Wie ein Aurachtaler die internationale Musikwelt aufmischt

16.10.2018, 12:12 Uhr
Wie ein Aurachtaler die internationale Musikwelt aufmischt

© Foto: Frauenhofer IDMT

Simon Hestermann ist momentan viel unterwegs. Er ist nicht nur Student, sondern auch im Musikbusiness tätig. Er steht nicht selbst auf der Bühne, er agiert im Hintergrund und hat eine der bedeutendsten Aufgaben in der Kette einer Musikproduktion: Hestermann mastert Tonaufnahmen.

"Mastering ist der Prozess, der dafür sorgt, dass der Sound eines Songs den Emotionen vollständig Rechnung trägt", beschreibt er. Hestermann sorgt dafür, dass jeder Klang sitzt, kein Rauschen, keine Störfrequenz von der emotionalen Botschaft eines Songs ablenken.

Auf dem PC des 20-Jährigen werden Tonspuren in Grafiken durch Wellen dargestellt. Mittels "Equalizer" und "Kompressoren" kann er die Tonwellen verändern, die Frequenzen jeder Spur bearbeiten, die Dynamik anpassen, über den Charakter eines Klanges entscheiden. Den "Veredelungsprozess der Musik" nennt Hestermann das.

Kindheit und Jugend verbrachte er in Aurachtal, und noch immer besucht Hestermann seine alte Heimat regelmäßig. 2016 machte der heute 20-Jährige sein Abitur am Gymnasium in Herzogenaurach, danach begann er ein duales Studium der Informatik an der DHBW in Baden-Württemberg. So forscht er auch am Frauenhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT und hat dort eine Technik entwickelt, die die Welt der Musikproduktion verändern könnte.

Spannendes Verfahren

Für alle Ausgangsformate wie "Stereo" oder "Surround" muss eigentlich separat gemastert werden. Anders ist das beim häufig eingesetzten objektbasiertem Audio, das die Musikdatei später in Echtzeit in das jeweils gewünschten Format umrechnet. Das übliche Mastering funktioniert nicht mehr. Zusammen mit den zwei Kollegen hat Hestermann nun ein Verfahren entwickelt, das Mastering in diesen Prozess zu integrieren. Dazu haben sie schon ein wissenschaftliches Papier veröffentlicht, im November spricht Hestermann dazu auf der Tonmeistertagung in Köln.

Ursprünglich wollte er mal Pianist werden, nahm auch eigene Stücke auf. Seine Aufnahmen wurden mit der Zeit immer aufwendiger, doch er stellte schnell fest: "Das klingt noch nicht so wie die Stücke im Radio." So rutschte er in der "Produktionskette" immer einen Schritt weiter nach hinten, bis er schließlich beim Mastering angekommen war.

2014 hat der damals 16-Jährige mit dem Mastering begonnen, indem er für seinen Cousin, der heute als Produzent unter dem Pseudonym "Wolfskind" bekannt ist und bei Universal Music unter Vertrag steht, die Tracks gemastert hat. Langsam wurde sein Name bekannt. Erste Aufträge gingen ein.

Ein eigenes Studio aber, das fürs Mastering genutzt werden kann, ist nicht mit einem herkömmlichen Studio vergleichbar. Fürs Mastern brauche man einen akustisch perfekten Raum, erklärt Hestermann. Bei den kosten ist man schnell im sechsstelligen Bereich.

Bis vor wenigen Wochen war Hestermann ein Semester an der University of California in San Diego. Weil sich die USA gut eignen, Kontakte in der Musikbranche zu knüpfen, nutzte er die Gunst der Stunde. Um auch während des Auslandssemesters Musik mastern zu können, war er in Los Angeles auf der Suche nach einem Studio – und wurde prompt fündig. Kein Geringerer als Grammy-Gewinner Mark Robinson ließ ihn in sein Studio.

Die Hälfte seiner Arbeit, so schildert er, bestünde aus Kommunikation mit allen möglichen Menschen, die an der jeweiligen Musikproduktion beteiligt sind. Daher kann er schon jetzt von einem vortrefflichen Netzwerk im Musikbusiness profitieren. Der Kreis an Künstlern, die für ihr Master-Endprodukt Simon Hestermann haben wollen, wächst stetig.

Seien es Tracks für Live-Sets von Felix Jaehn oder Neuerscheinungen von Esmeé Denters, die lange bei Justin Timberlake unter Vertrag war — es sind bekannte Namen in der heutigen Musikwelt, mit denen Hestermann bereits zusammenarbeiten darf. Seit vergangenem Jahr war er auch an den Songs von YouTube-Star Tyler Ward beteiligt.

Bunte Musikbranche

Kürzlich kam es auch zur Zusammenarbeit mit Nathan Trent, Teilnehmer des Eurovision-Songcontest von 2017 für Österreich. Apropos ESC: Auch auf Europas größter Pop-Bühne könnte man bald von ihm hören. Aktuell ist er an einem Projekt für den Vorentscheid zum ESC 2019 beteiligt. In dieser Welt fühlt er sich sichtbar wohl. Die Musikindustrie, philosophiert er nämlich, habe der abschottenden politischen Stimmung einiges voraus. Denn sie seien ein Paradebeispiel für Globalisierung, Völkerverständigung und Kulturaustausch. Er freue sich immer darüber, im Studio verschiedene Nationalitäten anzutreffen, das finde er inspirierend.

Doch auch außerhalb der Branche ist Hestermann rege aktiv. Seit zwei Jahren ist er FDP-Mitglied, war auch Ortsvorsitzender der Jungen Liberalen. 2017 war er Clubpräsident von Rotaract, den jungen Rotariern, jetzt ist er dort Vorstandsmitglied.

Hestermann veredelt aber nicht nur Musik. Mit einem Freund hat er eine Firma in der Filmsparte gegründet. Insgesamt bleibt der 20-Jährige aber bescheiden. "Ich bin definitiv noch nicht Erste Bundesliga", sagt er.

Nach dem Bachelor im nächsten Jahr soll es direkt nach Los Angeles gehen. Gerne würde Hestermann dort einen Beruf in der Branche ergreifen, sich Schritt für Schritt nach oben arbeiten. Natürlich fasst er da auch das Mastering ins Auge, könnte sich aber auch einen Hauptjob im Technologiesektor vorstellen.

Schon jetzt hat er Arbeit genug. Deswegen sucht Hestermann aktuell einen zweiten Mastering-Engineer, der bei ihm einsteigen möchte.

Die Arbeit dürfte Simon Hestermann so schnell nicht ausgehen.

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