Tempo 30 statt Tempo 50 stößt auf Skepsis

23.5.2017, 12:00 Uhr
Tempo 30 statt Tempo 50 stößt auf Skepsis

© Foto: Edgar Pfrogner

Der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Höchstadt, Thomas Gamm, plädiert für "ein entschiedenes Vielleicht". Bei nur noch Tempo 30 in den Städten ab 2020, wie vom Umweltbundesamt jüngst vorgeschlagen, sei das Für und Wider zu bedenken.

In Höchstadt sei durch die Verkehrsberuhigung im Zentrum bereits "einiges an Tempo herausgenommen worden", meint Gamm: "Nach dem ersten Aufschrei hat sich manches gebessert." Grundsätzlich aber: "Ich bin ein Freund der Gesamtbetrachtung", das heißt, auch die Perspektive des Autofahrers sei einzunehmen. Tempo 30 könne sich auch als hinderlich erweisen, mit mehr Lärm und Emissionen einhergehen.

"Ich würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, dies pauschal zu fordern", fasst Gamm zusammen: "Der Einzelfall ist zu prüfen." Verkehrsschauen vor Ort wären notwendig.

Die zwischen dem Landkreis Erlangen-Höchstadt und der Stadt Erlangen umstrittene Baken-Variante für Tempo 30 in Häusling, Stadtgebiet von Erlangen, passierte Gamm bereits mit Fahrrad, Motorrad und Pkw: "Eine unbefriedigende Lösung."

Hannah Reuter, Sprecherin des Landratsamts, weist für ihre Behörde auf die aktuelle Änderung der Straßenverkehrsordnung hin. Diese ermöglicht auf Antrag auch vor Schulen, Kindergärten, Kindertagesstätten, oder Altenheimen Tempo 30 auch auf Kreis- und Staatsstraßen.

Der Landkreis habe bereits Anträge von Kommunen dafür erhalten. Allerdings müsse die Verwaltungsvorschrift, die regelt, wie u. a. beschildert werden soll, noch in Kraft treten. Über ein generelles Tempo 30 müsse allerdings der Gesetzgeber auf Bundesebene entscheiden und die StVO entsprechend ändern.

Wolfgang Gerstberger, der Vorsitzende Gebietsverkehrswacht Herzogenaurach und Vizepräsident der Landesverkehrswacht, bezieht eine Gegenposition: Generell seien die Gebietsverkehrswacht Herzogenaurach wie auch die Landesverkehrswacht und die Deutsche Verkehrswacht gegen eine allgemeine Tempo-30-Regelung in den Städten.

Deutschland habe ein sehr gut funktionierendes und geregeltes Straßenverkehrswesen, in dem genügend Platz bleibe für alle Maßnahmen, die der Sicherheit im Straßenverkehr förderlich seien. Gerstberger ist deshalb für Tempo 50 in den Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen. Aber der Verkehrssicherheit nütze Tempo 30 auf genau den Strecken mit erhöhtem Gefahrenpotenzial, wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Altenheimen.

Unbesehen davon findet es Gerstberger vernünftig, in den reinen Wohngebieten und Einkaufszonen eine Tempo-30-Zone anzuordnen, wie in Herzogenaurach zwischen Goethestraße und An der Schütt, Würzburger Straße und Liebfrauenhaus.

Die bisherigen Forderungen nach generell Tempo 30 scheinen Gerstberger noch nicht fundiert zu sein. Die Verkehrswachten hätten den Eindruck, dass die Befürworter ein Ventil gegen den Autoverkehr an sich darin sehen.

Laut Gerstberger fehlen fundierte Aussagen und gewissenhafte Messungen über die wirkliche Lärmminderung beim langsamer Fahren. Beim Fahren im dritten Gang seien die Fahrzeuge zwar leiser, aber die Fahrer würden auch leichter unbewusst zur Geschwindigkeitsübertretung verlockt. Aus gleichem Grund fehlen auch exakte Messwerte über die wirklich erzielte Schadstoffminderung, sagt Gerstberger. So zeigten die Verbrauchsanzeigen in den Autos bei gleicher Geschwindigkeit im zweiten Gang einen höheren Verbrauch an als im dritten. Er habe dies bei seinem eigenen Fahrzeug testen können.

Außerdem weist Gerstberger darauf hin, dass bei langsamerem Tempo ein Auto länger für eine Strecke braucht. So sollte es in den Tempo-30-geregelten Straßenzügen dann möglichst keine Ampeln geben.

Insgesamt seien Kreisverkehre einer solchen Verkehrsregelung "mehr als dienlich". In Herzogenaurach, konstatiert der Verkehrswachtler, herrscht aber mehr als nur Nachholbedarf, wie allein der Flächenverbrauch der neuen Kreuzung zur Einfahrt in die Sport-Outlets zeige.

Gerstbergers Fazit: Es müsste die gesamte Stadtplanung soweit wie möglich einer solchen neuen Regelung angepasst sein. Außerdem wäre gewissenhaft zu klären, ob durch die Geschwindigkeitsumkehrung der Schilderwald nicht eher zunehmen würde. So müsste nach jeder Straßeneinmündung das Verkehrsschild wiederholt werden, das die einzuhaltende Geschwindigkeit anzeigen soll.

Darüber hinaus weist der Vorsitzende der Verkehrswacht darauf hin, dass Regelungen von jedem Menschen, egal wo, umso eher angenommen werden, wenn sich der Sinn der geforderten Maßnahme erschließt.

So stelle er z. B. jedes Mal von München kommend fest, dass ein äußerst flüssiger Verkehrsablauf dort von allen Fahrern ermöglicht werde, wo es verkehrsflussabhängige Geschwindigkeitsanzeigen gebe.

Als Beispiel für psychologische Aspekte eines Limits nennt Gerstberger eine Fahrt von der Autobahn kommend nachts gegen Mitternacht in die Staatsstraße nach Niederndorf einbiegend. Am Ortsschild Neuses müsste man, gelte Tempo 30 generell, die Geschwindigkeit auf 30 reduziert werden, "bei vielleicht total leerer Straße". Auch ohne Vorsatz wäre wahrscheinlich, dass man schneller fahren würde .

Ganz nebenbei würde übrigens die kommunale Verkehrsüberwachung deutlich mehr Übertretungen registrieren, und das wären, sagte Gerstberger, "nicht alles Raser, obwohl die Geschwindigkeitsübertreter in der öffentlichen Meinung sehr gerne als Raser bezeichnet werden".

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