Was aus einem Triathleten einen Ironman-Sieger macht

27.11.2017, 11:48 Uhr
Was aus einem Triathleten einen Ironman-Sieger macht

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Was aus einem Triathleten einen Ironman-Sieger macht

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Manchmal reicht schon eine kleine Erinnerung, um sich selbst zum Lachen zu bringen. "Eigentlich war ich früher kein Fan vom Mentaltraining", sagt Faris Al-Sultan schmunzelnd, als er im Niederndorfer Competence Center steht und in mehrere Dutzend Augenpaare blickt. Einen Raum weiter verfolgen diejenigen, die keinen Platz mehr gefunden haben, seinen Vortrag auf dem Fernsehschirm.

Dann beginnt Faris Al-Sultan zu erzählen, von den Vorteilen des Mentaltrainings, vom Visualisieren der Ziele, vom Vorsagen der Mantras, vom Bewältigen der Versagensängste. "15 Minuten kann ein Triathlet durch das Mentale gewinnen", sagt Al-Sultan. 15 Minuten, die etwa beim berüchtigten Ironman in Hawaii darüber entscheiden, ob ein Sportler gewinnt oder aus den Top Fünf fällt.

Faris Al-Sultan weiß das alles, er stand in Hawaii bereits selbst ganz oben. 2005, als er dort gewinnt, ist er auch denen bekannt, die den Triathlon-Sport nur am Rande verfolgen. Seit er vor zwei Jahren damit begann, den Triathleten Patrick Lange zu coachen, hat er das Mentaltraining entdeckt. Mit Erfolg: Erst vor kurzem triumphierte auch Lange in Hawaii bei dieser Sportart, die in ihrer Dreiteiligkeit ihre ganze Wucht entfaltet. Was aber macht Faris Al-Sultan an diesem Freitagabend in Niederndorf?

Zwei Stunden nach seinem Vortrag leert sich der Raum, zurück bleibt ein Arzt. Andreas Kreutz ist Orthopäde, er hat das Competence Center mit aufgebaut und ein klares Ziel. "Ich will, dass Sportler das Beste aus sich herausholen können und dabei gesund bleiben", sagt er und schiebt nach: "Trotz Beruf und Familie." Deshalb hat er zusammen mit seinem Team den "Tag des Triathlons" ausgerufen. Deshalb ist Faris Al-Sultan hier in Niederndorf. Dass die beiden sich einmal kennenlernen würden, war dagegen nicht abzusehen.

In dem Jahr, als Al-Sultan in Hawaii triumphiert, eröffnet über 8000 Kilometer entfernt der Orthopäde Kreutz in Niederndorf seine Praxis. Er ahnt damals noch nicht, wie sie sich bald entwickeln wird. Kreutz war Leistungsschwimmer, doch mit dem Fahrrad und den Laufschuhen klappt es weniger gut. "Trotzdem hatte ich für den Triathlon immer ein gewisses Faible", erzählt er. Und so ist es der Zufall, der an den richtigen Fäden zieht. Kreutz wird zum Ironman nach Hawaii geladen, wo er zusammen mit anderen Notfallärzten aushilft.

Dort lernt er die beiden deutschen Triathleten Faris Al-Sultan und Swen Sundberg, letzterer ein Herzogenauracher, kennen. Und die sind von ihm überzeugt. "Du bleibst bei uns", sagt Al-Sultan und holt den Niederndorfer Orthopäden 2009 als Teamarzt ins Abu Dhabi Triathlon-Team. Bei den großen Veranstaltungen fiebert Kreutz mit. "Aber meine Hauptarbeit fand zwischen den Wettkämpfen und in den Trainingslagern statt", erinnert sich der Arzt. In der Zwischenzeit erweitert er damals seine Praxis Stück für Stück zum Gesamtpaket. Sportmedizin, Leistungsdiagnostik, Trainingssteuerung. Der Kern jeder Wissenschaft besteht darin, immer neue Fragen aufzuwerfen. "Wir wollten immer neue Antworten finden."

Antworten, die nicht verhallen und deshalb jetzt hier in Niederndorf auch der breiten Bevölkerung präsentiert werden sollen. Fünf Vorträge, fünf Themenschwerpunkte. So wie sich der Triathlon aus drei sehr unterschiedlichen Sportarten zusammensetzt, so beleuchtet hier auch jeder einzelne Vortrag eine andere Sicht, nähert sich der Sportart aus einer anderen Perspektive.

Versucht Al-Sultan die Köpfe der Sportler zu erobern, so wirft Sundberg Grafiken an die Wand, die etwas an den Aktienmarkt erinnern, und erklärt, wie er als Coach das Training derart steuert, dass der Athlet an den wichtigsten Wettkampftagen seine beste Leistung zeigt. Während der Höchstadter Bodo Dresel über die Bedeutung der richtigen Sitzposition auf dem Triathlonrad referiert, erklärt der Athletiktrainer Klaus Ludwig die Vorzüge der Leistungsdiagnostik.

Ganz zum Schluss ist Andreas Kreutz selbst an der Reihe. Viele Sportler suchen ihn erst auf, wenn sich ein Symptom zeigt, wenn die Röntgenbilder Klarheit über den Schmerz verschaffen sollen. Viel zu spät, findet Kreutz. Der Orthopäde will bereits handeln, bevor die ersten Probleme auftreten. "Wir analysieren die Bewegungsmuster", sagt er. "Und dann muss der Arzt immer wieder nachjustieren." Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, den Kreutz verfolgt, wie im Orchester ist jedes Instrument wichtig für den Gesamterfolg. "Sport ist komplex, deshalb müssen alle Richtungen abgedeckt werden", sagt Kreutz. "Ich halte das für einen sehr vernünftigen Ansatz."

Das weiß inzwischen auch Faris Al-Sultan. Früher habe er gedacht, wer als Top-Athlet Mentaltraining braucht, dem fehle es irgendwo anders. Heute sei er selber viel mehr Mentaltrainer als irgendwas anderes. Und erklärt das an seinem Lieblingsbeispiel, dem Wasser in der Schwimmbrille. "Entweder man hält an", sagt Al-Sultan. "Oder man stellt das geistig ab: Dann gibt es halt einfach kein Wasser in der Schwimmbrille." Der Perspektivwechsel macht es möglich.

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