene, die sich für die Stadt an der Aisch entschieden haben, sondern auch Neuankömmlinge, die ihre Heimat dort erst finden möchten.

Tour Guide in Palmyra

Einer von ihnen ist Shadi Assad. Der junge Syrer hat Erfahrung als Gästeführer. In seiner Heimatstadt Palmyra hat er als „Tour Guide“ Touristen zu den Stätten jahrtausendealter Kultur gebracht, etwa zum antiken Baal-Tempel. Dieser wurde im Sommer von Anhängern der IS-Terrormiliz in Schutt und Asche gelegt. Da war Shadi Assad gerade in Deutschland angekommen.

In Nürnberg nahm der junge Asylbewerber an einer Stadtführung für Flüchtlinge teil, die der ausgebildete Gästeführer Heinz Schuster angeboten hatte – und war begeistert. Für die Idee, auf diese Weise Integration zu ermöglichen, warb Schuster auch in Höchstadt. Er stieß auf offene Ohren.

Sandra Hammer, Leiterin des Stadtmarketing, war von dem Konzept sofort begeistert. „Wir wollen Wegbereiter für den Integrationsprozess sein“, sagt sie. Ihr Wunsch sei es, dass die einheimischen und internationalen angehenden Stadtführer, zu denen neben Shadi Assad auch die syrische „Kümmerin“ Lubna al Hosari und fünf in der Engelgasse untergebrachte junge Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und dem Iran gehören, zu einer Gruppe zusammenwüchsen. Wenn das gelänge, könnten einige der neuen Höchstadter Stadtführer künftig als gemischtnationale Zweierteams auf Tour gehen – ein „einzigartiges Pilotprojekt“, ist sie überzeugt.

Ohnehin baut die kostenlose Ausbildung auf gegenseitiger Unterstützung auf. Neulinge können dabei vom Wissensschatz der Erfahrenen profitieren – schließlich gehören gestandene Gästeführer wie Christiane Kolbet, Johann Gumbrecht, Hartmut Lenz oder Christian Kaller zu den Teilnehmern. Namhafte ehrenamtliche Referenten vermitteln darüber hinaus die Grundlagen zu allen Themen, die man als Höchstadt-Profi kennen muss.

Am ersten Schulungsnachmittag geht es um die Brautradition. Dafür schlüpft Bierkönigin „Dorothea I“, selbst Teilnehmerin am Stadtführer-Kurs, in die Rolle der Referentin.

Fertig ausgebildet, sollen sich die Höchstadter Stadtführer nach dem Vorbild der Karpfenland-Reiseleiter „ihr“ Spezialgebiet suchen. Einige haben sich darüber schon Gedanken gemacht. Christiane Kolbet reizen zum Beispiel „gruselige Kriminalfälle“ aus der Vergangenheit, Christian Kaller will den Besuchern die Museen und das alte Höchstadt näher bringen, Peter Lorz ist als Vorstand der „Musketiere“ dem frühen 17. Jahrhundert besonders verbunden.

Vorfreude

Wolfgang Köberlein hat sich noch nicht festgelegt, aber als Mitbesitzer des „schönsten Kellerhäuschens“ tendiert er zum Kellerberg und freut sich schon auf „unterhaltsame Stadtführungen“. „Man geht an zu vielem achtlos vorbei“, sagt Hartmut Lenz, der „einfach mehr wissen möchte“, genau wie die meisten seiner Mitschüler.

Dass Heimatverbundenheit und Weltoffenheit kein Widerspruch sind, zeigt Karpfenland-Reiseleiter Johann Gumbrecht: „Ich war beruflich im Nahen Osten“, erzählt der musikbegeisterte Hobby-Landwirt, und übersetzt diese Information für Shadi Assad ganz selbstverständlich ins Englische. Das kommt gut an, denn so soll es auch künftig weitergehen: „Die Höchstadter Stadtführer bekommen eine zweisprachige Facebook-Seite, auf der sie Fotos posten oder Mitteilungen einstellen können“, erklärt Sandra Hammer. Da könne dann auch über Aktuelles debattiert werden, etwa das Thema „Was tut sich in der Innenstadt“, sagt sie augenzwinkernd.

Prüfung am 30. Januar

Bis es so weit ist, müssen die angehenden Stadtführer aber noch fleißig lernen, um die Prüfung am 30. Januar meistern zu können. Der erste „Stresstest“ steht am kommenden Samstag, 5. Dezember, bevor. Jeder muss eine Stadtführung zu einer historischen Sehenswürdigkeit vorbereiten, die dann in der Praxis geprobt wird.

Diese kostenlosen Führungen starten um 15, 16 und 17 Uhr am Stadtbrunnen am Marktplatz. Dann können die künftigen Höchstadter Stadtführer dem interessierten Publikum zum ersten Mal zeigen, was die Stadt zu bieten hat.

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