Traum von Kanada wird wahr

8.8.2014, 15:15 Uhr
Traum von Kanada wird wahr

Naomi Kuhlow kann es kaum erwarten: Am 29. August geht es in in die Rocky Mountains. „Banff Bears“ heißt das Team, in dem sie für Furore sorgen möchte. Höhenluft wird sie dort auf jeden Fall schnuppern, denn der bekannte Wintersportort Banff in der Provinz Alberta liegt auf 1400 Meter Höhe.

Schon vor zwei Jahren hatte sich das Mädchen am Sommerprogramm der Banff Hockey Academy (BHA) in Füssen beteiligt. Nun wird sie ein ganzes Jahr lang die Schlittschuhe für die „Bears“ schnüren, die in der vergangenen Saison eine beeindruckende Bilanz von 27:3 Siegen hingelegt hatten, wie die Homepage der BHA stolz vermeldet.

Deren Präsident Bill Doherty lobt den Neuzugang. „Naomi arbeitet hart, erkennt die Spielsituation gut und spielt ein kraftvolles, zuverlässiges Eishockey. Wir erwarten große Verbesserungen ihrer Fähigkeiten im Laufe des Jahres.“

19 Länderspiele

Das Gleiche hofft natürlich auch die Spielerin selbst, die sich derzeit noch als rein defensiv orientierte Verteidigerin sieht, aber im Mutterland des Eishockey den großen Sprung nach vorne machen möchte. In Deutschland hat sie sich schon einen Namen gemacht, 19 Länderspiele für die U15 absolviert.

Und beim Höchstadter EC hat sie sich den Respekt der Jungs ebenfalls schon verdient: Das Mädchen war Kapitän der Knabenmannschaft und als Stammspielerin nicht aus dem Team wegzudenken. Wenn sie künftig für ein reines Damenteam spielt, muss sie sich umstellen: Beim männlichen Nachwuchs sind Bodychecks erlaubt, bei den Frauen komplett verboten. Einmal hat sie das schon vergessen, wie sich ihr Vater Kai schmunzelnd erinnert: „Da hast du beim Länderturnier eine Gegnerin ganz schön umgeräumt.“ Dafür gab‘s zwei Minuten Zeitstrafe, beim Männereishockey wäre es ein sauberer Check gewesen.

Einerseits findet Naomi diese Spezialregel nicht gut, „weil der Bodycheck eben zum Eishockey gehört“, andererseits räumt sie auch ein, dass gerade an der Bande manchmal üble Checks verletzungsträchtig sind.

Nach Kanada zu kommen ist nichts Neues für den Teenager aus Lonnerstadt: Sie ist eine halbe Kanadierin; Mutter Josée kommt aus Québec, Besuche bei der Familie gibt es regelmäßig. Doch dieses Jahr im März ging es nicht an die Ostküste, sondern ziemlich weit nach Westen: eben nach Banff. Dort hospitierte sie für eine Woche in der Banff Community High School und im Training der „Bears“ – und war von beidem angetan. „Wichtig war, dass der Trainer gesagt hat, dass ich mithalten kann“, sagt sie.

Nicht einfach in einem eishockeyverrückten Land in einem erfolgreichen Team, in dem sie zu den „Küken“ gehört. Aber sie hat sich ein extrem hohes Ziel gesetzt. Naomi Kuhlow: „Schon als Kind war es ein Traum für mich, für das kanadische Nationalteam aufzulaufen.“ Vier Mal Training in der Woche und durchschnittlich drei Spiele am Wochenende sollen die künftige Zehntklässlerin ihrem großen Traum entscheidend näher bringen. Vorerst ist ein Jahr eingeplant, aber natürlich möchte sie am liebsten länger bleiben.

Dass sie es überhaupt so weit gebracht hat, bei den „Bears“ aufgenommen zu werden, verdankt sie sicherlich zum einen ihrem Talent, aber auch – und das betont ihr Vater Kai – der guten Nachwuchsarbeit bei den Höchstadter Alligators in einer Region, die eigentlich zur „Eishockey-Diaspora“ zähle: „Seit Stan Mikulenka und Jan Cizek das Training leiten, ist es da enorm aufwärts gegangen. Naomi hat den beiden viel zu verdanken.“

Obwohl der aus Hamburg stammende Kai Kuhlow selbst nie Eishockey gespielt hat, kennt er sich inzwischen ganz gut aus in der Szene und arbeitet beim HEC im Verwaltungsrat mit. „Eishockey fand ich schon immer einen tollen Sport, weil er schnell und hart ist.“

Und als zunächst Sohn Felix bei den „Young Alligators“ anfing und ein halbes Jahr später auch Naomi mitwollte, gab es daher keinerlei Bedenken bei den Eltern, ob das nicht zu „rustikal“ sein könnte.

Nun steht für Naomi und Felix der nächste, große Schritt an. Der Zwölfjährige ist schon seit einigen Tagen zum Sommer-Camp in Iserlohn und steht dort täglich auf dem Eis. Seine Eltern sind noch ein bisschen skeptisch, ob er im Sauerland tatsächlich schon auf eigenen Füßen stehen kann. „Aber er hat es so gewollt“, betonen die Kuhlows.

Naomi weiß jetzt schon, dass sie Heimweh bekommen wird. Aber dagegen gibt es ja Skype – und sie hat ja ein großes Ziel. „Nebenbei“ muss sie außer im Eishockey auch in der Schule versuchen, das Tempo mitzugehen. Zwar ist sie wie Felix zweisprachig aufgewachsen, aber bedauerlicherweise kommt dass Mutter Josée aus dem französisch-sprachigen Teil Kanadas. Das hilft ihr in den „Rockies“ wenig. In einer Wohngemeinschaft mit anderen auswärtigen Mitspielern wird ihr Englisch aber sicher schnell besser.

Knackige Kälte

Vom Lernen auf dem Eis und in der Schule wird sie jedenfalls nicht durch großstädtische Versuchungen abgelenkt: Banff hat ganze 8000 Einwohner – wird aber im Winter von zigmal so vielen Touristen überschwemmt. Dabei kann es dort knackig kalt werden: Bei ihrem Aufenthalt im März lagen die Temperaturen bei 28 Grad minus – im Aischgrund konnte man da schon auf der Terrasse sitzen.

Aber nicht nur die Kuhlow-Kinder stehen vor großen Veränderungen. „Das Haus wird ganz schön leer sein“, sagt Mutter Josée – und ist daher froh, dass sie sich vergangenes Jahr mit einem Dessousgeschäft in Höchstadt selbstständig gemacht hat: „Da habe ich wenigstens etwas zu tun.“ Denn das sei das Gute an Kanadiern: „Wo wir auch hinkommen, schaffen wir es, uns wohl zu fühlen und machen es uns gemütlich.“

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