Traum half durch Not

27.5.2016, 05:18 Uhr
Traum half durch Not

© Foto: Edgar Pfrogner

Traum half durch Not

© Foto: Proleit

Traum half durch Not

© Foto: Proleit

Am 3. Juni feiert die weltweit tätige Firma für Prozessleit- und Steuerungssoftware ihren Geburtstag in der Zentrale an der Einsteinstraße. Es wird eine geschlossene Gesellschaft mit geladenen Gästen. Denn 300 Mitarbeiter und ihre Begleiter füllen schon ein Festzelt, schmunzelt der „Chief Executive Officer“ (CEO) Ebster.

So viele Frauen und Männer verdienen zurzeit ihr Geld in der Herzogenauracher Zentrale von Proleit. Noch einmal 100 arbeiten in den 15 weiteren Standorten in zehn Ländern: Österreich, den Niederlanden, Spanien, der Ukraine, Bulgarien, Russland, China, Brasilien, Mexiko und den USA.

Angefangen haben sie zu zweit, Ebster und Czepl, zwei Montageingenieure bei Siemens, die sich bei der Inbetriebnahme einer Brauerei in Spanien 1983 kennenlernten. Dort, so Ebster, wurde der Traum geboren, eine gemeinsame Firma zu gründen.

Start in der Mietwohnung

Was sie drei Jahre später, am 1. Juni 1986, auch taten. Firmensitz der „Proleit Gesellschaft für technologieorientierte Prozessleit- und steuerungssoftware mbH“ war eine Mietwohnung in der Heuwaag-Passage in Erlangen. Dank alter Kontakte kamen die ersten Aufträge von Siemens. Für die Abteilung des Großkonzerns, die Systeme für die Nahrungsmittel-Industrie entwickelte, durften die beiden Gründer an den Siemens-Prozessleitsystemen mitentwickeln, unter anderem für Brauereien — bis heute die Hauptkunden von Proleit.

Nach zwei Jahren strukturierte Siemens um und die Aufträge für Proleit blieben plötzlich aus. Der Zufall und ein Studienkollege Wolfgang Ebsters half dem plötzlich auf sich allein gestellten Unternehmern in ein neues Feld. Der Bekannte sollte bei AEG für die U-Bahn von Wien einen Ausbildungssimulator bauen und suchte jemanden, der die Software dazu schreiben konnten.

Ebster und Czepl waren zwar durchaus nicht sicher, ob sie das wirklich konnten, denn von U-Bahnen wussten sie allenfalls aus der Fahrgastsicht etwas. Sie nahmen den Auftrag aber an — „in der Not . . .“, so Ebster.

Die junge Firma musste dafür ein eigenes Prozessleitsystem entwickeln. Als dieses tatsächlich den U-Bahn-Simulator zu Laufen brachte, hatte Proleit plötzlich das erste eigene Produkt – ein Quantensprung.

Mit dem OS 155 genannten System wagten sich die Unternehmer 1989 auf die Automatisierungsmesse Interkama nach Düsseldorf und hatten Erfolg als Anbieter schlüsselfertiger Automatisierungsprojekte. Henkel gewannen sie z. B. als Kunden.

„Daheim“ in der Heuwaagpassage hatte Proleit eine Wohnung nach der anderen angemietet. 1992 waren es alle sechs, die zu haben waren. Das Ende der Fahnenstange.

Gutes Klima an der Aurach

Die Suche nach ausreichend großen Büroflächen führte Proleit in jenem Jahr nach Herzogenaurach, wo, so der CEO, ein besseres Klima für kleinere Firmen zu herrschen schien. Wolfgang Ebster kann sich eines Lächelns nicht erwehren: Ob die Erlanger Wirtschaftsförderer die Firma so leicht hätten ziehen lassen, hätten sie gewusst, was in 30 Jahren aus ihr werden würde?

In Herzogenaurach, so der CEO der heutigen AG, in deren dreiköpfigem Aufsichtsrat übrigens Erlangens Ex-Oberbürgermeister Siegfried Balleis sitzt, erfährt die Firma laut Ebster bestmögliche Unterstützung von Stadt und Landkreis.

Erste Bleibe hier war das Obergeschoss des OBI-Baumarkts auf den Klingenwiesen. Es war komplett zu mieten, und jeder Proleit-Mitarbeiter konnte in einem eigenen Büro arbeiten.

Worunter die Kommunikation litt. Qualitätsprobleme machten der Firma zu schaffen, die Chefs, gelernte Projektierer und Inbetriebnehmer, mussten vielfach rettend eingreifen, die Ausbildung blieb auf der Strecke, Proleit geriet in eine Abwärtsspirale, zumal die Systeme auf die inzwischen überall in den Betrieben eingeführten PCs umgerüstet werden mussten.

1993 schrieb Proleit Verlust. Die Gründer beschlossen, sich die Aufgaben zu teilen. Ebster übernahm das Kaufmännische, Czepl den Vertrieb, beiden oblag weiter die Technik.

Nach einer Konsolidierungsphase hätte sich das nunmehr Herzogenauracher Unternehmen beinahe an einem Großauftrag verhoben. Es automatisierte die von der Molkerei Alois Müller übernommene Sachsenmilch in Leppersdorf bei Dresden — absolutes Neuland und das größte Projekt, das sich die Firma zugetraut hatte.

Mit einem Kraftakt, so Ebster, brachten sie die Anlage pünktlich am 1. August 1995 in Betrieb, machten aber fast zwei Millionen Mark Verlust im Projekt. Damit stand Proleit vor dem Aus. Doch hatte die Branche interessiert beobachtet, wie sich die jungen Herzogenauracher technisch schlagen würden und so wurde der Molkerei-Auftrag so etwas wie der Ritterschlag: Es kamen Aufträge.

Zusammen mit dem Kitzinger Sudhausbauer Huppmann gab es das Joint Venture „brewmaxx“ zur Automatisierung von Brauereianlagen weltweit. Bis heute ist es in der Branche verankert.

Als Proleit den Börsengang plante, brach just der „Neue Markt“ zusammen — erneut stand man vor dem Aus. Ein Schulden-Moratorium half und es ging wirtschaftlich und technisch aufwärts.

Proleit baute seine Produkte aus, „Plant i.T.“ entstand, ein Markenname für das Prozessleitsystem, Proleit zählt zu den weltweit führenden Automatisierern in der Brauerei- und der Molkereibranche. Und auch in der Region hat man Kunden, z. B. die Firmen Kurz in Fürth und die Martin Bauer Group in Vestenbergsgreuth.

Der Proleit-Neubau an der Einsteinstraße 8 wird demnächst bekanntlich noch einmal erweitert. Die Pläne, so Wolfgang Ebster, sind fertig. Am kommenden Dienstag liegen sie dem Bauausschuss des Stadtrats zur Beratung vor. Sobald sie genehmigt sind, soll der Bau beginnen, im Juli oder August.

Ganz schön erfolgreich für eine Träumerei von Jungingenieuren. Der Traum sei aber gerade das Wichtigste dabei. Ohne Traum hat man nicht die Kraft, die Rückschläge zu verarbeiten, sagt Wolfgang Ebster.

Keine Kommentare