„Tickende Zeitbombe“

30.6.2015, 16:12 Uhr
„Tickende Zeitbombe“

© Foto: Harald Sippel

Für den Rentner war es ein Déjà-Vu-Erlebnis: Im März 2014 war seine Lebensgefährtin vom gleichen Hund angefallen worden, nur wenige Meter entfernt im Aurachgrund. Sie war mit dem Hund ihres Enkels spazieren, als plötzlich der Hovawart aus dem Garten seines Besitzers ausbrach – er hatte wohl ein Loch im Zaun entdeckt – und sie anfiel. Insgesamt sechs Mal biss der Vierbeiner zu, sein Opfer ist heute noch in medizinischer Behandlung beim Handchirurgen.

Nur ein Einzelfall?

Das Paar erstattete Anzeige, aber der Fall wurde letztlich eingestellt, weil es sich um einen Einzelfall gehandelt habe, hieß es von Seiten der Staatsanwaltschaft. Der Hund sei von einem Gutachter untersucht worden und habe beim Wesenstest keinerlei Auffälligkeiten gezeigt, so der Leiter der Polizeiinspektion Herzogenaurach Tobias Kopseels auf Anfrage der NN.

Hovawarts gelten in aller Regel als gutmütige Hirtenhunde, und auch Klaus B. bestätigt, dass das Tier zunächst keineswegs einen bedrohlichen Eindruck mache.

„Aber dieser Hund hat offenbar eine Störung und ist eine tickende Zeitbombe“, fügt er an. In dieser Auffassung fühlt er sich nicht erst seit gestern bestärkt. Denn unlängst traf er zufällig einen Mann, der unweit von ihm in der Kellergasse wohnt und der berichtete, dass der Hovawart auch seine beiden Kinder bereits gebissen habe. Zuerst vor gut zwei Jahren das heute zwölfjährige Mädchen in die Hand, dann Anfang dieses Jahres den 15-jährigen Sohn tief in den Oberschenkel nahe der Hoden. Die Zähne haben einen tiefen Eindruck hinterlassen, die schwarze Wunde zeichne sich jetzt immer noch deutlich ab.

Von einer Anzeige sah er ab, weil er direkter Nachbar des Hundebesitzers ist und keinen Ärger haben wollte. Zudem habe der Besitzer nach dem ersten Übergriff ihm noch erzählt, dass der Hund jetzt wegkomme. Das sei nie geschehen. Die Mutter der beiden Kinder ist auch verärgert: „Meine Kinder mögen eigentlich Hunde. Aber mein Sohn hat nach diesem Ereignis vor jedem Hund Angst.“ Auch ihr Mann sei schon angefallen worden, aber er habe sich gerade noch in Sicherheit bringen können.

Nun gab es also den vierten „Fall“: Dieser spielte sich gestern früh um 8.15 Uhr ab. Eine 37-jährige Frau aus Fürth war nach Polizeiangaben grundlos von dem angeleinten Hund angefallen worden. Dieser schnappte in ihren linken Unterarm und fügte ihr eine Fleischwunde zu. „Wir ermitteln jetzt wegen fahrlässiger Körperverletzung“, so Kopseels. Die Informationen werden an die Staatsanwaltschaft und gleichzeitig an das städtische Ordnungsamt weitergeleitet.

An Letzteres hat Klaus B. schon im Oktober einen Brief geschrieben, in dem er Maßnahmen gegen den Hund angemahnt hat. Eine Antwort darauf habe er bis heute nicht erhalten, sagt er erbost. Jetzt aber müsse man von Amts wegen wohl etwas unternehmen, von einem Einzelfall könne nicht mehr die Rede sein. B.: „Und es muss schnell etwas passieren. Unvorstellbar, wenn der Hund jetzt im Sommer Kinder anfällt, die vor dem Carlo ihr Eis essen.“

Beim städtischen Ordnungsamt will man keine Stellungnahme abgeben, weil es sich um ein „laufendes Verfahren“ handele, so Sachbearbeiterin Heike Kraus.